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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 19.06.2007


Seyran Ateş, Große Reise ins Feuer
Yvonne de Andrés

Die Geschichte einer deutschen Türkin. Seyran Ateş widmet es allen Frauen, die nicht frei und selbstbestimmt leben können und dürfen. Ein engagiertes Buch für Frauen.




"Einfordern kann man nur das Recht, das man kennt", weiß Seyran Ateş. Die couragierte Rechtsanwältin hat im Herbst 2006 ihre Zulassung zurückgegeben und ihre Kanzlei geschlossen. Sie wurde immer wieder mit Morddrohungen überhäuft, die Anfeindungen aus dem rechten Spektrum der muslimischen Gemeinden brachen nicht ab. Bereits 1984 verübte ein Mitglied der "Grauen Wölfe" ein Attentat auf sie, das sie nur knapp und schwer verletzt überlebte. Die Frau die sich damals zusammen mit Seyran Ateş im Frauenladen TIO aufhielt und durch sie beraten wurde, starb.

Seyran Ateş hat mit Große Reise ins Feuer ein Buch über sich, ihre türkisch-kurdische Familie und ihren beruflichen und politischen Werdegang geschrieben. Für die Leserinnen, die kein Türkisch sprechen, übersetzt Seyran Ateş die Wahl ihres Buchtitels und ihres Namens: "Von einem ruhigen Leben träume ich zwar, aber bis heute ist nichts daraus geworden. Schließlich nannten sie mich noch Seyran, nach meiner Großmutter, was große Reise, Ausflug, Feiern bedeutet. Ein Name, der verpflichtet. Mein Nachname Ateş bedeutet übrigens Feuer, Fieber."

Als Sechsjährige kommt sie nach Berlin. Gemeinsam mit ihren Geschwistern und Eltern wohnt sie im Stadtteil Wedding auf kleinstem Raum. Die strenge Erziehung der Eltern ermöglicht ihr wenig Spielraum zwischen Wohnung und Schule. Schon früh wird sie auf die Rolle als Hausfrau und Ehefrau vorbereitet. Mit 15 Jahren fasst sie den Entschluss, Juristin zu werden. Endlich frei ist sie erst, als sie mit 17 Jahren das Elternhaus verlässt und sich vor den Eltern versteckt. Der Wunsch nach Gleichberechtigung wurde immer wieder untersagt und als letztes Argument galt: "Der Islam ist dagegen, dass Frauen sich so frei bewegen."

Seyran Ateş geht ihren Weg zwischen Abitur und dem Engagement im Frauenladen. "Ich fühlte mich am wohlsten unter Frauen aus aller Frauen Länder. Diese Erfahrung trug dazu bei, dass ich eine Vorstellung davon entwickeln konnte, wohin ich gehörte." Seit über 20 Jahren engagiert sich Frau Ateş für Mädchen und Frauen aus muslimischen Ländern, die eingesperrt, misshandelt oder zwangsverheiratet werden. Ab 1997 vertrat Seyran Ateş sie auch als Anwältin, ohne zu wissen, dass sie damit fast ihr Leben riskiert hätte.

Zur Autorin: Seyran Ateş wurde 1963 in Istanbul geboren. Sie lebt seit 1969 in Berlin. Die Juristin, Frauenrechtlerin und Autorin führte von 1997 bis zum August 2006 eine Kanzlei in Berlin, aus der sie sich wegen der akuten Bedrohungssituation zurückziehen musste. Jahrelanges politisches Engagement und Interesse für frauen- und minderheitenspezifische Themen charakterisierten auch ihre Arbeit als Anwältin.

Für ihr Engagement erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen und Preise. 2004 den Berliner Frauenrechtpreis, 2005 den Zivilcouragepreis des Berliner CSD e.V. und vom Deutschen Staatsbürgerinnenverband e.V. wurde sie zur Frau des Jahres 2005 gewählt. 2006 wurde sie mit den Ossip-K.-Flechtheim-Preis vom Humanistischen Verband Deutschland sowie 2006 den Margherita-von-Brentano-Preis der Freien Universität Berlin ausgezeichnet. Weitere Informationen unter: www.seyranates.de

AVIVA-Tipp: "Große Reise ins Feuer" ist die mutige Geschichte einer selbstbewussten Frau, Rechtsanwältin und aktiven Feministin. Als deutsche Türkin schildert sie, wie sie sich erfolgreich gegen Rassismus, Diskriminierung, Ausgrenzung und Vorurteile engagiert. Auch (und vielleicht gerade) VertreterInnen der Mehrheitsgesellschaft ist dieses Buch dringend zu empfehlen. Seyran Ateş hat sich in viele Diskussionen im Zeichen der Emanzipation eingemischt, so auch in den "Kopftuchstreit": "Frauen müssen Kopftücher und Tschador nicht tragen, weil der Koran es so will, sondern weil Männer es so wollen." Sehr lesenswert!


Seyran Ateş
Große Reise ins Feuer

Die Geschichte einer deutschen Türkin.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, erschienen Dezember 2006
ISBN: 3499238039
EAN: 9783499238031
Kartoniert, 249 Seiten
8,90 Euro


Literatur

Beitrag vom 19.06.2007

Yvonne de Andrés