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Beitrag vom 26.09.2007
Hannah Arendt - Das private Adressbuch 1951-1975
Annegret Oehme
Den Reiz privater Adressbücher hat Christine Fischer-Defoy bereits mit Heinrich Manns, Marlene Dietrichs, Paul Hindemiths und Walther Benjamins Verzeichnissen bewiesen. Nun folgt Hannah Arendts.
"Mir ist, als müsste ich mich selbst suchen gehen"
Dieses Zitat Hannah Arendts steht als eine Art Leitmotiv auf dem Cover des, von Christine Fischer-Defoy herausgegebenen und kommentierten, Adressbuches.
In Hannah Arendts Nachlass finden sich zwei solche Büchlein – eines mit wenigen Einträgen, wohl auf Reisen nach dem Krieg angelegt, und ein braunes Ringbuch, das ab 1951 in Betrieb war. Unter den 537 Einträgen finden sich zahlreiche bekannte Institutionen, Verlage, und Personen, wie Martin Buber, Karl Jaspers, Hilde Domin, Rolf Hochhut und James Baldwin.
Abkürzungen, Streichungen und andere Randnotizen stellen das intensive Arbeiten Hannah Arendts mit der Veröffentlichung ihres Adressbuches unter Beweis.
Die 1951 in Hanau geborene Historikerin, Filmemacherin und Autorin Christine Fischer-Defoy begab sich auf die Spuren einzelner Namen und Adressen und verbrachte unzählige Stunden im Nachlass der großen Denkerin des 20. Jahrhunderts. Herausgekommen ist ein informatives Hannah Arendt Kompendium, das reizvoller als manche Biografie ist und ein sehr persönliches Bild Hannah Arendts wiedergibt.
Zu Beginn des Buches sind alle beschriebenen Seiten als Faksimile abgebildet, an die sich das kommentierte Register anschließt. Nicht nur Biografisches findet sich in den Anmerkungen, sondern auch Briefausschnitte, Zitate und Anekdoten.
Da nicht alles alphabetisch angeordnet ist und in den Erläuterungen Namen auftauchen, die keinen eigenen Eintrag im ursprünglichen Adressbuch haben, ermöglicht ein alphabetisches Namensverzeichnis im Anhang ein gezieltes Nachschlagen.
Hannah Arendt wurde am 14. Oktober 1906 in Linden bei Hannover geboren und wuchs in einem sozialdemokratischen jüdisch-assimilierten Elternhaus in Königsberg auf. Nach dem Abitur studierte sie Philosophie, Theologie und klassische Philosophie, unter anderem bei Martin Heidegger und Edmund Husserl, in Marburg, Freiberg im Breisgau und Heidelberg und promovierte 1928 bei Karl Jaspers. 1933 floh sie nach Paris, wo sie als Sozialarbeiterin bei verschiedenen jüdischen Organisationen aktiv war. Sieben Jahre später heiratete sie den Philosophiedozenten Heinrich Blücher, mit dem sie 1941 in die USA emigrierte. Dort verfasste sie unter anderem politische Kolumnen für die deutsch-jüdische Wochenzeitschrift "Aufbau", war Cheflektorin des Salman Schocken Verlags und Direktorin der Jewish Cultural Reconstruction Organization zur Rettung jüdischen Kulturguts. Ihr literarisches Hauptwerk "Origins of Totalitarianism" etablierte sie als eine der bedeutendesten gesellschafts- und politikwissenschaftlichen TheoretikerInnen. Sie hielt Vorlesungen in Princeton, Harvard, New York und Chicago.
1961 war sie in Jerusalem für die Zeitschrift "New Yorker" als Reporterin beim Eichmann-Prozess anwesend. Ihr Buch "Eichmann in Jerusalem" geriet stark in die Kritik und führte zu heftigen Streitigkeiten mit früheren FreundInnen und Bekannten.
Am 4. Dezember 1975 starb Hannah Arendt in New York.
Zur Herausgeberin: Für Christine Fischer-Defoy stellte die faszinierende Arbeit an einem privaten Adressbuch kein Neuland dar. Nachdem sie bereits Paul Hindemiths und Marlene Dietrichs Adressbücher herausgegeben und kommentiert hatte, fand sie im Koehler und Amelang Verlag einen Partner, um diese Reihe mit Heinrich Mann und Walther Benjamin fortzusetzen. Bei der Präsentation von Hannah Arendts privatem Adressbuch merkte die Herausgeberin an, dass dies noch nicht das Ende der Reihe sein soll.
AVIVA-Tipp: Wie liest man ein Adressbuch? Wie jedes andere Buch kann man es von vorn bis hinten durchlesen oder nach persönlichem Interesse zwischen den Einträgen hin und her springen. Hannah Arendts kommentiertes Adressbuch stellt zugleich auch ein historisches Zeitdokument dar. Die Arbeit, die hinter diesem Werk steckt, lässt sich wohl nur erahnen. Natürlich ersetzt es keine Biographie, ist aber eine wunderbare Ergänzung.
Christine Fischer-Defoy (Herausgeberin)
Hannah Arendt "Mir ist, als müsste ich mich selbst suchen gehen"
Das private Adressbuch 1951-1975
Koehler & Amelang Verlag, September 2007
276 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-7338-0357-5
24,90 Euro
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