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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 06.03.2006


Pirjo Hassinen - Die Samstagsfrau
Tatjana Zilg

Ein Anruf aus ihrem Heimatdorf katapultiert eine 35jährige Anwältin in ihre Vergangenheit. Vor 22 Jahren ist ihre Mutter spurlos verschwunden. Ein Polizist will den Fall neu aufrollen




Rachel Heimonen lebt in Helsinki, ist beruflich erfolgreich und mit ihrem Leben recht zufrieden. Seit einiger Zeit ist sie Teilhaberin einer Anwaltskanzlei für Erbrecht.
Eines Tages informiert sie die Polizei mit einem Anruf, dass ein älterer Mann, der in verwirrten Zustand aufgegriffen wurde, ein Mordgeständnis abgelegt habe. Sie sieht sich gezwungen, in ihren Heimatort zu fliegen und die neu aufgenommenen Ermittlungen zu unterstützen.

Was sich hieraus entwickelt, ist weniger eine Kriminalgeschichte, als ein psycho-dramatisches Beziehungsgeflecht zwischen den ermittelnden Polizisten und der verlassenen Tochter. In vielen Rückblenden erinnert sich Rachel an ihre Mutter Rebecca, die in kurzfristigen Affären mit den unterschiedlichsten Männern eine temporäre Flucht aus der Ehe mit einem chronisch kranken Mann suchte.
Sie war dabei dicht einbezogen und die engste Vertraute der unglücklichen Mutter. Besonders einfühlsam gelingt es der Autorin zu beschreiben, wie das Mädchen mit einer Mischung aus Nicht-Verstehen und kindlicher Neugier über Fragen der Sexualität nachsinnt. Da sie die Mutter innig liebt und sie bewundert, versucht sie, ihr Begehren gegenüber den fremden Männern nachzuvollziehen. Gleichzeitig entsteht in ihr die Angst, eines Tages ein Hindernis auf dem Weg ihrer Befreiung zu werden und von der Mutter allein gelassen zu werden.

Als sie dreizehn Jahre alt ist und die Mutter während eines Flughafenaufenthaltes plötzlich verschwindet und nie mehr zurückkommt, ist es für sie die einzige Erklärung, dass die lebenshungrige Frau mit einem der Männer fortgegangen ist.
Für die Großmutter und die meisten Leute des Dorfes, in dem es eine konservative Freikirche gibt, wäre es aber leichter zu verkraften, wenn Rebecca umgebracht worden wäre. Auch der Polizist in der Gegenwart versucht Rachel davon zu überzeugen, mit ihm an der Aufklärung des scheinbaren Mordfalles zu arbeiten. Zwischen den beiden Gestalten, die mühsam die Spuren der Vergangenheit erforschen, entsteht allmählich eine verbotene erotische Anziehungskraft.

AVIVA-Tipp: Die Grundidee müht sich eher zäh durch die 348 Seiten des Romans. Für einen Krimi kommt zuwenig Spannung auf, auch das erotische Prickeln zwischen den beiden ProtagonistInnen wiegt das nicht auf. Dass der Polizist eine wichtige Rolle einnimmt, aber namenlos bleiben muss, erschwert die Lesbarkeit zusätzlich. Nachdenklich stimmende Momente finden sich vor allem in den Rückblenden, wo das außergewöhnliche Mutter-Tochter-Verhältnis erforscht wird.

Zur Autorin:
Pirjo Hassinen
, geboren 1957, studierte Politik und Philosophie und hat mittlerweile sieben Romane veröffentlicht, einige davon wurden für den Finlandia-Prize und den Nordic Literature Prize nominiert.


Pirjo Hassinen
Die Samstagsfrau

Originaltitel: Jouluvaimo
Aus dem Finnischen von Meike Frese
Taschenbuch, 348 Seiten
ISBN: 3-442-73237-9
EAN: 9783442732371
Verlag: btb, erschienen Oktober 2005
9,00 Euro90008115&artiId=3556076"




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Beitrag vom 06.03.2006

AVIVA-Redaktion