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Beitrag vom 07.04.2022
Joan Didion - Was ich meine. Verlosung
Silvy Pommerenke
Der Essay-Band der US-amerikanischen Autorin, die pointierte Gesellschaftsanalyse in messerscharfen Texten verfasste, enthält zwölf bislang unveröffentlichte Übersetzungen ins Deutsche. Übertragen und mit einem Vorwort versehen wurden die Essays von Antje Rávik Strubel, die 2021 den Deutschen Buchpreis für ihren Roman "Blaue Frau" erhielt. AVIVA-Berlin verlost 2 Bücher
Der Tod von Joan Didion kurz nach Chanukka und kurz vor Weihnachten am 23.12.2021 sorgte für große Trauer in der literarischen Welt, die mit ihr eine der ganz großen Autorinnen und Denkerinnen verloren hatte. Ihre literarische Wirkung war enorm, nicht nur durch ihre Romane, sondern auch durch ihre intellektuellen Essays, die sie äußerst präzise mit unbestechlichem und geschärftem Blick formulierte. Einen Eindruck davon erhält die Leser*in durch "Was ich meine", in dem ein Querschnitt ihres Schaffens aus den Jahren 1968 bis 2000 wiedergegeben ist. Die Originalausgabe erschien bereits 2021 unter dem Titel "Let me tell you what I mean" bei Alfred A. Knopf, New York.
Die Autorin und Übersetzerin Antje Rávik Strubel nennt ihren Schreibstil "einzigartig", was auch der Grund für ihre jahrelange intensive Beschäftigung mit Joan Didion war. Ihre Stärke war, so Strubel, gleichzeitig ganz nah am Thema zu sein, und trotzdem eine große Distanz zu wahren. Laut Strubel beruhen ihre Texte auf einer Trias, bestehend aus ihrer kalifornischen Herkunft, einer Sprachskepsis und der Allgegenwart des Todes. Strubel nennt es "das Brennglas ihrer Überlegungen", Didion fasst den Motor ihres Schreibens folgendermaßen zusammen: "Ich schreibe ausschließlich, um herauszufinden, was ich denke, was ich anschaue, was ich sehe und was das bedeutet. Was ich will und wovor ich mich fürchte".
Die US-Amerikanerin schrieb ihre Texte ausgehend vom Rhythmus und Klang, wodurch sie zu ihren Romanfiguren aber auch zu ihren Themen gefunden hat. Sie zäumte quasi das literarische Pferd von hinten auf. Ihre journalistischen bzw. schriftstellerischen Anfänge hatte sie bei dem Modemagazin "Vogue", dessen Schule sie nachhaltig prägte, da sie für Bildunterschriften eine bestimmte Zeichenvorgabe erhielt und somit jeder (knappe) Satz das Wesentliche ausdrücken und sitzen musste: "Wir waren Connaisseurs von Synonymen. Wir waren Verbensammler. [...] Wir eigneten uns die grammatikalischen Tricks, die wir in der Schule nur als nebensächliche Verbesserungen gelernt hatten, als Reflexe an".
Eines der Glanzstücke in dem aktuellen Band ist der Essay "Why I write", geschrieben 1976, in dem Joan Didion behauptet, sie sei keine Intellektuelle, und sogleich genau das Gegenteil davon beweist: "Kurz, ich versuchte zu denken. Ich scheiterte. Meine Aufmerksamkeit kehrte immer wieder zum Spezifischen zurück, zum Greifbaren, zu dem, was im Allgemeinen, von allen, die ich damals kannte und seither kennengelernt habe, für das Periphere gehalten wird. Ich versuchte, über die Hegelsche Dialektik nachzudenken, und ertappte mich dabei, wie ich mich stattdessen auf einen blühenden Birnbaum vor meinem Fenster konzentrierte".
In "Hübsche Nancy" aus dem Jahr 1968 beweist die Autorin zudem, dass sie neben ihrem Scharfsinn auch eine gehörige Portion Humor in ihre Texte einschreibt. Es geht um Nancy Reagan, Ehefrau des damaligen Gouverneurs von Kalifornien, die von einem Fernsehteam einen Besuch erhielt. Sie sollte bei alltäglichen Gegebenheiten gefilmt werden, um so eine mögliche Volksnähe darzustellen: "Nancy Reagan sagt fast alles mit Schwung, vielleicht weil sie einige Jahre lang Schauspielerin war und die Angewohnheit junger Schauspielerinnen hat, noch die beiläufig seine Sätze mit weitaus mehr dramatischer Emphase auszustatten, als es an einem Dienstagvormittag in der 45. Straße in Sacramento normalerweise erforderlich ist".
Und in dem Essay "Geschichten erzählen" (1978) beschäftigt sich Didion mit der Angst, eine Schreibblockade zu bekommen bzw. nie wieder einen Roman schreiben zu können. Ein Phänomen, das vielen Schreibenden sehr bekannt sein dürfte. Und sie erzählt von dem leidlichen Versuch, eine Kurzgeschichte bei einer Zeitung zum Abdruck zu bringen. Zahlreiche niederschmetternde Absagen führten dazu, dass Joan Didion das Verfassen von Kurzgeschichten (vorläufig) aufgab.
Die zwölf Essays stellte Joan Didion ein Jahr vor ihrem Tod selbst zusammen, sodass der posthum erschienene Band eine letzte persönliche Botschaft von der Autorin an ihr Publikum ist. Die dreißig Jahre zwischen dem ersten und dem letzten Text lassen zudem eine Entwicklung in ihrem Schreiben erkennen, das zum Ende hin immer ausgereifter und pointierter wird.
AVIVA-Tipp: Ob Joan Didion nun über Nancy Reagan, Robert Mapplethorpe oder die Fernsehköchin Martha Stewart schreibt, so ist ihr bestechender Blick immer faszinierend, den sie auf Menschen oder gesellschaftliche Phänomene richtet. Als würde sie wie durch eine Kameralinse die Menschen und die Situationen fokussieren und schließlich zu Papier bringen.
Zur Autorin: Joan Didion wurde 1934 in Sacramento, Kalifornien geboren. Sie absolvierte ein Bachelor-Studium in Englischer Literatur an der Berkeley University, bevor sie einen Aufsatzwettbewerb bei der "Vogue" gewann und als ersten Preis eine Anstellung als Research Assistant beim renommierten Fashion Magazine in New York City erhielt. Sie arbeitete sich in über zehn Jahren Tätigkeit für das Magazin zum Associate Features Editor hoch, bevor sie 1963 ihren ersten Roman "Run River" veröffentlichte. Im gleichen Jahr zog sie mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller John Gregory Dunne nach Los Angeles; Kalifornien zurück und schrieb jahrelang eine monatliche Kolumne für die "Saturday Evening Post" sowie eine Vielzahl von Beiträgen für andere Magazine, wie "The New Yorker" oder "New York Review of Books". Didion erlangte nationale Bekanntheit für ihre erste Essaysammlung "Slouching towards Bethlehem" (1968), für welche sie sehr viel positive Kritik erhielt, wie für ihren zweiten Roman "Play it as it lays", welcher 1972 verfilmt wurde. Ihr zweiter Essayband "The White Album" gilt als quintessentielles Gesellschaftsportrait der 1960er und 1970er in den USA. Zu ihrem späteren vielbeachteten Werk gehören die Memoires "The Year of Magical Thinking" (2005) und "Blue Nights" (2011), in welchen sie über den tragischen Verlust ihres Ehemanns und ihrer Tochter Quintana Roo schreibt. Die Ikonisierung Joan Didions hatte mit einer eigens über ihr Leben und Werk produzierten Netflix-Dokumentation "The Center will not hold" (2017) und der Überreichung der "National Medal of Arts and Humanities" durch President Obama (2013) bereits zu Lebzeiten stattgefunden.
Joan Didion starb mit 87 Jahren am 23.12.2021 in New York City.
Joan Didion
Was ich meine
Originaltitel: Let Me Tell You What I Mean
Übersetzt von Antje Rávik Strubel
Ullstein Verlag, erschienen 02/2022
Gebundenes Buch, 176 Seiten
ISBN 9783550201813
Euro 18,99
Mehr zum Buch unter: www.ullstein-buchverlage.de
Mehr zu Joan Didion
www.thejoandidion.com/about (Zur Biographie der Autorin)
www.thejoandidion.com/books (Joan Didions Veröffentlichungen)
www.nybooks.com ("Sentimental Journeys", By Joan Didion, The New York Review, January 17th, 1991)
www.youtube.com (Der Trailer zur Netflix Dokumentation "The Center will not hold", 2017)
www.newyorker.com ("Last Words. Those Hemingway wrote, and those he didn´t." By Joan Didion, October 25, 1998)
www.newyorker.com (alle Beiträge von Joan Didion für den "New Yorker")
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Joan Didion - Meisterin der kurzen Form
Joan Didions neuer Essayband "Let me tell you what I mean" verhandelt die lebenslange Beziehung der heute 86-jährigen Autorin zum Akt des Schreibens und blickt auf ihre Anfänge in den 1960ern zurück. (2021)
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