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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 04.01.2008


Mythos Jungfrau - Die Kulturgeschichte weiblicher Unschuld
Stefanie Denkert

Anke Bernau untersucht das Konzept der Jungfräulichkeit im kulturellen, religiösen und historischen Kontext. Anhand zahlreicher Beispiele, u.a. aus Literatur, Film, Medizin und Politik, liefert sie




...erstaunliche Erkenntnisse!

Eine Jungfrau, was ist das eigentlich? Eine Frau, die noch keinen Geschlechtsverkehr hatte? Eine Frau, deren Jungfernhäutchen intakt ist? Was, wenn sie aber ohne Hymen geboren wurde? Verliert frau ihre Unschuld, wenn das Hymen beim Sport reißt? Ist eine vergewaltigte Frau noch Jungfrau? Man könnte diesen Fragenkatalog noch lange weiterführen, deutlich wird aber bereits jetzt, dass die Definition von Jungfräulichkeit nicht so einfach ist, wie man zunächst denken mag.

Das Konzept von Jungfräulichkeit bezieht sich nicht ausschließlich auf einen körperlichen Zustand und ist beeinflusst von Religion, Kulturkreis und Gesellschaft, zudem ändert es sich im Laufe der Zeit. War es unter Jugendlichen nach der sexuellen Revolution in den 1970ern und 80ern meist uncool, Jungfrau zu sein, gibt es seit den 1990er nicht nur in den USA Jugendbewegungen von meist christlichen Mädchen und Jungen, die mit Sex bis zur Ehe warten wollen. (Dass in vielen Fällen nur der vaginale Verkehr vermieden wird, während frau alles andere praktiziert, steht auf einem anderen Blatt). Vor ein paar Jahrhunderten sah das noch ganz anders aus: da fürchteten nämlich (männliche) Mediziner, dass Jungfräulichkeit Frauen krank macht. Durch das intakte Hymen könnte das Menstruationsblut schließlich nicht richtig abfließen und Jungfrauen drohten irgendwann zu platzen, dachte man(n).

Welche Relevanz hat das Konzept der Jungfräulichkeit heutzutage überhaupt noch? Von islamistischen Terroristen, denen ein prunkvolles Leben mit einem Harem von Jungfrauen nach dem Märtyrertod versprochen wird, über Familien, die ihre Töchter steinigen, wenn sie ihre Jungfräulichkeit nicht bis zur Ehe bewahrt, über "Wahre Liebe wartet" - Bewegungen bis zu Hymen-Rekonstruktionen und der noch vielerorts bestehenden "Jungfrau oder Hure"-Dichotomie - es gibt Gründe genug, warum Anke Bernau sich mit dem Thema der sexuellen Unberührtheit auseinandergesetzt hat. Mit Hilfe von medizinischen Schriften, Gedichten aus dem Mittelalter, Hollywoodfilmen u.v.m. hat die Literaturwissenschaftlerin eine Kulturgeschichte weiblicher Unschuld nachgezeichnet, die die Konstruiertheit - deshalb Mythos - von Jungfräulichkeit aufzeigt.

Zur Autorin: Anke Bernau ist Dozentin für Mittelalterliche Literatur und Kultur an der University of Manchester. Promoviert hat sie zum Thema "Jungfräulichkeit in mittelalterlichen religiösen Schriften". Sie wurde in Deutschland geboren und lebt in Großbritannien. (Verlagsinfo)

AVIVA-Tipp: Die Kehrseite der Idealisierung von Jungfrauen ist natürlich die Verabscheuung der sexuell aktiven und selbst bestimmten Frau (sprich: ´Hure´). Anke Bernau zeigt die frauenfeindlichen Strategien auf, die hinter dem Konzept der Jungfräulichkeit stecken - aber sie findet auch Frauen in der Geschichte, die sich für ewige Jungfräulichkeit als Strategie entscheiden für ein selbst bestimmtes Leben. Gute Aufklärung! Teilweise auch besonders für Geschichts- und MittelalterliteraturliebhaberInnen geeignet!

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Anke Bernau
Mythos Jungfrau - die Kulturgeschichte weiblicher Unschuld

OT: Virgins - A Cultural History
Aus dem Englischen von Ulrike Seith
Parthas Verlag, erschienen Oktober 2007
200 Seiten
ISBN-10: 3866010621
ISBN-13: 978-3866010628
19,80 Euro


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Beitrag vom 04.01.2008

AVIVA-Redaktion