TERRE DES FEMMES kritisiert - Regierung ignoriert Gesetzentwurf zu Genitalverstümmelung - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Public Affairs



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 05.06.2009


TERRE DES FEMMES kritisiert - Regierung ignoriert Gesetzentwurf zu Genitalverstümmelung
AVIVA-Redaktion

Bei seiner Sitzung Ende Mai 2009 hat der Rechtsausschuss im Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition das Thema "weibliche Genitalverstümmelung" von der Tagesordnung genommen. Begründet wurde...




... dieses Vorgehen damit, dass die Große Koalition einen eigenen Vorschlag einbringen wird.

Damit ist der am 14. Mai 2009 ins Parlament eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafbarkeit weiblicher Genitalverstümmelung abgeschmettert. In einem Brief an den Rechtsausschuss fordern Sibylle Laurischk, Irmingard Schewe-Gerigk und Dr. Konrad Schily, die den Gruppenantrag eingebracht hatten, dass er dennoch im Plenum behandelt wird. Unterstützt wurde der Antrag von 91 ParlamentarierInnen aus FDP, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU/CSU.

Er sah vor, dass weibliche Genitalverstümmelung generell als schwere Körperverletzung geahndet wird. Bisher fällt diese schwere Menschenrechtsverletzung an Mädchen und Frauen in Deutschland unter den Straftatbestand der einfachen bzw. gefährlichen Körperverletzung. Nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn die betroffene Frau nachweislich aufgrund der erlittenen Verstümmelung ihre Fortpflanzungsfähigkeit verliert, könnte Genitalverstümmelung als schwere Körperverletzung geahndet werden.

Die betroffenen Mädchen und Frauen aus mehrheitlich afrikanischen Herkunftsländern leiden lebenslang unter den Konsequenzen der Praxis, bei der neben der Klitoris meist auch Teile der Schamlippen abgeschnitten werden. In 15% der Fälle wird die Vagina bis auf eine winzige Öffnung zugenäht. Die Folgen für die Überlebenden sind immens: Schmerzen und Komplikationen beim Wasserlassen, bei Menstruation, Geschlechtsverkehr und Entbindungen.

Des Weiteren sah der Gesetzentwurf vor, dass die Verjährungsfrist für Genitalverstümmelungen erst einsetzt, wenn die betroffenen Mädchen das 18. Lebensjahr erreicht haben. Damit haben sie wie Opfer von sexuellem Missbrauch die Möglichkeit, als Erwachsene Anzeige gegen die TäterInnen zu erstatten. Da die Mädchen oft in ihren ersten Lebensjahren verstümmelt werden, besteht bei der bisherigen Rechtslage die Gefahr, dass die Tat verjährt, bevor die Betroffenen volljährig sind.

Darüber hinaus sollte nach dem vorliegenden Gesetzentwurf Genitalverstümmelung in den Katalog der Auslandstaten aufgenommen werden. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Genitalverstümmelungen, die außerhalb von Deutschland durchgeführt werden, von deutschen Behörden strafrechtlich verfolgt werden können, wenn es sich um ein in Deutschland lebendes Mädchen handelt. Es gibt Hinweise, dass Mädchen insbesondere während Ferienaufenthalten im Heimatland der Eltern verstümmelt werden.

Aus Bundestagskreisen heißt es, die Große Koalition plane lediglich das Ruhen der Verjährungsfrist, allerdings ohne dass Genitalverstümmelung als eigener Tatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen wird.
"Damit ignoriert die Große Koalition nicht nur das fraktionsübergreifende Anliegen von 91 Abgeordneten, sondern vor allem das Recht der betroffenen Frauen auf angemessene Strafverfolgung derjenigen, die ihnen lebenslanges Leiden zugefügt haben", so Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von TERRE DES FEMMES. "Deutschland muss seiner Schutzverpflichtung nachkommen und mit der Aufnahme in den Katalog der Auslandstaten verhindern, dass Mädchen in den Ferien Opfer von Verstümmelungen werden."

Ein generelles Ausreiseverbot für Mädchen aus Verbreitungsländern der Genitalverstümmelung stuft TERRE DES FEMMES als verfassungswidrig ein. Stattdessen befürwortet die Organisation die Aufnahme in den Katalog der Auslandstaten. Eltern soll vor der Ausreise deutlich gemacht werden, dass eine Verstümmelung ihrer Tochter im Ausland geahndet werden kann.

Neben Änderungen im Strafrecht fordert TERRE DES FEMMES von der Bundesregierung umfassende Präventionsmaßnahmen für gefährdete Mädchen und eine flächendeckende Schulung von ÄztInnen, Hebammen, ErzieherInnen, LehrerInnen, Polizei und Justiz.

Informationen zur aktuellen TERRE DES FEMMES-Kampagne gegen Genitalverstümmelung Kein Schnitt ins Leben! unter: www.frauenrechte.de

Quelle: TDF


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Beitrag vom 05.06.2009

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