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Beitrag vom 18.05.2010
Leontine Sagan - Licht und Schatten. Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten
Sharon Adler
Die Memoiren der Regisseurin von "Mädchen in Uniform", 1951 geschrieben und 1996 in Johannesburg auf Englisch erschienen, sind nun erstmals in deutscher Sprache bei Hentrich & Hentrich erschienen.
Ein einschneidendes, ein prägendes Erlebnis war es, das das bis zu diesem Zeitpunkt bereits turbulente Leben der als Leontine Schlesinger am 13. Mai 1889 in Budapest geborenen Jüdin und Emigrantin grundlegend verändern und die Wende einläuten sollte: Der Besuch der Vorstellung "das Nachtasyl" von Maxim Gorki unter der Regie Max Reinhardts in Berlin.
Hier erfuhr sie, was "der ureigentliche Zweck des Theaters" ist, nämlich "die Unmittelbarkeit des Erlebens".
Leontine Sagan, Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten, schildert in ihren Memoiren ein bewegtes Leben. Von Budapest über Wien in das südafrikanische Johannesburg emigriert, lernte sie dieses Land, seine Weite und seine Menschen zu lieben. Für sie, die Europäerin, war es jedoch nicht einfach, mit der schwierigen politischen Lage und der Armut im Land zu leben, doch es war ihre Mutter, die darauf drängte, wieder nach Europa zurück zu kehren.
Nach einigen ernüchternden und wenig erfolgreichen Schulbesuchen erfährt Leontine bald ihre wahre Bestimmung und sie entschließt sich, Schauspielerin zu werden und trotz finanzieller Schwierigkeiten absolviert sie eine Schauspielausbildung bei Max Reinhardt in Berlin, der Theaterengagements in Dresden, Wien, Frankfurt am Main und Berlin folgen.
Ihr erster Kinofilm "Mädchen in Uniform" ist es schließlich, der ihr 1931 zum internationalen Durchbruch verhilft. Unter ihrer Regie entstand hier ein Film, der ohne großes Staraufgebot auskam, ein Film, der als erste Darstellung lesbischer Liebe gilt, ein Film, der Kinogeschichte schrieb.
Nach dessen gefeierter Premiere nimmt sie ein Angebot aus Großbritannien an und geht mit der Bühnenversion des Films auf Tournee.
In ihren Memoiren schildert sie ihre Zerrissenheit, denn in Deutschland leidet sie darunter, "Anerkennung ohne Geld" zu erhalten, in England fühlt sie sich als Fremde, die "durch Zufall einen Erfolg hatte".
Nur kurz kehrt sie nach Deutschland zurück und trotz einer schweren Grippe erkennt sie die Gefahr des aufkommenden Faschismus und nach Stationen als Schauspielerin und Regisseurin in Großbritannien, Südafrika, den USA und Australien kehrt sie Europa für immer den Rücken.
Sie handelt jedoch nicht nur aus politischen Gründen, vielmehr gibt sie ihrer drängenden Sehnsucht nach und kommt schließlich in das Land ihrer Kindheit zurück. In Südafrika findet sie die Möglichkeit, ihre Erfahrung und ihr Talent zur Ausbildung von SchauspielerInnen einzusetzen, am Aufbau einer nationalen Theaterorganisation ist sie maßgeblich beteiligt. Leontine Sagan stirbt am 19. Mai 1974 in Pretoria, bis heute wird sie in Südafrika als Pionierin von moderner Bühnenkultur und Schauspielkunst geschätzt. Ihre Memoiren schrieb sie bereits 1951, doch erschienen sind sie erst im Jahr 1996 in Johannesburg auf Englisch, und seit 2010 wurden sie erstmalig in deutscher Sprache verlegt.
"Als ich diese Memoiren begann, war ich neugierig, wohin sie mich wohl führen werden, gleich den Charakteren in Dramen und Romanen, die zuweilen ihrem Schöpfer entschlüpfen und ihren eigenen Weg gehen, so ist auch dieses Buch seinen eigenen Weg gegangen. Es war als Theaterbuch gedacht und wurde ein Lebensbuch." so Leontine Sagan auf der letzten Seite ihrer Memoiren.
AVIVA-Tipp: Die Lebensgeschichte dieser faszinierenden, zielstrebigen und talentierten Frau, die ihre Erfolge ebenso wie ihre Selbstzweifel in schnörkelloser Sprache niederschrieb, ist auch ein Zeitdokument von unersetzbarem Wert.
Leontine Sagan, die ein ästhetisches Weltbild stets einem realen vorzog, wäre mit der Veröffentlichung ihrer Memoiren in Deutschland lange nach ihrer Emigration sicher glücklich gewesen.
Leontine Sagan
Licht und Schatten
Schauspielerin und Regisseurin auf vier Kontinenten
Herausgegeben und kommentiert von Michael Eckardt
Mit einem Vorwort von Wolfgang Jacobsen
Hentrich & Hentrich Verlag, Jüdische Memoiren Band 16, erschienen März 2010
360 Seiten, gebunden, 3 Abbildungen
ISBN 978-3-941450-12-7
Euro 24,80