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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 20.05.2021


Wir lassen uns nicht trennen - Ein offener Brief jüdischer und muslimischer Initiativen
AVIVA-Redaktion

Im Hinblick auf die aktuell eskalierende Lage haben sich 22 jüdische, muslimische und jüdisch-muslimische Organisationen, Initiativen und Bündnisse, sowie Einrichtungen, die Räume für jüdisch-muslimische Begegnung schaffen, zusammengefunden, um ein gemeinsames Zeichen gegen antisemitischen und antimuslimischen Hass zu setzen Am 20. Mai 2021 veröffentlichten sie einen offenen Brief, in dem sie sich zur jüdisch-muslimischen Solidarität bekennen.




In den letzten Jahren wurden vielfältige Allianzen und Netzwerke zwischen jüdischen und muslimischen Organisationen, Communities und Individuen aufgebaut. Wann immer der Nahost-Konflikt hier ausgetragen wird, sind sie besonders in Gefahr. Der offene Brief soll ein gemeinsames Zeichen für Solidarität und Zusammenhalt und gegen Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus sein.

Wir lassen uns nicht trennen – ein offener Brief


Wir als jüdische, muslimische, jüdisch-muslimische Organisationen, Initiativen und Bündnisse, sowie Einrichtungen, die Räume für jüdisch-muslimische Begegnung geschaffen haben, schreiben diesen Offenen Brief, weil wir nicht hinnehmen, dass der Konflikt im Nahen Osten unser Zusammenleben und unsere politische und kulturelle Arbeit in Deutschland zerstört.
Wir haben in den letzten Jahren, unter schwierigen Bedingungen und in komplexen Prozessen, vielfältige Allianzen, Bündnisse und Netzwerke zwischen jüdischen und muslimischen Organisationen, Communities und Individuen aufgebaut, die wir gegen eine neue Welle des Hasses und der Propaganda verteidigen wollen. Denn, wann immer der Nahost-Konflikt hier ausgetragen wird, leiden auch wir darunter!
Deswegen wollen wir zwei Dinge festhalten:

1. Wir verurteilen Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus

Wir verurteilen jede Art von Antisemitismus und anti-muslimischen Rassismus, sowie jede Form von Gewalt und Hass, wie etwa die jüngsten Angriffe auf Synagogen in Bonn oder in Gelsenkirchen. Wir verwahren uns dagegen, dass Jüd:innen und Muslim:innen hierzulande für die Geschehnisse im Nahen Osten verantwortlich gemacht werden, sei es durch physische Gewalt oder durch entsprechende Darstellungen in den sozialen Medien. Diese Zuschreibung ist Ausdruck von Antisemitismus und anti-muslimischem Rassismus, die Gegenwart und Zukunft unseres Miteinanders hierzulande gefährden. Genau dagegen richtet sich unsere vielfältige Arbeit seit vielen Jahren.

Jüdisch-muslimische Beziehungen sind alles andere als selbstverständlich. Wir haben viel investiert um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, um dadurch auch vor Fragen nicht zurückzuschrecken, die uns gegenseitig irritieren und befremden. Diese Fragen sind mit komplexen historischen Dynamiken verwoben, die Leid und Traumata beinhalten. Wir haben gelernt, Differenzen auszuhalten, auch wenn dies nicht immer leichtfällt. Wir haben auch viele Gemeinsamkeiten entdeckt und Ziele formuliert, wie wir als Jüd:innen und Muslim:innen in Deutschland miteinander leben wollen und können, und was wir im Zusammenleben auch von der Mehrheitsgesellschaft erwarten. Deshalb lassen wir unsere jüdisch-muslimischen Freundschaften, Bündnisse und Allianzen weder für politische Zwecke instrumentalisieren noch auf den Nahost-Konflikt reduzieren.

2. Es muss Raum für unterschiedliche Haltungen zum Nahost-Konflikt geben.

Der Nahost-Konflikt ist ein "Hot Button Issue" jüdisch-muslimischer Beziehungen – dessen sind wir uns bewusst. Dass unterschiedliche Haltungen zum Nahost-Konflikt bestehen, ist nachvollziehbar. Unsere jeweiligen Perspektiven sind von unterschiedlichen Sozialisationen, Erfahrungen, Wissensbeständen, und Emotionen bestimmt. Dafür muss es in einer offenen, pluralistischen und demokratischen Gesellschaft Raum geben. Mit diesen Differenzen müssen und können wir leben, denn sie bestehen nicht nur zwischen Jüd:innen und Muslim:innen, sondern auch innerhalb verschiedener Gruppen. Wir stellen aber auch fest, dass der Nahost-Konflikt nicht der Regelfall jüdisch-muslimischer Beziehungen ist; er ist keine Notwendigkeit des Muslimisch- oder Jüdischseins, sondern eine spezifische Situation, zu der jede und jeder sich verantwortungsvoll verhalten kann. Wir gehen zudem davon aus, dass der Nahost-Konflikt kein zwingendes Thema jüdisch-muslimischer Beziehungen und Gespräche sein muss. Unsere Arbeit ist von einer Fülle an unterschiedlichsten Themen geprägt, das soll auch so bleiben. Wir lassen unsere Arbeit nicht auf die Nahost-Thematik reduzieren.

#wirlassenunsnichttrennen #wirstehenfüreinanderein #wirbleibenimgespräch

Unterzeichnende Organisationen:

AusArten – Perspektivwechsel durch Kunst

Keshet Deutschland

Jüdisch-Muslimischer Gesprächskreis der W. Michael Blumenthal-Akademie des Jüdischen Museums Berlin

Bildungsstätte Anne Frank

Prof. Dr. Bekim Agai, Direktor der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG)

Zeitschrift Jalta

Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA e.V.)

Heidelberger Bündnis für Jüdisch-Muslimische Beziehungen

Muslimische Akademie Heidelberg i. G.

Schalom und Salam, Kubus e.V.

Forum muslimischer Frauen Baden-Württemberg

Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD)

Rat muslimischer Studierender und Akademiker (Ramsa e.V.)

Jung, muslimisch, aktiv - JUMA e.V

TaMaR Germany e.V.

Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES)

Avicenna Studienwerk

Karov-Qareeb – jüdisch-muslimischer Thinktank

Dialogperspektiven

Jüdisch-muslimischer Stammtisch München

Institut für Social Justice & Radical Diversity

Institut für Desintegration (IFD)



Quelle: Pressemitteilung vom 20. Mai 2021


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Beitrag vom 20.05.2021

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