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Beitrag vom 09.03.2016
Mo und die Arier. Allein unter Rassisten und Neonazis. Mo Asumang erhält Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur 2018
Nana Nkrumah
Die Moderatorin, Schauspielerin und Regisseurin Mo Asumang beschreibt in ihrem Buch – erschreckend hautnah – (und mit "Schalk im Nacken") – ihre Konfrontation mit rechtsradikalen IdeologInnen, MitläuferInnen und HassverkäuferInnen.
Zehntausende demonstrieren für Pegida gegen die vermeintliche Überfremdung Deutschlands, Medien berichten fast täglich über brennende Asylheime und Gewalttaten gegen Geflüchtete – das Thema
"Fremden"hass ist leider hochaktuell. In diesem Kontext erscheint das
autobiographische Sachbuch der afrodeutschen Fernsehmoderatorin, Schauspielerin und Regisseurin Mo Asumang, die am eigenen Leib erfahren hat, wie sich das anfühlt: Sie hat nicht nur selbst rassistisch motivierte Übergriffe, Beleidigungen und Morddrohungen erlebt. Sondern in einem
persönlichen Experiment den offenen Dialog mit Rassisten und Neonazis gesucht.
Mo Asumangs Buch zeichnet jeden Schritt des über 10 Jahre andauernden Annäherns an Rassisten durch
wagemutige Recherchereisen nach. Weit über ihre Dokumentarfilme "Die Arier" (2014) und "Roots Germania" (2007) hinaus gibt das Buch intime Hintergrundinformationen und verrät zudem, wie es ihr während der Begegnungen ging – im Interview mit dem NPD-Politiker
Jürgen Rieger, im Gespräch mit dem rechts-esoterischen Verschwörungstheoretiker
Dr. Axel Stoll, beim Treffen mit maskierten
Ku-Klux-Klan-Anhängern auf einem dunklen Parkplatz in den USA oder beim
Blind-Date mit dem Neonazi Jörg aus dem Odin-Flirtportal.
"Warum hast Du Dir das nur angetan?""Warum hast Du Dir das nur angetan, Mo?", lautet die erste Frage von Moderatorin Shelly Kupferberg bei der
Lesung von Mo Asumang im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann, wo die Autorin ihr Buch im Februar vorstellte. Ein Hauch von Entrüstung schwingt in der Frage mit. Sie drückt aus, was sich wohl auch die meisten ZuschauerInnen fragen, die sich auf den engen Stuhlreihen drängen oder an die Wand des voll besetzten Raums gelehnt stehen, die dicken Wintermäntel über dem Arm. Rund 180 Augenpaare schauen erwartungsvoll auf die Bühne: Auf Mo Asumang, die hier – scheinbar ganz relaxt – sitzt, mit
weißer Hemdbluse, hochgekrempelter Blue Jeans und schwarzen Boots, die Haare zum Afro frisiert. Schweinwerfer und Kameras sind auf die Autorin gerichtet.
"Keine Ahnung, vielleicht bin ich Masochistin?", antwortet Mo Asumang mit einem Schmunzeln, doch dann schiebt sie nach, wird ernster:
"Für mich war das ein Versuch, meine Angst zu überwinden. Ich habe selbst schlimme Dinge erlebt – als ich neben meinem Studium als Taxifahrerin gejobbt habe, zum Beispiel, hat mir ein Fahrgast mal eine Pistole aufs Gesicht gehalten, wegen meiner Hautfarbe. Eine Neonazi-Band hat sogar zum Mord an mir aufgerufen. Klar hat mir das Angst gemacht, aber ich wollte mir dadurch meine Lebensfreude nicht vermiesen lassen", erklärt sie.
Die Angst aus dem Kopf kriegenDen Nazis "face to face" gegenüber zu stehen, sagt Mo Asumang, das sei eine Strategie, um die Angst aus dem Kopf zu kriegen:
"Wenn sich zwei Menschen 1:1 begegnen, dann menschelt es – das ist eine ganz normale Reaktion. Dann gerät die Ideologie ins Wanken."Dann setzt sie ihre schwarz umrandete Kunststoffbrille auf und liest aus ihrem Buch vor – im locker-flockig formulierten Stil erfährt das Publikum von ihren
Vorbereitungen und dem Treffen mit dem "Meister der Rassenhetze" Jürgen Rieger, den sie in seiner schicken Kanzlei in Hamburg-Blankenese besucht. Wie nach seiner spontanen telefonischen Zusage zum Interview vor Nervosität ihre
"Löckchen beben", und sie sich fragt, ob
"seriös aussehen oder lieber funky" kleiden wohl die richtige Wahl für den anstehenden Termin sei. Mit verstellten Stimmen liest Mo Asumang – und hier zeigt sich die routinierte Synchronsprecherin – den darauffolgenden irrwitzigen Dialog mit Jürgen Rieger vor, was bei den ZuhörerInnen für
bittersüße Belustigung sorgt – denn seine abstrusen Thesen über die
"Rassenseele" zu hören, bringt das Publikum unwillkürlich zum Lachen, erweckt aber auch ein Schaudern und ungläubiges Kopfschütteln. Sich vorzustellen, dass ihm während des Gesprächs eine warmherzige, dunkelhäutige Interviewpartnerin gegenübersteht, ist ein mehr als
ungewöhnliches Kopfkino.
Mit Geschenken bewaffnet zum Interview mit amerikanischem HassverkäuferGanz bewusst erzeugt Mo Asumang diese absurden Situationen in ihrem Buch. Durch ihren
unerschütterlichen Mut und ihre nicht klein zu kriegende Menschenfreundlichkeit provoziert sie eine Fülle an überraschenden Dialogen und sorgt dafür, dass sich eingefleischte Rassisten und Neonazis selbst ad absurdum führen.
So schreckt sie sogar nicht davor zurück,
der Frau von Tom Metzger – dem früheren Ku-Klux-Klan-Führer und Gründer der neonazistischen Organisation
White Aryan Resistance –, den sie in den USA interviewt,
in Herzchenpapier eingewickelte Geschenke aus Deutschland mitzubringen. Nach einem anstrengenden Austausch von "Argumenten" (Mo Asumangs Vater sei ein Gen-Entführer) umarmt Tom Metzger seine Gesprächspartnerin Mo Asumang zum Abschied und bemerkt fast entschuldigend, dass Rassist zu sein für ihn halt nur ein Geschäft sei. Eine einzigartige Szene!
AVIVA-Tipp: Bewundernswert und mutig, wie Mo Asumang die offene Konfrontation nutzt, um sich nicht in die Rolle des Opfers drängen zu lassen:
"So kann es nämlich auch gehen", schreibt sie,
"statt die Gegner zu schwächen, werden sie von Tag zu Tag stärker." Das Buch zeichnet die persönliche Heldinnenreise der Autorin nach und liefert durch die fundierte Recherchearbeit zugleich einen wichtigen Beitrag, um die Inhalte und Verfechter rechtsextremer Ideologien kritisch zu hinterfragen und einzuordnen sowie die Mechanismen des "Geschäfts mit den Rassen" als ein Geschäft mit dem Hass offenzulegen.
Zur Autorin: Mo Asumang, 1963 als Kind einer Deutschen und eines Ghanaers in Kassel geboren, wurde 1996 Deutschlands erste afrodeutsche TV-Moderatorin ("Liebe Sünde"). Seitdem arbeitet Asumang als Moderatorin, Filmemacherin ("Roots Germania" und "Die Arier", beide Grimme-Preis nominiert), Dozentin und Schauspielerin (so übernahm Mo Asumang die Rolle der US-Außenministerin Condoleezza Rice in ´The Ghostwriter´ von Roman Polanski). Die Morddrohung einer Neonazi-Band veranlasste Mo Asumang, sich "face to face" mit dem Thema Rassismus zu beschäftigen. Neben ihrem künstlerischen Engagement ist sie zudem politisch aktiv, beispielsweise als Botschafterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Weltweit besucht sie Schulen und Universitäten, um sich für Integration stark zu machen und das Thema Rassismus mutig von einer neuen Perspektive anzugehen.
Im Rahmen der Preisverleihung des Berliner Frauenpreises 2012 hielt sie die Laudatio für die AVIVA-Berlin-Gründerin und Herausgeberin Sharon Adler.
In deren Buchprojekt "Damenwahl. Frauen und ihre Autos" aus dem Jahr 2005/2006 erzählt Mo Asumang von ihrer Faszination für den Mercedes Benz 280 SEC, Baujahr 1968.
(Quelle: Verlagsinformationen, Autorinnenwebsite, AVIVA-Berlin)
Mo Asumang
Mo und die Arier. Allein unter Rassisten und NeonazisS. Fischer Verlage, erschienen: Februar 2016
Taschenbuch, 272 Seiten
ISBN 978-3-596-03443-7
www.fischerverlage.deAktuelle Termine zur Buchtour und aktuell auf der Leipziger Buchmesse von Mo Asumang sind auf den Verlagsseiten zu finden unter:www.fischerverlage.deMo Asumang im Netz: www.mo-asumang.comMo Asumang ist Unterstützerin von CURA. Der Opferfonds CURA unterstützt Betroffene rechter Gewalt mit finanziellen Mitteln. Unterstützen Sie mit!Mehr Infos unter:
www.opferfonds-cura.deWeiterlesen auf AVIVA-Berlin Mo Asumang - Road to Rainbow - Willkommen in Südafrika. AVIVA-Berlin traf Mo Asumang zum Interview (2010)
"Road to Rainbow", ein Dokumentarfilm jenseits der Klischees, der Afrika helfen will. Nach dem Grimme-Preis nominierten Film "Roots Germania" ist dies die zweite persönliche Doku von Mo Asumang
"Roots Germania" - Mit ihrem Regiedebut vereint Mo Asumang all ihre Fähigkeiten auch hinter der Kamera. (2007)
Sharon Adler, Gründerin von AVIVA-Berlin, wurde mit dem 2012 Berliner Frauenpreis ausgezeichnet. Die Verleihung fand am Donnerstag, den 8. März 2012, um 18 Uhr im Großen Saal des Roten Rathauses statt.
Die Laudatio hielt Mo AsumangWieder erhältlich - Damenwahl. Frauen und ihre Autos. Der Bildband von Sharon AdlerOn the road again! Literatur über Autos gibt es wie Sand am Meer, das Thema "Frauen und Autos" steht jedoch nur selten im Fokus der Medien. Mit dabei: Mo Asumang mit dem Mercedes Benz 280 SEC, Baujahr 1968.