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Beitrag vom 08.10.2012
Doris Hermanns - Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela. Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe
Annika Hüttmann
Während der Name Christa Winsloe wahrscheinlich nur noch wenigen etwas sagt, ist ihr erstes Theaterstück bzw. dessen Verfilmung unter dem Titel "Mädchen in Uniform" umso bekannter. Die Antiquarin..
... Doris Hermanns begibt sich auf die Spuren einer besonderen und mutigen Frau, die trotz ihres großen Ruhmes in den 1930er Jahren heute fast vergessen ist.
Dass zwischen Christa Winsloes Geburt 1888 in Darmstadt und ihrer Ermordung als Spionin 1944 in Frankreich ein bewegtes Leben lag, lässt sich mit Sicherheit sagen, auch wenn sich heute mangels Material vieles nicht mehr genau rekonstruieren lässt.
1909 entschied Winsloe sich, Bildhauerin zu werden, etwas, das damals als "Männersache" galt, weswegen Teile ihrer Familie zunächst mit starker Befremdung auf diese Berufswahl reagierten. Ihr Kunststudium führte sie von München über Italien nach Paris, in letztere Stadt ging sie gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann, dem wohlhabenden ungarischen Baron Lajos Hatvany. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs mussten beide jedoch nach Ungarn zurück kehren und Winsloe bekam zum ersten Mal einen Eindruck davon, was sie einige Jahrzehnte später am eigenen Leibe spüren würde: Dass Kriege Kunst, Literatur und Kultur verdrängen und vernichten können.
In Ungarn stand Winsloe mit vielen literarischen Größen der Zeit in Kontakt und war weiterhin als Bildhauerin tätig. Sie schuf vor allem Tierplastiken, die auch wiederholt ausgestellt wurden. Berühmt werden sollte sie aber als Schriftstellerin. 1930 wurde ihr Theaterstück "Ritter Nérestan" in Leipzig uraufgeführt. 1931 verfilmte Leontine Sagan das Stück unter dem Titel "Mädchen in Uniform" mit großem Erfolg. 1958 entstand die heute noch bekannte Verfilmung mit Romy Schneider.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zerstörte Winsloes Karriere jedoch nach und nach. Ihre Geliebte, die Journalistin Dorothy Thompson, die es sich schon früh zur Aufgabe machte, die Welt vor den Entwicklungen in Deutschland zu warnen, ließ auch Winsloe den Nazis verdächtig erscheinen. In Amerika bei Thompson konnte Winsloe noch einige Zeit erfolgreich veröffentlichen. Nachdem sie nach Europa zurückgekehrt war, zerbrach die Beziehung der beiden Frauen jedoch allmählich. Christa Winsloe verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens unter recht ärmlichen Umständen mit ihrer neuen Lebensgefährtin Simone Gentet in Frankreich, wo beide schließlich als vermeintliche Spioninnen hingerichtet wurden.
Christa Winsloe war eine Frau, die es definitiv verdient hat, dass jemand eine Biographie über sie schreibt. Doris Hermanns hat sich große Mühe gegeben, so viele Informationen über Winsloe zu sammeln wie möglich, doch trotzdem gibt es Lücken und Unklarheiten, die auch sie nicht beseitigen kann. Als Informationsquelle für ihre Jugendjahre muss häufig eine als recht autobiographisch geltende Erzählung Winsloes herhalten und an vielen Stellen kann Hermanns nur spekulieren, wie es gewesen sein könnte. Anderes, vor allem aus der zweiten Lebenshälfte ist durch Briefwechsel und Tagebucheinträge weitaus besser dokumentiert. Aus diesen Gründen liest sich die Biographie mal mehr mal weniger gut. Die Schilderung von Ereignissen und Lebensabschnitten, zu denen es wenig Informationen gibt, sind teilweise recht trocken, da Hermanns - was mensch ihr zugute halten muss - hier ehrlich zugibt, nicht mehr zu wissen. Dagegen kann beispielweise die Beziehung von Winsloe und Thompson intensiver und mitreißender geschildert werden, denn zahlreiche Briefe geben einen direkten Eindruck davon, wie die beiden miteinander umgingen. Insgesamt gelingt hier ein liebevolles Portrait einer Frau, die nicht in Vergessenheit geraten sollte.
AVIVA-Tipp: Doris Hermanns stellt sich der Schwierigkeit, ein Leben zu beschreiben, von dem vieles für immer verloren ist. Das Ergebnis ist eine interessante Spurensuche, die nicht nur Christa Winsloe gerecht wird, sondern ebenso eine Beziehung zwischen deren Leben, den politischen Entwicklungen der Zeit und anderen intellektuellen und künstlerischen Größen herstellt.
Zur Autorin: Doris Hermanns, 1961 in Bardenberg bei Aachen geboren, studierte Pädagogik und Soziologie in Bielefeld. Seit 1990 lebt sie in Utrecht/Niederlande und arbeitet dort als selbständige Antiquarin im Antiquariaat Vrouwenindruk - Modern & Antiquarian Women´s Books, online unter: www.xs4all.nl. Daneben ist sie als freie Journalistin tätig, schreibt unter anderem für die Virginia Frauenbuchkritik und veröffentlichte Artikel und Buchbeiträge zu Christa Winsloe und anderen Frauen. Parallel zur Winsloe-Biographie verfasste sie auch das Nachwort zur Neuausgabe von "Das Mädchen Manuela", dem Roman zum Film "Mädchen in Uniform", der soeben im Verlag Krug & Schadenberg erschienen ist. (Verlagsinformationen)
Ausstellung im Schwulen Museum:
30. November 2012 – 4. März 2013
Mädchen in Uniform – Christa Winsloe (1888-1944)
Erstmals werden aus Privatbesitz Skulpturen und Skizzen gezeigt, Manuskripte und Pressebeiträge repräsentieren ihr schriftstellerisches Werk. In Briefen beschreibt sie ihren Alltag. Postkarten zeigen die Lebensorte Hatvan, München und Südfrankreich. Dokumente belegen die Ungewissheit der Freundinnen über das Schicksal Christa Winsloes nach Kriegsende. Kostüme, Plakate, Szenen- und Kostümentwufszeichnungen, Fotos und Dokumente zeigen die Rezeption der drei Filme und ausgewählter Theaterinszenierungen von 1930 bis heute. Die Exponate sind Leihgaben aus deutschsprachigen Museen.
KuratorInnen: Heike Stange, Wolfgang Theis
Veranstaltungsort: Schwules Museum, Mehringdamm 61, 10961 Berlin
www.schwulesmuseum.de
Die AVIVA-Rezension zu "Das Mädchen Manuela", erschienen im Verlag Krug & Schadenberg, Berlin, folgt demnächst!
Doris Hermanns
Meerkatzen, Meißel und das Mädchen Manuela. Die Schriftstellerin und Tierbildhauerin Christa Winsloe
AvivA Verlag, erschienen im September 2012
Gebunden, 320 Seiten, 70 Abbildungen
978-3-932338-53-3
19,90 Euro
www.aviva-verlag.de
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