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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 24.06.2009


Männerforscher entdeckt Männerhass in Frauenhäusern
Claire Horst

In der nicht gerade für ihre liberalen Ansichten bekannten Tageszeitung "Die Welt" polemisiert der Soziologe Gerhard Amendt gegen die staatliche Förderung von Frauenhäusern. Amendt zufolge ...




... ist "das Frauenhaus" ein "Hort des Männerhasses".

Daher fordert er nicht nur ein Ende der mühsam erkämpften finanziellen Unterstützung, sondern gleich die komplette Abschaffung der Frauenhäuser.

Gerhard Amendt, Professor am "Institut für Geschlechter- und Generationenforschung" der Universität Bremen, hat seinen Arbeitsschwerpunkt auf die Männer- und Väterforschung gelegt. Neben seiner durchaus verdienstvollen Auseinandersetzung mit der Rolle von Frauen im Nationalsozialismus hat er schon häufiger mit pauschalen Angriffen gegen den von ihm so genannten "Verdammungsfeminismus" Aufsehen erregt. Seiner Meinung nach verfolgen dessen Anhängerinnen – und damit scheinen alle Feministinnen gemeint zu sein – nur ein Leitmotiv: "Alle Männer sind schlecht".

Anlass für den erneuten Ausfall gegen feministische Arbeit ist das Vorhaben des Familienausschusses im Bundestag, eine eventuelle Finanzierungsgarantie des Bundes für Frauenhäuser prüfen zu lassen. Amendt hält diese Aussicht für ungeheuerlich, schließlich seien "Frauenhäuser ein Hort des Hasses". In diesen Einrichtungen werde keineswegs häuslicher Gewalt entgegengewirkt, im Gegenteil würden die Frauen gegen ihre Männer aufgehetzt. Er behauptet, die ersten Frauenhäuser in der Gründungsphase begrüßt zu haben. Enttäuscht sei er aber von ihrer Arbeitsweise:

"Zu [...] professionellen Interventionen sind Frauenhäuser aufgrund ihrer Ideologie vom Mann als Feind aller Frauen nicht fähig. Für sie steht vorab immer fest, dass Frauen nicht gewalttätig sind. Das gibt die Frauenhausideologie vor, so dass sich das gemeinsame Gespräch zwischen Frau und Partner erübrigt. Zu diesem Zweck werden Frauen in die Opferposition politisch manipuliert und Männer werden kollektiv entwertet. Und konsequenterweise dürfen Frauen sich in Frauenhäusern nur als Opfer erleben."

Anstelle der parteilichen Arbeit mit Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind, plädiert Amendt für "Ehe- und Familienberater", die helfen sollen, Verständigungsschwierigkeiten zu überwinden. Frauenhäuser, behauptet er, verhinderten jede Kommunikation. Sinnvolle Projekte gegen häusliche Gewalt müssten bereit sein, mit "allen Mitgliedern einer gewalttätigen Familie zusammenzuarbeiten". Eine gewalttätige Familie? Sind also in Gewaltzusammenhängen alle TäterInnen – von der Großmutter bis zum Baby? Und geht es tatsächlich nur um "Verständigungsprobleme"?

Frauenhäuser, die häufig aus Selbsthilfeprojekten hervorgegangen sind, entstanden aus der Notlage heraus, dass von Gewalt betroffene Frauen und Kinder einen Zufluchtsort brauchten. Sie bieten ein Erste-Hilfe-Angebot und moralische sowie juristische Unterstützung. In einer Gesellschaft, in der Frauen immer noch häufig von ihren Männern finanziell abhängig sind, sind die Machtverhältnisse weiterhin nicht im Gleichgewicht. Das heißt natürlich nicht, dass Vermittlungsangebote abgelehnt werden – natürlich ist auch die Arbeit von EheberaterInnen sinnvoll. Warum sollte sie gegen Frauenhäuser ausgespielt werden, die Frauen und Kinder in prekären Situationen aufnehmen?

Weil der Ausgangspunkt von Amendts Argumentation ein ganz anderer ist. Er stellt die gewagte These auf, dass Frauen keineswegs häufiger zum Opfer von Gewalt würden als Männer. Zum Beweis führt er "Hunderte von Studien aus den USA und Kanada" an, die das belegen könnten, allerdings nicht genauer genannt werden. Die Angabe, dass jede vierte Frau bereits Opfer von häuslicher Gewalt geworden sei, hält Amendt für ein Gerücht. Eigene Studien des Soziologen haben ergeben, dass auch Männer sich als Gewaltopfer empfinden. Die von ihm genannten Zahlen sind allerdings eher verwirrend als erhellend: "Die große Bremer Scheidungsväterstudie des Autors hat gezeigt, dass Gewalt in 30 Prozent aller Scheidungen vorkommt. 1800 Männern haben von körperlichen wie psychischen Gewalthandlungen ihrer Partnerinnen berichtet. Also eine wesentlich höhere Häufigkeit als die ca. 10 Prozent, die für Partnerschaften im Alltag belegt wird. Und von diesen 30 Prozent Gewalthandlungen werden 60 Prozent von Ehefrauen/Partnerinnen begonnen"

Amendt behauptet, dass solche Zahlen immer auf rein subjektiven Eindrücken beruhten – und Männer fühlten sich genauso als Gewaltopfer wie Frauen. Gewalterfahrung ist also Einstellungssache - Männer wie Frauen sagen: "Der / die hat angefangen", und im Prinzip trägt das System die Schuld. Der Forscher fasst zusammen: Frauen seien "genau so aggressiv und genau so gewalttätig - und das sogar geringfügig häufiger - wie Männer", und Frauenhäuser tragen "zur feindselig aufgeladenen Polarisierung der Gesellschaft in männliche Gewalttäter und weibliche Friedfertige maßgeblich" bei. Stattdessen sollen Männer und Frauen miteinander reden – dann wird schon alles gut werden.

Was tatsächlich zur Polarisierung der Gesellschaft beiträgt, sind Amendts unsägliche Angriffe gegen Einrichtungen, die für tatsächliche – nicht rein subjektiv empfundene – Opfer von Gewalt offen stehen - und sein beständiges Gegeneinanderausspielen von Männern und Frauen. Es geht nicht darum, ob Männer oder Frauen die besseren Menschen sind. Niemand behauptet, dass alle Männer Schläger sind und dass sie nicht auch zu Opfern werden können. Unsäglich ist, dass gegen derart vorsintflutliche Argumente wie die Amendt überhaupt noch angegangen werden muss.

Der Artikel in der "Welt" mit Kommentarmöglichkeit: www.welt.de/politik/article3936899/Warum-das-Frauenhaus-abgeschafft-werden-muss.html

Beziehen auch Sie öffentlich Stellung gegen diese unsäglichen Äußerungen!

Auch die Brigitte hat das Thema aufgegriffen. Hier finden Sie einen Kommentar von BRIGITTE-Redakteurin Silke Baumgarten und ein Interview mit Gerhard Amendt.

Offener Brief des Vereins Frauenhauskoordinierung

An dieser Stelle veröffentlicht AVIVA-Berlin den unserer Redaktion von den Verfasserinnen zugegangenen offenen Brief vom 23. Juni 2009, verfasst von C. Viktoria Nawrath, Geschäftsführerin, und Gabriele Glorius, 1. Vorsitzende an Herrn Prof. Dr. Gerhard Amendt.


Frauenhäuser sind ein unverzichtbarer Bestandteil von Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Amendt,

jährlich suchen rund 20.000 Frauen und ebenso viele Kinder Zuflucht in Frauenhäusern. Rund 60 Prozent dieser Frauen werden von der Polizei oder von professionellen Diensten ins Frauenhaus vermittelt. Ein Großteil der Frauen hat schwere oder sehr schwere Gewalt erlitten und/oder war sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Gewalthandlungen, die diese Frauen erlebt haben, erfüllen in der Regel die Merkmale von Straftatbeständen. Für sie ist das Frauenhaus der Ort, der ihnen in einer lebensbedrohlichen Situation Schutz und Sicherheit gewähren kann.

Es ist Aufgabe der Frauenhäuser, Frauen und deren Kindern Schutz und Sicherheit zu gewähren. Sie stehen ihnen in einer existenziellen Krise mit psychosozialer Beratung und Informationen zur Seite, um den Frauen Wege aus Gewalt geprägten Lebensverhältnissen aufzuzeigen. Hierzu gehört u. a. die Information über weitere spezifische Beratungsangebote und Therapiemöglichkeiten. Dies gehört zum Standard der Frauenhausarbeit. Nicht zur Aufgabe von Frauenhäusern gehört, "Schuldfragen" zu klären.

Dass Sie den Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern professionelles Arbeiten absprechen, führen wir auf eine große Unkenntnis der Realität von Frauenhausarbeit zurück. Professionalität und Parteilichkeit sind kein Widerspruch. In vielen Berufen ist Parteilichkeit für die Klientel Voraussetzung. Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen, Berater und Beraterinnen, Therapeuten und Therapeutinnen haben Partei für ihre Klientel zu ergreifen. Sie haben die Entscheidung ihrer Klientinnen und Klienten zu respektieren, sie bestmöglich zu informieren und zu unterstützen. Warum Sie diese Art der Unterstützung und Schutz den Frauen und Kindern, die Frauenhäuser aufsuchen, verwehren wollen, ist uns nicht erklärlich.

Häusliche Gewalt verursacht hohe gesellschaftliche Kosten. Der Arbeit der Frauenhäuser wird in dem Gutachten des Instituts für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung ein positiver volkswirtschaftlicher Effekt bescheinigt. Dieser ließe sich durch eine verlässliche Finanzierung der Frauenhäuser noch verstärken. Es ist schade, dass wir Sie vor diesem Hintergrund nicht als Mitstreiter hierfür gewinnen können, denn häusliche Gewalt - unabhängig, von welchem Geschlecht sie ausgeübt wird - ist eine Menschenrechtsverletzung. Und es ist eine staatliche Verpflichtung, Menschen, die von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, Schutz und Hilfe zu gewähren. Um eine staatliche Absicherung des Schutzes und der Hilfen ringen Frauenhäuser seit 33 Jahren.

Frauenhäuser als einen Ort des "Männerhasses" zu bezeichnen, geht vollkommen an der Wirklichkeit vorbei. Gern laden wir Sie zu einer Diskussion mit Frauenhausträgern und Frauenhausmitarbeiterinnen über die Arbeit der Frauenhäuser ein.

Der Verein Frauenhauskoordinierung e.V. setzt sich für den Abbau von Gewalt gegen Frauen ein. Er wird getragen von der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, dem Deutschen Caritasverband e.V., dem Diakonischen Werk der EKD e.V., dem Paritätischen Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V. und dem Sozialdienst katholischer Frauen – Gesamtverein e.V. Dem Verein gehören außerdem Frauenhäuser in freier Trägerschaft an. In Mitgliedschaft befinden sich derzeit 258 Frauenhäuser.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Glorius
1. Vorsitzende
Frauenhauskoordinierung e.V.

C. Viktoria Nawrath
Geschäftsführung
Frauenhauskoordinierung e.V.


Weitere Infos zum Frauenhauskoordinierung e.V. unter: www.frauenhauskoordinierung.de


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Beitrag vom 24.06.2009

Claire Horst