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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 03.06.2003


Grausamkeiten, die man nie vergißt
Hilde Meier

Der Roman Tsubaki von Aki Shimazaki erzählt die tragische japanische Familiengeschichte einer unmöglichen Liebe in Zeiten des Krieges und der Atombombe von Nagasaki




"Es gibt Grausamkeiten, die man nicht vergißt. Für mich waren das weder der Krieg noch die Atombombe". Diese Worte sind die letzten, die Frau X. an ihren Enkelsohn richtet, bevor sie stirbt. In dem einfachen und doch eindringlichen Roman wird sie nur "die Mutter" genannt.
Tsubaki, Kamelien, waren ihre Lieblingsblumen und wie sie wollte sie sterben. So verstreuten ihre Tochter und der Enkelsohn ihre Asche in ihrem Garten um die Kamelien herum.

Die Mutter war erst 67 Jahre, fand aber, dass sie lange genug gelebt hatte.
Sie hatte die Atombombe von Nagasaki überlebt, trug jedoch eine schwere Lungenkrankheit davon. Doch über die Leiden, die der amerikanische Atombombeneinsatz verursacht hatte, sprach sie ebenso wenig, wie über ihre tragische Familiengeschichte.

In ihrem Nachlass befinden sich auch zwei Briefe. In dem einen bittet sie die Tochter, ihren Bruder zu suchen. Der Zweite enthüllt ein weiteres Geheimnis: Das ihrer auswegslosen Liebe zu ihm.

Denn: Als Jugendliche verliebte sich die Mutter in einen Jungen, von dem sie sich nie mehr trennen wollte. Das Drama nahm ihren Lauf, als sie herausfand, dass ihr Vater ein Doppelleben führt und sie und der Junge denselben Vater haben.

Eindringlich und nüchtern beschreibt die Autorin die ganze unaufhaltsame Tragödie der Mutter, die ihren Vater - Ironie des Schicksals - am selben Tag tötet als die Atombombe auf Nagasaki fällt und Tausende Leben auslöscht.

Seit 20 Jahren lebt die japanische Autorin Aki Shimazaki schon in Kanada.
Auf japanisch hat die 48-Jährige bereits mehrere Bücher veröffentlicht.
"Tsubaki" ist ihr erster Roman in französischer Sprache. Verstörend schön ist der kurze, zeitgenössische Roman über eine Nagasaki-Überlebende.



Aki Shimazaki
Tsubaki

Roman
Aus dem Französischen von Bernd Wilczek
Antje Kunstmann Verlag, München 2003
ISBN 3-88897-322-8
€ 14,90
110 Seiten
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Beitrag vom 03.06.2003

AVIVA-Redaktion