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Beitrag vom 13.05.2009
Lola Randl im Interview
Anna Opel
Für ihren ersten langen Film erhielt die junge Regisseurin im März 2009 den Förderpreis der Akademie der Künste – Intensives Spiel und zeitlose Thematik sorgen für eine dichte Atmosphäre
Lola Randl wurde 1980 in München geboren und studierte bis 2006 an der Kunsthochschule für Medien Köln. Anschließend erhielt sie ein Stipendium der Drehbuchwerkstatt München. Für die Besetzung der "Besucherin" konnte sie Stars der deutschsprachigen Theaterszene gewinnen.
Lebenshunger und vertauschte Rollen
AVIVA-Berlin: In Deinem Film gibt es kleine Geschichten, die nebenbei vom Tod erzählen. Wie hängen diese Geschichten mit dem großen Thema deines Films, der Sehnsucht nach Erneuerung zusammen?
Lola Randl: Der Tod eines Fremden löst eine Erschütterung in Agnes´ Leben aus. Und sie entwickelt eine Lebenssehnsucht, die mit der Tatsache zu tun hat, dass das Leben eine Ende hat. Wenn man dem Tod begegnet, gewinnt die Frage nach dem Leben und seinem Sinn zwangsläufig an Dringlichkeit. Das ist die Situation, in der Agnes sich zu Beginn des Films befindet.
AVIVA-Berlin: Der Widerspruch zwischen Sehnsucht nach Hingabe und der kontrollierten, introvertierten Art, wie Agnes dieser Sehnsucht nachgeht, wirkt auf produktive Weise verwirrend. Die Umdeutung von Geschlechteridentitäten empfinde ich in Deinem Film sehr deutlich. Ist es eine Generationenfrage, wie stark man solche Verschiebungen wertet?
Lola Randl: Ja, sicher. Meine Mutter hat sich stark mit emanzipatorischen Fragen auseinandergesetzt. Als nachfolgende Generation hat man dann vielleicht weniger die Not, sich dazu zu verhalten. Ich verstehe das Thema des Feminismus zwar, fühle mich aber selbst von geschlechtlicher Benachteiligung überhaupt nicht betroffen.
AVIVA-Berlin: Die Umdeutung der Geschlechterrollen betrifft auch die Arbeitsteilung in der Familie und der Ehe, Agnes verdient das Geld und ihr Mann Walter kümmert sich zu Hause um alles. Agnes entschuldigt und erklärt in Bezug auf ihre zunehmende Fremdheit nichts, sie gibt einfach ihrem Wollen nach.
Lola Randl: Das Verhältnis der Eheleute ist eigentlich konventionell. Nur, dass es hier der Mann ist, der sich vernachlässigt fühlt und seine häusliche Arbeit gewürdigt sehen will. Die Mutter hat in der Besucherin das entfernte Verhältnis zur Tochter, das sonst eher Väter haben. Ich wollte das aber eher beiläufig zeigen.
AVIVA-Berlin: Aber es macht einen erheblichen Unterschied, eine Frau in dieser Rolle zu erleben. Interessant ist auch Agnes´ Liebhaber, der physiognomisch als quasi weiblicher Gegenpart zur strengen Agnes wirkt. Was hat dich an dieser Umdeutung der Geschlechterrollen interessiert?
Lola Randl: Ich wollte das nicht demonstrativ handhaben. Die Selbstverständlichkeit, mit der Agnes ihren Weg geht, ist von mir so empfunden. Und die beiden Männer sind ihr gegenüber weich, wenn auch auf unterschiedliche Art, das stimmt. Ich empfinde das aber nicht als Umdeutung, sondern es ergibt sich selbstverständlich aus dem, was Agnes verkörpert.
AVIVA-Berlin: Auf beiden Schauplätzen wird sehr reduziert kommuniziert. Warum?
Lola Randl: Vieles von der Geschichte spielt im Inneren. Und die Hauptfigur ist lange damit beschäftigt, ihre Wünsche zuzudecken. Sie braucht den Zufall, die Begegnung mit Bruno, um zu merken, was sie eigentlich gesucht hat. Und in der Beziehung zu Bruno darf sie nicht sprechen, weil es dort darum geht, niemand bestimmtes zu sein. Als die beiden sich schließlich einander im konventionellen Sinn vorstellen, ist ihre Geschichte zu Ende.
Auch zu Hause ist es gefährlich, zu sprechen, Agnes möchte sich nicht verraten. Und je weniger man spricht, um so weniger lügt man vielleicht auch.
AVIVA-Berlin: Das Spiel der Schauspieler ist verhalten und entfaltet gerade dadurch eine große Intensität. War die Besetzung mit TheaterschauspielerInnen von Anfang an geplant?
Lola Randl: Nein, gar nicht. Das hat sich nach und nach so entwickelt. Ich habe mich im Vorfeld gefragt, ob Theaterschauspieler nicht zu groß spielen würden. Das war bei der Arbeit kein Thema. Sylvana Krappatsch hat mit dieser Rolle ihren ersten langen Film gespielt. Womöglich spürt man, dass Theaterschauspieler die Kamera nicht so gut kennen. Und wenn es darum geht, etwas darzustellen, das eher innerlich passiert, ist eine Fremdheit gegenüber der Kamera vielleicht von Vorteil.
AVIVA-Berlin: Um was weint Agnes am Ende des Films?
Lola Randl: Das ist der Moment der Entspannung. Sie ist allein, die Anspannung fällt von ihr ab und deshalb kann sie weinen.
AVIVA-Berlin: Danke für das Interview!
Lesen Sie auch die AVIVA-Rezension zum Film von Lola Randl "Die Besucherin"