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Jüdisches Leben
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Beitrag vom 14.06.2016
Gedenktafel für die Schauspielerin Elisabeth Bergner am 12. Mai 2016 von der Senatskulturverwaltung und dem Verein Aktives Museum Faschismus und Widerstand eingeweiht
Laura Seibert
An ihrem 30. Todestag wurde die durch Theater, Film und Fernsehen international erfolgreiche jüdische Schauspielerin (1897-1986) endlich in Berlin gewürdigt. AVIVA-Berlin nimmt das zum Anlass, ihr bewegtes Leben und vielfältiges Werk in einem Rückblick vorzustellen.
Elisabeth Bergner war zu ihren Lebzeiten eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schauspielerinnen. Aufgrund der Dichte der vielfältigen Informationen zu ihrem Leben und Werk kann an dieser Stelle für die Leserin nur eine Kurzbiographie skizziert werden, welche sich auf ausgiebige Recherchen stützt. Als Quellen dienten dabei u.a. das Jewish Women´s Archive, der Sammelband Frauen im Rampenlicht sowie die virtuelle Ausstellung Künste im Exil.
Als Tochter von Anna Rosa Wagner und Emil Ettel kam Elisabeth im österreichisch-galizischen Drohobytsch (heute Ukraine) auf die Welt. Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie nach Wien, wo Elisabeth zwischen 1912 und 1915 an der Akademie für Musik und darstellende Kunst studierte. Bereits mit 18 Jahren stand sie für ihre Debütrolle in Innsbruck auf der Theaterbühne. Als Nora in "Nora oder Ein Puppenheim" von Henrik Ibsen spielte sie im gleichen Jahr ihre erste Hauptrolle.
Eine Femme Fatale
Im Züricher Stadttheater spielte sie eine sogenannte Hosenrolle, als Rosalinde in "Wie es euch gefällt" von Shakespeare. Politisch engagiert, trat sie 1918 der Kommunistischen Partei Österreichs bei. Zu ihren FreundInnen und Bekannten zählten Else Lasker-Schüler, Claire Goll, Franz Werfel und Frank Wedekind, zudem stand sie der dadaistischen Bewegung nahe.
Nach erfolgreichen Jahren in Zürich, Wien und München mit zahlreichen Engagements zog sie 1922 nach Berlin, wo sie im Deutschen Theater, im Lessing Theater und im Schauspieltheater auftrat. Mittlerweile war sie als "die Bergner" berühmt. In dem Haus im Zehlendorfer Faradayweg 15, an dem die Gedenktafel angebracht wurde, wohnte sie bis 1933. Auf der Tafel ist zu lesen: "Ganz Berlin war in sie verliebt". Sie galt als Femme fatale, verkörperte ein neues, androgynes Frauenbild.
Exil-Künstlerin und Fluchthelferin
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, hielt Bergner sich für einen Dreh in England auf und kehrte nicht nach Berlin zurück. Von dort unterstützte sie andere SchauspielerInnen dabei, aus Deutschland zu fliehen, unter anderem, indem sie ihnen Geld zur Verfügung stellte.
Nachdem 1934 in Berlin The Rise of Catherine the Great gezeigt wurde, dessen Hauptrolle Bergner spielte, agitierten die Nazis öffentlich gegen die jüdische Schauspielerin und verboten die Vorführung sämtlicher ihrer Filme.
In England knüpfte sie an ihre Erfolge als deutschsprachige Schauspielerin an, es bereitete ihr keine Mühe, Englisch zu lernen.
1940 emigrierte sie mit ihrem Mann Paul Czinner schließlich nach New York. Ihre erste Hauptrolle spielte sie in den USA in dem Anti-Nazi-Film "Paris Calling", der kommerziell jedoch nicht erfolgreich war. Auch in den Staaten unterstützte sie ExilkünstlerInnen, darunter Bertolt Brecht und Ruth Berlau. Sie gehörte 1944 zu den MitunterzeichnerInnen der Grundsatzerklärung des Council for a Democratic Germany.
Rückkehr auf die europäischen Bühnen
Elisabeth Bergner kehrte mit Paul Czinner 1950 zurück nach London. Im März 1954 spielte sie zum ersten Mal wieder auf einer Bühne in Deutschland, im Westen des geteilten Berlin für Terence Rattigan’s "The Deep Blue Sea". Im gleichen Jahr trat sie auch in Wien im Theater in der Josefstadt auf.
Besonders im Radio und im Fernsehen war Bergner ab Mitte der 50er Jahre in Deutschland, Österreich und Groß-Britannien häufiger in Hauptrollen zu sehen und zu hören. Große Theatererfolge feierte sie mit der deutschen Version von "Dear Liar" (1959) sowie mit Jean Giraudoux´s "The Madwoman of Chaillot" (1964). Das letzte Mal trat Elisabeth Bergner 1973 in London auf einer Bühne auf, mit ihrer Arbeit als Filmschauspielerin fuhr sie hingegen bis 1984 fort.
Ihr Memoir "Bewundert viel und viel gescholten. Elisabeth Bergners unordentliche Erinnerungen" gab sie 1978 im Bertelsmann-Verlag heraus. Am 12. Mai 1986 starb die Schauspielerin in London.
Filmographie von Elisabeth Bergner:
Wenn ich dich nicht hätte, 1984
Der Garten,1982
Feine Gesellschaft - Beschränkte Haftung, 1981/1982
Klaus Maria Brandauer im Gespräch mit Elisabeth Bergner, 1981
Der Pfingstausflug, 1978
Nachtdienst, 1975
Der Fußgänger, 1972/1973
Der Kurier des Zaren, 1970
Cry of the Banshee, 1970
Geliebter Lügner, 1963
Die glücklichen Jahre der Thorwalds, 1962
Geheimnis einer Ärztin, 1955
Paris Calling, 1941
49th Parallel, 1941
Stolen Life, 1939
Dreaming Lips, 1937
As You Like It, 1936
Escape Me Never, 1935
The Rise of Catherine the Great, 1933/1934
Der träumende Mund, 1932
Ariane, 1930/1931
The Loves of Ariane, 1930/1931
Rund um die Liebe, 1928/1929
Fräulein Else, 1928/1929
Doña Juana, 1927
Liebe, 1926
Der Geiger von Florenz, 1925/1926
Nju, 1924
Der Evangelimann, 1922/1923
Bereits zu ihren Lebzeiten erhielt sie diverse Preise und Auszeichnungen:
Schillerpreis der Stadt Mannheim, 1962, als erste Schauspielerin
Ernst-Lubitsch-Preis, 1979, für "Der Pfingstausflug"
Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 1980
Eleonora Duse Preis Asolo, 1982
Hans Otto Medaille der DDR, 1985
Ehrenmitglied des Deutschen Theaters, 1985
Weitere Gedenktafeln in Berlin für bedeutende Frauen geplant
Der Historische Beirat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin hat in einer Pressemitteilung vom 14.04.2016 angekündigt, in Zukunft bei der Ehrung herausragender Persönlichkeiten das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen wahren zu wollen. Unter den Frauen, denen im Jahr 2016 eine Gedenktafel gewidmet wurde und wird, befinden sich neben Elisabeth Bergner außerdem die erste Medizinprofessorin in Preußen Rahel Hirsch (1870-1953), die Gewerkschafterin und Frauenrechtlerin Emma Ihrer (1857-1911), die Widerständlerin gegen das NS-Regime Hedwig Leibetseder (1900-1989) und die Ärztin und Sexualwissenschaftlerin Charlotte Wolff (1897-1986).
Quellen und weitere Informationen:
Eintrag zu Elisabeth Bergner im Jewish Women´s Archive: jwa.org
Nachruf auf Elisabeth Bergner im Spiegel vom 19.05.1986: www.spiegel.de
Pressemitteilung der Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten, bzw. des Historischen Beirats über die Berliner Gedenktafeln für das Jahr 2016 (14.04.2016): www.berlin.de
Elisabeth Bergner in der Deutschen Fotothek: www.deutschefotothek.de
Elisabeth Bergner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: portal.dnb.de
Elisabeth Bergner in der virtuellen Ausstellung "Künste im Exil": kuenste-im-exil.de
Elisabeth Bergner auf der Website des Deutschen Filminstituts - DIF e.V.: www.filmportal.de
Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.: www.aktives-museum.de
Informationen zur Theaterfotografin Rosemarie Clausen: www.hdg.de
Bildnachweise:
Abbildungen 1 und 2 zeigen Elisabeth Bergner in einer Fotografie der unter den Nazis erfolgreichen Theaterfotografin Rosemarie Clausen aus dem Buch:
Schrift und Maske
Rosemarie Clausen
38 Bilder und Handschriften
Christian Wegner Verlag Hamburg 1958
Ausgerechnet Rosemarie Clausen war von 1934 - 1944 am Staatstheater Berlin/ Schauspiel am Gendarmenmarkt unter Gustaf Gründgens als solche tätig, währenddessen jüdische KünstlerInnen in Deutschland ihrer Lebensgrundlage beraubt, verfolgt und ermordet wurden.
Abbildung 3 zeigt Elisabeth Bergner in Die glücklichen Jahre der Thorwalds (1962) © Cinetext aus dem Buch:
Frauen im Rampenlicht
Lebensberichte berühmter Schauspielerinnen von Elenora Duse bis Marlene Dietrich
Hrsg.: Monica Steegmann und Ingrid Kaech
Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig, Oktober 2004
Taschenbuch, 347 Seiten
ISBN 3-458-34748-8
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Gedenktafel für die erste Medizin-Professorin Preußens, Rahel Hirsch
1913 erhielt die Ärztin und Wissenschaftlerin als erste Frau den Professorinnen-Titel in der Medizin. Am 2. Juni 2016 ehrte die Senatskulturverwaltung und die Historische Kommission zu Berlin e.V. sie mit einer Gedenktafel auf dem Kurfürstendamm 220. (2016)
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Alexander Granach - Da geht ein Mensch. Kinofilm
Die Doku der Journalistin und Dokumentarfilmerin Angelika Wittlich zeichnet das Leben und Werk dieses außergewöhnlichen und von der Kunst beseelten expressionistischen Charakterdarstellers anhand von Interviews und auf der Autobiographie basierenden Informationen und persönlichen Briefen authentisch und behutsam nach. Granach arbeitete u.a. mit Bertolt Brecht, Erwin Piscator und Elisabeth Bergner. (2012)
Frauen im Rampenlicht
Sechs berühmte Schauspielerinnen, darunter auch Elisabeth Bergner, erzählen spannend aus ihrem ereignisreichen Künstlerinnenleben. Herausgegeben von Monica Steegmann und Ingrid Kaech. (2005)
Copyright Fotos von Laura Seibert