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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 27.08.2018


Interview mit Fanny Ben-Ami
Sharon Adler

Fanny Ben-Ami, 1930 in Baden-Baden als Fanny Eil geboren, rettete als 13 Jährige auf der Flucht durch Frankreich und Italien in die Schweiz 28 Kinder vor der Deportation. Heute lebt sie als Autorin und Künstlerin in Israel. "FANNYS REISE", der Spielfilm von Lola Doillon basiert auf ihren bewegenden Erinnerungen und erscheint am 7. September 2018 auf DVD-, Blu-ray- und VoD




Baden-Baden, hier lebte die jüdische Familie Eil, die vor den Pogromen in Litauen und Polen geflüchtet war. Fanny Ben-Amis Mutter, Johanna Eil, geborene Yohana Alterman, wurde 1902 in Libau, Liepajas, Kurzeme, Lettland als Tochter von Avraham und Fani geboren. Sie war Hausfrau und verheiratet mit dem 1889 in Kowel, Polen geborenen Schuhmacher Erich Zvi Eil, der spezialisiert war auf die Herstellung orthopädischer Schuhe. Das Paar hatte drei Töchter.

1933 floh die Familie vor den Nazis nach Frankreich. Fanny war zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt, ihre jüngere Schwester Erika ein Jahr, und die Jüngste, Georgette, wurde 1934 auf der Flucht geboren.

FANNYS REISE – le voyage de Fanny

Anders als im Buch, das im Jahr 1939 mit der brutalen Abholung des Vaters vor den Augen der Familie durch die Gestapo in Paris beginnt, setzt der Film ein paar Jahre später ein. 1943, mit dem Abschied zwischen Fanny und ihrer Mutter. Diese hatte, wie viele andere auch, ihre Kinder in das Château de Chaumont in Creuse gebracht, um sie vor der Deportation zu beschützen.

Sharon Adler: Der Film FANNYS REISE basiert auf Ihrem Buch "Le Journal de Fanny", das auf Französisch und Hebräisch erschienen ist. Neben der Veröffentlichung sprechen Sie – und auch Ihre Schwestern - als Zeitzeugin in aller Welt regelmäßig über die Zeit der Verfolgung und der Flucht. Warum ist es so wichtig, diese, Ihre Geschichte öffentlich zu machen und was war und ist Ihre größte Hoffnung?

Fanny Ben-Ami: Heutzutage ist es sehr wichtig, über dieses Thema zu sprechen und Filme darüber zu zeigen.
Besonders Kinder sind Opfer der Kriege, damals und heute. Als Erwachsene erfüllt sie das in der Gesellschaft vielleicht mit Rache und Hass. Oder sie bleiben stumm und werden nie gehört. Ich hoffe, dass der Film die Augen der Menschheit öffnet und vielleicht den einen oder anderen zum Umdenken bewegt. Deswegen spreche ich mit dem Publikum über den Film und stelle mich den Fragen zu meiner Geschichte.

Sharon Adler: Gewidmet ist das Buch Ethel Askenazi, einer Betreuerin im Château de Chaumont in Creuse und Lydia und Alfred Klinger in der Schweiz. Bitte erzählen Sie uns etwas von diesen Menschen. Wie bzw. womit haben Sie Ihnen geholfen?
Fanny Ben-Ami: Ethel bleibt für mich unvergessen.
Sie half mir die Philosophie des Lebens zu verstehen und brachte mir die Literatur näher. Sie zeigte mir, wie wichtig der Respekt von Mensch zu Mensch ist. Für sie schrieb ich meine ersten Gedichte. Durch das Kinderhilfswerk Œuvre de secours aux enfants kam ich zu dem kinderlosen Ehepaar Klinger. Nachdem ich in der Schweiz angekommen war, nahmen sie mich liebevoll auf und gaben mir ein warmes Heim.

Sharon Adler: Sie haben 27 Aquarelle gemalt, die Ihre Kindheit während der Shoah zum Inhalt haben. Wie kam es dazu?

Fanny Ben-Ami: Im hebräischen Buch sind auch Zeichnungen von mir enthalten.
Doch ich selbst habe es nicht geschrieben (für das französische Buch habe ich einen großen Teil übersetzt). Ich habe die Erinnerungen für mich gezeichnet. Mein Mann und ein Maler sind dafür verantwortlich, dass es schließlich zu einer Ausstellung kam.

Sharon Adler: Während der Flucht vor den Nazis, in ständig wechselnden Verstecken und dem Leben unter falscher Identität waren Sie, als damals 13 jähriges Mädchen, plötzlich für Ihre beiden jüngeren Schwestern und weitere Kinder verantwortlich. Heute werden Sie als Heldin gefeiert. Sehen Sie sich selbst auch als Heldin oder denken Sie, Sie haben ganz automatisch das getan, was richtig und notwendig war?

Fanny Ben-Ami: Seit meinen fünften Lebensjahr, als Georgette auf die Welt kam, war ich für meine Schwestern verantwortlich, um meinen Eltern in Paris, wo wir als Flüchtlinge lebten, zu helfen.
Als ich die Verantwortung für die Kinder während unserer Flucht in die Schweiz annahm, da wurde mir bewusst, um was es hier sich handelte. Für mich war die Flucht ein Aufgebehren gegen diese Ungerechtigkeit und ein Kampf gegen die Nazis. Ich dachte die ganze Zeit: Ihr bekommt die Kinder nicht und mich auch nicht. Das alles kam nicht automatisch. Eine Heldin? Das gibt es nicht in einem solchen Krieg.



Sharon Adler: Fanny, Sie haben als Kind und als junges Mädchen eine schwere Zeit durchgemacht und doch scheint es, als hätten Sie den Mut nie verloren. Was hat Sie damals angetrieben, woher haben Sie diesen Mut genommen?
Fanny Ben-Ami: Ich bin vielleicht einfach damit geboren.
Auch heute ist noch mein Motto: Ich helfe, wo ich kann.

Sharon Adler: Sie haben die Dreharbeiten zu FANNYS REISE besucht. Bitte erzählen Sie uns etwas über Ihr Zusammentreffen mit Léonie, Ihrem filmischen Double. Welche Fragen haben sie und die anderen Kinder Ihnen gestellt? Welche Frage ist Ihnen dabei besonders in Erinnerung geblieben?

Fanny Ben-Ami: Als Leonie und ich uns das erste Mal sahen, da lachten wir herzlich.
Sie hatte sich mich ganz anders vorgestellt und ich sagte ihr, sie sei schöner als ich damals war. Sie teilte mir mit, dass sie das Buch etliche Male gelesen hatte und so beeindruckt gewesen war, dass sie sich fest gewünscht hatte, diese Rolle spielen zu dürfen. Ich erinnere mich nicht an alle Fragen der Kinder, aber mir ist in Erinnerung geblieben, wie der Junge, der Victor spielt, sagte: "Wir spielen im Film eine Rolle, aber Fanny hatte das alles wirklich erlebt…"



Sharon Adler: Damals wie heute sind Hunderttausende auf die Flucht, sie suchen Schutz vor Verfolgung, aber kein Land ist bereit, sie aufzunehmen. Was kann der Film – vor allem bei einem jüngeren Publikum – bewirken?

Fanny Ben-Ami: Ich bekomme viele Briefe von jungen Leuten, die heute auf der Flucht sind.
Sie fühlen sich durch den Film verstanden, denn es ist auch ihre Geschichte, die erzählt wird.

Sharon Adler: Sie leben nun bereits schon viele Jahre (seit 1955) in Israel. Was müsste geschehen, um eines Tages endlich Frieden zu schaffen?

Fanny Ben-Ami: Mehr Verständnis.
Oder vielleicht sollten einfach Kinder die Regierung in die Hand nehmen?



Fannys Reise
DVD-, Blu-ray- und VoD-Start:
7. September 2018
Originaltitel: Le Voyage de Fanny
Belgien, Frankreich 2016
Regie: Lola Doillon
Drehbuch: Lola Doillon, Anne Peyrègne, nach dem autobiografischen Roman von Fanny Ben-Ami
DarstellerInnen: Léonie Souchaud (Fanny), Lou Lambrecht (Rachel), Juliane Lepoureau (Georgette), Igor Van Dessel (Maurice), Malonn Lévana (Marie), Cécile de France (Madame Forman) sowie Anaïs Meiringer, Stéphane Groodt, Fantine Harduin, Ryan Brodie
Kamera: Pierre Cottereau
Schnitt: Valérie Deseine
Musik Sylvain Favre-Bulle, Gisèle Gérard-Tolini
Produzentinnen Saga Blanchard, Marie de Lussigny
FSK: 6 Jahre
Pädagogische Altersempfehlung ab 10 Jahren, ab 4. Klasse
Laufzeit: ca. 95 Min

TECHNISCHE ANGABEN:

Sprache / Ton: Deutsch / DD 5.1, Französisch / DD 5.1
Bildformat: Deutsch / HD-DTS 5.1, Französisch / HD-DTS 5.1 2,40:1 (16:9) / 2,40:1 (1080p)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Making of
Laufzeit Bonusmaterial: ca. 20 Min
Set-Inhalt: 1 DVD / 1 Blu-ray
Verpackung: Amaray / Blu-ray
Best.Nr./EAN DVD: 4042564186666
Best.Nr./EAN Blu-ray: 4042564186673
Verleih: Atlas Film
Mehr zum Film "Fannys Reise" unter: atlas-film.de/fanny.html

"Fannys Reise" läuft im Rahmen der Schulkinowochen von Vision Kino. Das umfassende schulische Begleitmaterial steht unter atlas-film.de/fanny.html zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Festivals & Awards

FANNYS REISE wurde 2016 mit dem UNICEF-Preis auf dem Internationalen Kinderfilmfestival in Wien ausgezeichnet und erhielt im selben Jahr auf dem Filmfest München den Fritz Gerlich Filmpreis.

Weitere Informationen:

FANNYS REISE von Lola Doillon (IN YOUR HANDS) basiert auf dem Buch "Le journal de Fanny: Suivi de Les enfants juifs au coeur de la guerre", auch bekannt als "Le Voyage de Fanny", das Fanny Ben-Ami auf der Basis ihrer Erinnerungen verfasste. Erschienen ist es 1986 auf Hebräisch im Milo Publishing House, Israel.

1986 hat die Kinder- und Jugendbuchautorin Galila Ron-Feder-Amit von Fannys Geschichte erfahren und sich mit ihr dazu ausgetauscht. Basierend auf ihren Gesprächen hat Galila Ron-Feder das Buch "ha-Mefaḳedet ha-ketanah" ("The Little Commander") auf Hebräisch veröffentlicht.

OSE, Chateau de Chaumont www.ajpn.org

USC Shoah Foundation Institute testimony of Fanny Ben-Ami: collections.ushmm.org

Informationen zu Lotte-Schwartz auf AJPN, Anonymes, Justes et persécutés Durant la période nazie: www.ajpn.org/personne-Lotte-Schwartz

Informationen zu Nicole Weil-Salon auf OSE, Chateau de Chaumont www.ose-france.org

"It could happen again,´ says hero of Holocaust escape film for kids" ein Beitrag von Anne Joseph vom 29. November 2016 in The Times of Israel

Stolpersteine in Baden-Baden

1925 lebten 435 jüdische Familien in Baden-Baden, 1933 waren es 310. Ab 1938 wurden die Juden und Jüdinnen aus Baden-Baden in das Konzentrationslager Dachau deportiert, ab 1940 in das Camp de Gurs.
Die Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden zählt heute etwa 300 Mitglieder.

Vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Eil in der Lichtentaler Straße 42 in Baden-Baden wurden am 20. Oktober 2013 Stolpersteine für Erich, Johanna, Fanny, Erika und Georgette Eil verlegt.

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

FANNYS REISE. Ab 7. September 2018 auf DVD-, Blu-ray- und VoD.
Fanny Ben-Ami, 1930 in Baden-Baden als Fanny Eil geboren, rettete als 13 Jährige auf der Flucht durch Frankreich und Italien in die Schweiz 28 Kinder vor der Deportation, darunter ihre zwei jüngeren Schwestern, Erika und Georgette. Der Spielfilm von Lola Doillon basiert auf den im Buch "Le Journal de Fanny" veröffentlichten bewegenden Erinnerungen der heute in Israel lebenden Autorin und Künstlerin.


Copyright Fotos von Fanny Ben-Ami anlässlich der Kino-Veranstaltung mit Fanny Ben-Ami am 29. August im Cinema Paris in Berlin: Sharon Adler


Interviews

Beitrag vom 27.08.2018

Sharon Adler