Anna Gmeyner - Manja - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur Juedisches Leben



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 04.12.2014


Anna Gmeyner - Manja
Sharon Adler

Ein berührender Roman um das Schicksal von fünf Kindern in den Jahren 1920 bis 1934 in Deutschland. Lisette Buchholz hatte das 1938 bei Querido in Amsterdam erschienene literarische Meisterwerk...




... 1984 im persona verlag zum ersten Mal in Deutschland in ihr Programm aufgenommen. Nun hat "Manja" von Anna Gmeyner im Oktober 2014 im Berliner Aufbau Verlag eine neue Heimat gefunden.

Die Verlegerin war einer Empfehlung des Exilverlegers Fritz Landshoff gefolgt, hatte die Autorin per Suchannoncen in London und New York gesucht und schließlich in einem englischen Altersheim ausfindig machen können, um einen Vertrag mit ihr abzuschließen Anna Gmeyner hatte Lisette Buchholz. Die englische Übersetzung erschien 2003 bei Persephone Books, London. Für die Interpretation des Hörbuchs, das bei Hörkultur Medien AG erschienen ist, - wurde Iris Berben in der Kategorie "Beste Interpretin" für den Deutschen Hörbuchpreis 2008 nominiert.

Diese späte Aufmerksamkeit hat die Geschichte um das Mädchen Manja absolut verdient, zeichnet der Roman doch ein detailgetreues, mikroskopisch feines Bild der Ereignisse in Deutschland von 1920 bis 1934. Minutiös beschreibt die Autorin die Entwicklungen und die Faszination des braunen Sumpfes auf die Menschen. Fünf Einzelschicksale sind es, die Anna Gmeyner sich in "Manja" herausgreift, sie meisterhaft zu einem großen Ganzen verknüpft, beginnend mit einer beliebigen Nacht im Frühjahr 1920, in der fünf Kinder gezeugt werden, deren persönliche Schicksale hier ihren Lauf nehmen.

Hineingeboren in unterschiedliche soziale Milieus werden sich diese fünf später finden, um eine ganz große Freundschaft miteinander zu erleben. Nicht jedem von ihnen gelingt es, sich den Schrecken dieser Zeit zu widersetzen, Stolz und Mut zu beweisen, wo Verrat der einfachere Weg ist.

Die Kinder

Karl, der Sohn der Sozialisten Eduard und Anna Müller, wurde in Liebe gezeugt.
Heini ist der Sohn von Hanna Cornelius und dem Arzt Ernst Heidemann, unbestechlichen und aufrechten Mitgliedern des liberalen Bildungsbürgertums.
Franz ist das Produkt einer ehelichen Vergewaltigung. Er ist der Sohn des kleinen Angestellten Anton Meißner und der Hausfrau Frieda, die den Aufstieg der Nationalsozialisten unterstützen, um dem Kleinbürgertum zu entkommen und ihrem Hass auf die Juden endlich offen Ausdruck verleihen zu können.
Harry ist der ungeliebte Sohn des Unternehmers Max Hartung, der seine jüdische Herkunft verleugnet, und Hilde Hartung, die sich später aus der Realität in eine Traumwelt flüchten wird.
Manja entstammt einer armen jüdischen Einwandererfamilie aus Polen. Entstanden durch eine flüchtige Begegnung einer Nacht ihrer Mutter Lea mit David Goldstaub ist sie das Bindeglied der Kinder.

Dort, wo die Welt der Erwachsenen und die Politik außen vor bleibt, haben sich die Kinder ihr Refugium erschaffen – regelmäßig treffen sie sich in einem verlassenen Mauergrundstück am Stadtrand. Doch nach 1933 wird ihre Gemeinschaft von der Realität eingeholt und auf eine harte Probe gestellt: Manja und Harry sind nun nicht mehr "arisch" und die Gesinnung ihrer Eltern, der Nachbarschaft und Mitschüler_innen, die mit oder gegen Hitler sympathisieren, droht die Freundschaft der Kinder zu zerstören ...

Zur Autorin: Anna Gmeyner, 1902 in Wien geboren, gehörte um 1930 zur literarischen Avantgarde. Ihre Theaterstücke ("Heer ohne Helden", "Automatenbüffet") wurden bis 1933 mit Erfolg in Deutschland aufgeführt. Das Exil führte sie über Paris nach England, wo sie von 1934 bis 1938 "Manja" schrieb, das 1938 bei Querido in Amsterdam unter ihrem Pseudonym Anna Reiner erschien. Sie schrieb Filmdrehbücher und Romane, in späteren Jahren nur noch auf englisch. Anna Gmeyner starb 1991 in York.


AVIVA-Tipp: Manja ist eines der ganz großen Werke der Exilliteratur, die es neu zu entdecken gilt. Anna Gmeyner hat mit ihrem "Roman um fünf Kinder" ein plastisches Bild von Deutschland um 1933 und der Menschen gezeichnet, die am Aufbau von Nazideutschland beteiligt waren, als auch derer, für die es das Verderben bedeutete,. Das Mädchen Manja, ihre Freunde und deren Familien stehen stellvertretend für viele, denen in der Zeit um 1933 Unrecht, nicht viel später Schlimmeres widerfahren ist, doch Manja bleibt nicht namenlos. Die Autorin hat ihr mit diesem Werk, das neben der eindringlich konstruierten Geschichte durch seine poetische Sprache berührt, ein Denkmal gesetzt.


Anna Gmeyner
Manja

Ein Roman um fünf Kinder
Mit einem Nachwort von Heike Klapdor
Aufbau Verlag, ET: 6.10.2014
Gebunden mit Schutzumschlag, 544 Seiten
ISBN 978-3-351-03415-3
19,95 Euro
www.aufbau-verlag.de




Literatur > Jüdisches Leben

Beitrag vom 04.12.2014

Sharon Adler