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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 07.06.2011


Judy Linn - Patti Smith 1969–1976
Sharon Adler

Die mal zufälligen, mal inszenierten Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen eine melancholische, selten nur lächelnde junge Frau in der Zeit vor ihrem musikalischen Durchbruch. Das Album "Horses"...




... aus dem Jahr 1975 wurde zum Meilenstein der Rockgeschichte. Die Werke Radio Ethiopia (1976), Easter (1978), Wave (1979) und Twelve (2007) folgten und waren nicht minder bahnbrechend und wichtig.

Und doch deutet in den Fotos aus der Zeit von 1969–1976 schon vieles darauf hin, dass eben diese Frau wenige Jahre später einmal zur Ausnahmemusikerin schlechthin werden sollte. Patti Smith, die beinahe besessen davon war, als Fotomodell zu posieren, spielt mit der Kamera, gibt alles von sich preis. Auch dann, wenn es so aussieht, als seien diese Fotos nebenbei entstanden, spürt die Betrachterin ihren aufmerksamen Blick.

Alles Facetten unseres imaginären Ichs,
kostbar schillernd wie Edelsteine der Jugend.
(Patti Smith)

Patti Smith war die Muse vieler Fotografinnen und Fotografen. Annie Leibovitz, die sie für das Cover des Rolling Stone Magazine ablichtete, war ebenso darunter, wie Bruce Weber, der die Künstlerin in einem Ballett-Outfit fotografierte. Als Patti Smith für die Kamera von Richard Avedon posierte, der Aufnahmen für den New Yorker machte, war auch Oliver Ray zur Stelle, der eben diese Szene fotografisch dokumentierte.

In einem Interview mit der TIME bekennt Patti Smith, was es für sie bedeutet, fotografiert zu werden: "To be the subject of a photographer, whether artist or blessed amateur, is a privilege and a joy. I was delighted as a child to sit for my first portrait. It made me feel special. As a teenager I posed for my siblings in dramatic lighting borrowed from James Whale and film-noir."

Ganz besonders persönlich jedoch waren die Aufnahmen, die ihr Freund und Vertrauter Robert Mapplethorpe von ihr schoss. Das Leben von Patti und Robert und ihre Beziehung ist eines der großen Themen im Fotoband "Patti Smith, 1969–1976" von Judy Linn. Sie war es, die Patti mit ihrer Kamera überallhin begleitet hat und in ihren Fotografien wird deutlich, wie fragil und schüchtern die Freundin manchmal war und wie stark und weise zugleich. Gemeinsam erarbeiteten die beiden Frauen einen Drehplan für ihre Fotosessions, wobei ihnen die Vorbereitungen ebenso wertvoll waren wie die fertige Aufnahme selbst, denn sie teilten die Liebe zur Welt der französischen Nouvelle Vague und den Sinn für Ästhetik: "Beide liebten wir schwarzen Kaffee, schwarze Slips und schwarze Augenbrauenstifte. (...) Wir lebten für die Filme, vor allem solche mit Untertiteln", so Patti Smith in ihrem Nachwort.

Patti Smith, der es immens wichtig war, mit einer "richtigen Künstlerin" zu arbeiten, bewegte sich vor der Leica ihrer neugewonnenen Freundin Judy Linn vollkommen ungezwungen. Sie inszenierte sich selbst, ob portraitiert in Alltagssituationen, oder posierend in verschiedenen Outfits, ob angezogen oder nackt:
"Ich gab mein Bestes, wenn ich mich in Slip und mit Zigarette zeigte, auch wenn ich nicht Jeanne Moreau war. Für jemanden, der am Strand den Mantel dem Badeanzug vorzog, fühlte ich mich unbekleidet erstaunlich wohl vor Judys Linse."

Diese Persönlichkeit(en) Pattis fing die Fotografin in ihren Schwarz-Weiß-Aufnahmen ein, doch auch das New York der frühen 1970er-Jahre ist immer präsent, diese pulsierende Stadt voll von kreativen KünstlerInnen, aber auch seine Tristesse, Armut und Hässlichkeit.

AVIVA-Tipp: Die grandiosen, teilweise nie vorher gezeigten Aufnahmen im Fotoband "Patti Smith 1969–1976" erlauben den ungefilterten Blick auf das intime Leben einer Legende, sie lassen die Atmosphäre von vor vierzig Jahren wieder lebendig werden. Dieses Buch macht Lust darauf, beim Betrachten der Fotos die alten LPs herauszukramen und vergangene Zeiten zu zelebrieren.

Zur Fotografin: Judy Linn porträtierte Anfang der 1970er-Jahre Patti Smith, Robert Mapplethorpe, Sam Shepard und viele andere KünstlerInnen.
Judy Linn hat am Sarah Lawrence College, New York University, Tisch School of the Arts, and Cooper Union unterrichtet und seit 1999 am Vassar College, wo sie heute als Assistant Professor in Art lehrt. Daneben ist sie auch an der Fakultät des Pratt Institutes, der School of Visual Arts and des Milton Avery Graduate School of the Arts. Sie erhielt ihren BFA vom Pratt Institute im Jahr 1969. Die Fotografin zeigte ihre Arbeiten in Einzel- und Gruppenausstellungen in New York im Feature Inc. and im PS#1. Ihre Portfolios wurden in "Artforum" und im "Bomb Magazine" veröffentlicht.
Präsentiert werden ihre Arbeiten heute im Whitney Museum of American Art, Detroit Art Institute und Dallas Museum of Fine Arts. Judy Linn lebt in New York.
Weitere Infos unter: art.vassar.edu

Zur Musikerin: Patti Smith, geboren 1946 in Chicago, Rockmusikerin, Dichterin, Performance-Künstlerin, Malerin und Fotografin, hat eine Reihe von Alben veröffentlicht, die Musikgeschichte schrieben, darunter: Horses (1975), Radio Ethiopia (1976), Easter (1978) und Wave (1979). Sie wurde zu einer Ikone der Punk-, Wave- und Frauenbewegung. Nach ihrem Rückzug ins Privatleben kehrte sie 1996 in die Öffentlichkeit zurück. 2007 erschien ihr jüngstes Album Twelve. Patti Smith´ künstlerischem Werk wurden zahlreiche Ausstellungen gewidmet, zuletzt 2008 in Paris. 2007 wurde Patti Smith in die Rock´n´Roll Hall of Fame aufgenommen. Bei ihrem Deutschland-Auftritt im Jahr 2009 in Frankfurt wurde sie von Publikum und Kritik begeistert gefeiert. Patti Smith hat zwei Kinder und lebt in New York City.(Quelle Verlagsinformation)
Weitere Infos unter: www.pattismith.net


Judy Linn
Patti Smith 1969–1976

Knesebeck Verlag, erschienen 3. März 2011
www.knesebeck-verlag.de
ISBN 978-3-86873-333-4
Gebunden, 144 Seiten
Mit 100 schwarz-weißen Abbildungen
Euro 24,95

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