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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 01.04.2010


2010 - Petition gegen die Zerstörung des jüdischen Friedhofs in Brodno
Nadja Grintzewitsch

Seit kurzem kommt es im Warschauer Stadtteil Brodno verstärkt zu Schändungen des jüdischen Friedhofes, der sich ohnehin schon in einem vollkommen desolaten Zustand befindet. Doch von Seiten der...




...polnischen Behörden erfolgte bislang keine Reaktion. Dagegen muss angegangen werden: Mit einer sofortigen Online-Petition!

Der jüdische Friedhof im Stadtteil Brodno wurde 1780 angelegt. Er ist somit einer der ältesten Polens – und nur einer von zwei jüdischen Friedhöfen in ganz Warschau. Mehrere Tausend Menschen wurden im Laufe der Jahrhunderte dort begraben. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er von den Nationalsozialisten zerstört und geschändet, anschließend nutzten die polnischen Behörden in Warschau einige der Grabsteine zum Wiederaufbau der zerstörten Stadt. Durch den Holocaust und die damit verbundene Welle polnisch-jüdischer Emigration gab es kaum noch lebende Nachkommen, die sich um die Grabstellen hätten kümmern können. Die Folge: Bereits in den 1950er Jahren befand sich der jüdische Friedhof Brodno in einem Zustand des kontinuierlichen Verfalls.

65 Jahre nach Kriegsende hat sich die Situation, wie zu erwarten war, durch die jahrelange Vernachlässigung sogar noch verschlimmert: Das Friedhofsgelände liegt völlig ungeschützt, wird als eine Art öffentliche Hundetoilette und Müllhalde missbraucht und gilt heutzutage sogar als Treff für Neonazis. Hundekot und Flaschen liegen auf inzwischen überwucherten Wegen, mehrere der uralten Grabsteine wurden umgestoßen, Hakenkreuze, Swastika, Schweinegraffiti und SS-Runen verunzieren die hebräischen Inschriften. Weitere Inschriften lauten "Juden sind scheiße" oder "Jude raus", auf die Haupttreppe schmierte jemand einen Davidstern an einem Galgen.

Seit Jahren befindet sich der jüdische Friedhof Brodno in Besitz des polnischen Staates. Dies bedeutet, dass die Verantwortlichkeit theoretisch bei der Bürgermeisterin der Stadt Warschau, Frau Hanna Gronkiewicz-Waltz, liegt. Theoretisch. Denn bislang unternahmen die Behörden nichts, um den fortschreitenden Verfall des Friedhofes zu stoppen oder etwas gegen den eindeutig antisemitisch orientierten Vandalismus zu unternehmen. Besonders pikant: Die jüdischen Grabsteine befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem großen katholischen Friedhof, welcher jedoch in einem tadellosen Zustand ist: Auch Grabstellen ohne Angehörige werden dort gepflegt.

Bislang schwieg die Stadtverwaltung zu den Müllhaufen und Schmierereien, auch die VerursacherInnen der Nazi-Parolen kamen bis zum heutigen Tag ungestraft davon. Das ethnografische Archiv in Polen (www.archiwumetnograficzne.edu.pl, in polnischer und englischer Sprache) verfasste hierzu eine Petition, die an die Warschauer Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz gerichtet ist. In ihr wird verlangt, dass sich die zuständigen Behörden endlich verantwortlich für den Erhalt dieses Kulturerbes zeigen, das Friedhofsgelände unter Schutz stellen und die Toten dort mit gebührlichem Respekt behandeln. Die Petition beruft sich dabei auf die Artikel 13 und 196 der polnischen Verfassung, welche rassistisch orientierte Handlungen und vor allem "Schändung eines Platzes des öffentlichen Kultes" mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren belegen.

Wünschenswert wäre auch eine sofortige öffentliche Verurteilung der antisemitischen Schmierereien von Seiten der Behörden. Unvorstellbar, dass eine solche Reaktion bislang noch nicht erfolgt ist.

Das ganze Ausmaß der Schändungen des jüdischen Friedhofs Brodno können Sie sich hier anschauen:

www.archiwumetnograficzne.pl

Die englische Version der Petition mit der Möglichkeit, online zu unterzeichnen, finden Sie unter:

www.petitiononline.com


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Beitrag vom 01.04.2010

AVIVA-Redaktion