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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 07.02.2007


Protest
AVIVA-Redaktion

Der DGB hat der Schriftstellerin Esther Dischereit gekündigt. Der "Offene Brief", der am 16.06.06 dem Bundesvorsitzenden Michael Sommer übergeben wurde, wurde von zahlreichen...




NEWS 07.02.2007Gericht nennt Kündigung durch DGB unsozial
Das Berliner Arbeitsgericht hat die Kündigung der Gewerkschaftssekretärin und Schriftstellerin Esther Dischereit durch den DGB aufgehoben.

Am 30. März 2006 hatten DGB-Chef Michael Sommer und Vorstandsmitglied Dietmar Hexel die betriebsbedingte Kündigung der deutsch-jüdischen Autorin ("Eine jüdische Geschichte", "Mit Eichmann an der Börse") und Mutter zweier unterhaltspflichtiger Kinder unterschrieben. Im Verfahren berief sich der DBG darauf, wegen sinkender Einnahmen sei 2004 eine Kürzung der Personalausgaben um drei Prozent beschlossen worden. Man habe entschieden, das Politikfeld Kultur als gewerkschaftliche Querschnittsaufgabe und die Online-Redaktion mit den Schwerpunkten Zivilcourage, Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung zu Neujahr 2006 in Berlin-Brandenburg nicht mehr hauptamtlich wahrnehmen zu lassen. "Die Aufgaben werden nicht mehr verfolgt". Für Veranstaltungen und Ausstellungen wollte man gegebenenfalls Werkverträge vergeben.

Das Gericht entschied: Der Hinweis auf Werkverträge allein reiche für die soziale Rechtfertigung nicht aus, es fehle der Nachweis, dass der DGB sie nicht mehr beschäftigen könne. Die betriebsbedingte Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, der "vollständige Wegfall des Aufgabengebiets" liege nicht vor und der Betriebsrat wurde nicht ordnungsgemäß informiert.
Der DGB hat inzwischen gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt.

AZ: 48Ca7919/06 Arbeitsgericht Berlin

... Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft unterschrieben.

Die renommierte Schriftstellerin Esther Dischereit soll mit Ablauf des Monats Juni 2006 arbeitslos werden. Mit der Entlassung der Autorin und Gewerkschaftssekretärin will der Deutsche Gewerkschaftsbund im Bezirk Berlin-Brandenburg seine Kulturarbeit und die hauptamtliche Betreuung seines Antirassismus-Angebots im Internet www.respekt.dgb.de aufgeben.

Die deutsch-jüdische Autorin arbeitete seit 2001 für den Dachverband der Gewerkschaften in Berlin-Brandenburg. Ihre Arbeit wurde in den Geschäftsberichten regelmäßig ausführlich gewürdigt und ihre Projekte, darunter Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Kampagnen, erfreuten sich regen Zuspruchs. Auch außerhalb der Gewerkschaften wurden ihre Leistungen immer wieder hoch gelobt.

Bid zum 30.06.06 ist die vorausichtlich letzte von Esther Dischereit betreute Ausstellung "Plätze im Westen - Plätze im Osten", zu sehen.
Veranstaltungsort ist das DGB-Haus am Wittenbergplatz, Keithstraße 1-3 in Berlin-Schöneberg.

Der Brief im Wortlaut:
"Esther Dischereit nicht kündigen!


Liebe Kollegen, sehr geehrte Herren,

wie wir der Presse entnommen haben, will der DGB Bezirk Berlin Brandenburg seine Kulturbeauftragte, die international renommierte deutsch-jüdische Schriftstellerin Esther Dischereit, zum 30.06.2006 kündigen. Ein Gütetermin bei Arbeitsgericht ist erfolglos geblieben. Die Kündigung ist vom DGB Bundesvorsitzenden unterschrieben worden.

Esther Dischereit ist im Bezirk Berlin-Brandenburg zuständig für die Kulturarbeit und die hauptamtliche Betreuung der Antirassismuswebsite. Wir erachten ihre Arbeit im Zusammenhang mit den rechtsradikalen Umtrieben in Berlin und Brandenburg als völlig unverzichtbar. Es wäre ein falsches Signal, wenn der DGB diese Arbeit einstellt.

Die Kulturarbeit von Esther Dischereit, die viele Denkanstöße gab, hat dem gewerkschaftlichen Dachverband ein hohes Ansehen in Berlin und Brandenburg weit über den gewerkschaftlichen Rahmen hinaus ermöglicht und damit auch Menschen erreicht, die mit den Gewerkschaften häufig nicht sympathisieren. Die Kündigung von Esther Dischereit wirkt sehr unbedacht und kann unserer Auffassung nach nicht durch finanzielle Engpässe legitimiert werden.

Die Arbeit von Esther Dischereit hat nicht nur dazu beigetragen, auf gesellschaftliche Misstände aufmerksam zu machen - wie z.B. auf die Zwangsprostitution: www.VerantwortlicherFreier.de - , sondern auch dazu, dass der DGB seine politischen Positionen in der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Wir wollen hier - ein Beispiel unter vielen - an den 50. Jahrestag des Arbeiter- und Volksaufstandes in der DDR vom 17. Juni 1953 im Jahr 2003 erinnern. Esther Dischereit hat für den DGB die Entstehung eines Denkmals für diesen Volksaufstand in der Karl-Marx-Allee in Berlin mit befördert.

Es gibt heute keine Organisation und Institution mehr, die auf Kulturarbeit und politische Bildung zur Präsentation ihrer eigenen Anliegen verzichtet. Es ist daher ein Trugschluss zu glauben, Kultur sei in Zeiten der Krise überflüssiger Luxus. In der Krise auf die Vermittlung eigener Anliegen zu verzichten, nähme de DGB die Chance, in der Gesellschaft für seine Anliegen, die Anliegen der großen Mehrheit der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik, zu werben.

Wahrscheinlich gibt es nicht viele international renommierte Schriftstellerinnen, die beim DGB und seinen Einzelgewerkschaften angestellt sind. Die Kündigung von Esther Dischereit und die Einstellung der gewerkschaftlichen Kulturarbeit in Berlin-Brandenburg schadet dem Ansehen der Organisation und dem Anliegen der Gewerkschaften. Wir bitten Sie daher diesen Schritt noch einmal zu überdenken und die Kündigung rückgängig zu machen.

Berlin, 12.6.2006"


(Quelle: Angelika Gödde)

Die UnterzeichnerInnen:

Sharon Adler, Herausgeberin von AVIVA-Berlin.de - Online Magazin für Frauen, Berlin, Yvonne de Andrés, YDEA-Consulting, Berlin, Ramona Ambs, Schriftstellerin, Heidelberg, Toby Axelrod, Journalistin, Berlin, Gunter Begenau, Referatsleiter Publikationen, Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, Dr. Christine Berndt, Künstlerin, Berlin, Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU-Berlin, Chaja Boebel, Historikerin und pädagogische Mitarbeiterin der IG-Metall Bildungsstätte Berlin, Aleksandra Brnetic, Redakteurin von Radiomultikulti vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, Susanne Bressan, Ethnologin und Publizistin, Berlin, Bernd Braun Historiker und Judaist, Berlin, Prof. Dr. Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler an der Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt a. M., Dr. Sonja Bründl-Price, Institute of Foreign Languages an der Universität Jena, Dr. Tom Cheesman, Germanist, Swansea, Volkmar Deile, Pfr. i. R., Generalsekretär der deutschen Sektion von amnesty international 1990 - 1999, Berlin, Prof. Dr. Astrid Deuber-Mankowsky, Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Uni Bochum, Brigitte Disselhoff, Angestellte, Berlin, Thomas Dittberner, Gewerkschaftssekretär ver.di Bundesverwaltung, Berlin-Stuttgart, Moritz Denis, Filmmusikkomponist, Berlin, Elisabeth Denis, Schauspielerin, Berlin, Chris Eggers, Berlin, Iain Galbraith, Schriftsteller, Wiesbaden, Kati Gausmann, Dipl. Designerin und Bildhauerin, Berlin, Ines Geipel, Schriftstellerin und Professorin an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", Berlin, Angelika Gödde, Berlin, Ronnie Golz, Teamer bei ver.di, Berlin, Prof. Veruschka Götz, Berlin, Dr. Katharina Hall, Lecturer in German, Department of German, Swansea University, Dr. Frank Heidenreich, Gewerkschaftssekretär, IG-Metall Bildungsstätte Berlin-Pichelsee, Gabriel Heimler, Künstler, Begründer der Künstler- und Intellektuellengruppe Meshulash, Berlin, Clemens Heni, Politologe, Berlin, Peter Heuß, Historiker, Frankfurt a. M., Willi Hajek, freier gewerkschaftlicher Bildungsmitarbeiter, ehemals DGB Bildungswerk Berlin Brandenburg, Dr. Ralf Hartmann, Künstlerischer Leiter Kunstverein Tiergarten Berlin, Michael Jaenecke, Politologe, Berlin, Dr. Martin Jander, Historiker und Journalist, Berlin, Britta Jürgs, Verlegerin des AVIVA-Verlags und 1. Vorsitzende der Bücherfrauen e. V., Berlin, Katharina Karrenberg, Bildende Künstlerin und Dozentin, Berlin, Magdalena Kemper, Journalistin, Berlin, Judith Kessler, Redakteurin, Berlin, Harald Kielmann, Gewerkschaftssekretär (ver.di), Mosbach, Dr. Martin Kloke, Mitglied des Cornelsen-Betriebsrates, Berlin, Doris Koch, Künstlerin und Kulturwissenschaftlerin, Berlin, Dr. Mona Körte, Wissenschaftliche Assistentin am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU-Berlin, Harald Kralik, Gewerkschaftssekretär, Saalfeld (Saale), Sabine Krusen, brunnhilde e. V., frauengeschichtswerkstatt, Grit Kümmele, Georgetown University Study Site Director, Berlin, Prof. Dr. Achim Leschinsky, Erziehungswissenschaftler an der HU-Berlin, Doris Liebermann, Autorin, Berlin, Carmen Machwirth-Kolle, Leiterin der ver.di-Bildungsstätte Saalfeld (Saale), Salean A. Maiwald, Autorin und Malerin (Gruppe Meshulash), Berlin, Dr. Michael Maier-Borst, Berlin, Prof. Andrei S. Markovits, Department of Political Sience, The University of Michigan, Ann Arbor (USA), Noel Tovia Matoff, Fotografin, Berlin, Urike Mohr, Künstlerin, Berlin, Vanessa Nebgen, Berlin, Dr. Ehrhart Neubert, Vorsitzender Bürgerbüro e. V., Erfurt, Jens Planer Friedrich, Bürgerbüro e. V., Berlin, Eva Quistorp, MdEP a. D, Frauen für Frieden, langjähriges GEW und ver.di-Mitglied, Berlin, Prof. Dr. Birgit Rommelspacher, Alice Salomon Fachhochschule Berlin, Ernst Rosenberg, Leitender Kriminaldirektor im Ruhestand, Düsseldorf, Waltraud Schade, Rat und Tat e.V., Berlin, Irmtraud Schmitz, Berlin, Prof. Dr. Peter Steinbach, wiss. Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Karlsruhe, Michael Stognienko, Berlin, Silke Stroh, Literaturwissenschaftlerin, Münster, Lala Süsskind, Ehrenpräsidentin der Women´s International Zionist Organisation (WIZO) - Deutschland, Berlin, Miriam Tayeb, Landau, Wolfgang Templin, Publizist und Bürgerrechtler, Berlin, Susanne Wein, Doktorandin an der Universität Bremen, Prof. Rhys W. Williams, Swansea, Beate Maria Wörz, Bildende Künstlerin, Berlin


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