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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 10.06.2003


Wissenswert: Chemische Helfer in Kosmetika - besser als ihr Ruf?
Gerlinde Behrendt

Warum Tomaten für manche gefährlicher sind... Eine Veranstaltung der Technologiestiftung Berlin erläutert die Wirkung chemischer Hilfsstoffe in Hautcremes




Der Moderator der einladenden Investitionsbank zitierte zu Beginn einige religiöse Glaubenssätze zum Thema Frauen und Schönheit: "Wahre Schönheit komme von innen, gottesfürchtige Frauen seien dem Manne untertan und müssen sich nicht schön machen, in fundamentalistischen Religionen dürfen Frauen keine Schönheitsprodukte verwenden." Umgekehrt ließe sich demnach der Schluss ziehen, dass Kosmetik und Mode eine Errungenschaft der Emanzipation sind. Wenn es so ist, war es dennoch verwunderlich, dass auf dem Podium Forscher und Unternehmer saßen und keine Forscherinnen und Unternehmerinnen....

Ist Natur in Kosmetika grundsätzlich gut und Chemie eher schlecht?

Die Eingangsfrage hielt Prof. Jürgen Lademann von der Humboldt Universität schon für den Ausdruck einer falschen Vorstellung von Chemie: Auch in der Haut finden chemische Reaktionen statt. Selbst wenn man Honig oder Eselsmilch aufträgt, reagiert die Haut darauf mit einem chemischen Prozess. Naturkosmetik enthält ein Gemisch von Wirkstoffen, das auf der Haut chemisch reagiert. Zur Frage der Wirksamkeit von Naturkosmetik äußerte er sich eher skeptisch: "Glaube versetzt Berge".

Dr. Rolf Dieter Schilling von der Firma Berlin Cosmetics betonte, dass die Vorstellung: Natur - gut, Chemie schlecht, so nicht haltbar sei. Naturprodukte können Schädigungen verursachen, Tomaten z.B würden die strengen Verträglichkeitsprüfungen für Hautcremes nicht bestehen: Als natürliches Produkt würden sie zu viele Allergien hervorrufen. Berlin Cosmetics ist ein mittelständisches Unternehmen, das seit 50 Jahren - zuerst im Ostteil der Stadt - Kosmetikprodukte herstellt, preiswerte Kosmetik. Die bekannteste Hautcreme der Firma ist die "Kaloderma". Besondere Stärken von Berlin Cosmetics liegen im Bereich der Farbkosmetik, die Firma "kann flexibel auf Nachfrageänderungen reagieren." Naturprodukte verwendet man bei Berlin Cosmetics selbstverständlich, die Frage ist eher, ob organisch oder anorganisch, bei organischen Produkten muss Konservierungsstoff verwendet werden, der auch wieder chemisch hergestellt ist.

Wozu braucht man eine Hautcreme? Prof. Lademann erläutert, dass die Haut eine Barrierefunktion hat, eine Grenze zum Äußeren darstellt, die gegen Einflüsse wie Sonnenstrahlen und Verschmutzungen schützen muss. Dabei ist sie vielfachen Gefährdungen ausgesetzt Die Haut sollte unterstützt werden, da sonst der Alterungsprozess schneller eintritt. Er erwähnt das Bräunungsideal als einen Risikofaktor für die Haut, das zu einem Ansteigen des Hautkrebsrisikos geführt hat.

Helfer gegen freie Radikale, die "Terroristen" des Körpers

Norbert Groth vom Privaten Forschungsinstitut Galenus
weist auf die besondere Rolle der freien Radikalen hin, die den Alterungsprozess der Haut beschleunigen, sie entstehen hauptsächlich durch Sonneneinstrahlung, aber auch durch Rauchen, falsche Ernährung usw. Sie sind in der Tat eine Art Terroristen des Körpers. Die Wirkung der freien Radikalen erklärt er folgendermaßen: Ein Hautmolekül entsteht, indem zwei Atome sich verbinden, zerfällt ein Molekül, entstehen Bruchstücke, die in der Lage sind, noch intakte Zellen zu "zerschießen", die wiederum Nachbarzellen zerstören können, eine ganze Kettenreaktion wird durch freie Radikale in Gang gesetzt.
Als Gegenmittel dazu sollen die "Radikalenfänger" dienen, die die Zellmembran vor solchen Angriffen schützen können. Er betont, dass Radikale zum normalen Reaktionsprozess der Haut gehören, nur dürften es nicht zu viele werden. Bisher bekannte Radikalenfänger sind z.B. Sonnenschutzmittel, die Wirkstoffe Beta Carotin und Vitamin C. Die Firma Galenus hat eine Möglichkeit gefunden, mit wissenschaftlichen Methoden freie Radikale zu messen, und dabei den Radical Protection Factor (RPF) als Standard entwickelt.

Wie kann man Lichtschäden vermeiden?

Noch besser erforscht und standardisiert ist der Lichtschutzfaktor (LSF): Wie viel mal länger man in der Sonne bleiben kann, bis die Haut Sonnenbrand bekommt, wenn ausreichend eingecremt wurde. Dabei können Fehler passieren: Fußsohlen, Ohren, Stirn (Haare sollen nicht fettig werden) werden häufig ausgespart, können aber ebenso schnell Sonnebrand bekommen wie andere Hautstellen. LSF ist in Sonnenschutzmitteln weitgehend realisiert, Wünsche an die Industrie beziehen sich auf die Applikationsmöglichkeiten, eine bessere Konsistenz wird gefordert, die Creme soll nicht glitschig sein. Richtig eingecremt ist man mit 2 mg pro qm Haut - das ist ziemlich viel! Und die Wirkung geht auch z. T. durch Austrocknen und Baden verloren, dann muss nachgecremt werden. Wenn eine Creme wasserresistent ist, heisst das immer noch, dass die Wirkung nach einem Bad um 50% nachlässt.
Schilling weist darauf hin, dass seine Firma Produkte mit Lichtschutzfaktoren für UVA und UVB Licht anbietet, Infrarotlicht dagegen ist noch nicht genügend erforscht.
Groth bestätigt, dass bei der UV Strahlung immer noch falsche Vorstellungen über die Schädlichkeit verbreitet sind, auch das als harmlos geltende UVA Licht aus Sonnenbänken ist gefährlich, weil es längerfristig Collagen, die Zellfasern der Haut zerstört und mittlerweile als krebserregend gilt.

Was müssen Hautcremes leisten?

Zu den neueren Anforderungen an chemische Hilfsstoffe in Kosmetik erläutert Schilling, dass Anti-Aging Produkte und hautstraffende Produkte nachgefragt werden. Er betont, dass diese die Regeneration der Haut unterstützen können, nicht aber grundsätzlich den Alterungsprozess aufhalten oder gar Fehler in der Ernährung oder Lebensführung ausbessern können. Es lässt sich wissenschaftlich nachmessen, dass Rauchen, Alkohol und zuwenig Schlaf die Faltentiefe der Haut vergrößern: Die Nacht durchmachen, Alkohol trinken, Zigaretten rauchen, am nächsten Morgen kann man das deprimierende Ergebnis im Spiegel besichtigen. Ein Zug mit der Zigarette entlässt 10 hoch 14 freie Radikale, auch Abgase und Klimaanlagen sind schlecht für die Haut. Wenn man in einer Umgebung mit Klimaanlagen arbeitet, sollte man die Haut eincremen, bei Trockenheit erschlaffen die Collagenfasern der Haut, die Cremes können die Haut unterstützen, indem sie Feuchtigkeit zufügen.

Fazit:
Gesunde Lebensweise und Unterstützung der Haut bei Sonnenlicht und Trockenheit helfen bei der Erhaltung eines glatten Hautbildes. Dank ausgefeilter wissenschaftlicher Methoden und strenger Zulassungskriterien für chemische Hilfsmittel in Kosmetika sind heutige Produkte ohne Vorbehalt zu empfehlen.


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Beitrag vom 10.06.2003

Gerlinde Behrendt