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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 26.03.2008


Taucherglocke und Schmetterling
Constanze Geißler

Ein trauriger, aber auch hoffnungsvoller Film. J.-D. Bauby, Ex-Chefredakteur der "Elle", verfasst nach einem schweren Schicksalsschlag seine Biographie und besinnt sich dabei auf das wahre Leben.




Der französische Film "Taucherglocke und Schmetterling" (2007) beruht auf einer authentischen Geschichte. Im Mittelpunkt steht Jean-Dominique Bauby, der lange Zeit Chefredakteur des Fashionmagazins "Elle" gewesen ist. Am 8. Dezember 1995 erleidet er einen Schlaganfall. Fortan ist der 43-jährige Mann an das Krankenbett gefesselt und sein Leben, das aus vielen amourösen Abenteuern und kurzweiligen Momenten bestand, ändert sich komplett. Nachdem Bauby aus einem zweiwöchigen Koma erwacht, bleibt sein Körper fast vollständig gelähmt. Er leidet unter dem Locked-in-Syndrom. Nur mit dem linken Auge kann er noch blinzeln: ein Mal für "Ja", zwei Mal für "Nein". Und allein mit dieser Fähigkeit schreibt der Mann im Krankenhaus mit Hilfe einer Assistentin ein Buch. Eigens ein Alphabet wurde für ihn entwickelt. E-S-A-R-I-… immer wieder werden ihm die Buchstaben, die nach der Häufigkeit ihrer Verwendung in der französischen Sprache angeordnet sind, vorgelesen und Bauby blinzelt, wenn er den richtigen hört. Auf diese Weise diktiert er in mehreren Monaten 28 lange Kapitel, in denen er sein Leben memoriert.
Bereits zehn Tage nach Beendigung seines biographischen Romans, am 9. März 1997, verstirbt Bauby.

Regisseur Julian Schnabel, der schon die Filme "Basquiat" (1996) und "Before Night Falls" (2000) drehte, hat sich dieser Autobiographie angenommen und mit seinem gleichnamigen Kinofilm "Taucherglocke und Schmetterling" ein wahres Meisterwerk geschaffen. Dabei setzt der Regisseur alles daran, um nicht die Leidens- und Krankheitsgeschichte seines Protagonisten überzubetonen, sondern um die Überwindung des eigenen Schicksals durch Jean-Dominique Bauby (Mathieu Almaric) zu zeigen. Denn der in seinem Körper gefangene, einstig vom Erfolg so verwöhnte Bauby erkennt, dass das Dasein nicht allein in dem besteht, was einem Menschen widerfährt, sondern aus dem, was der eigene Geist und die eigene Fantasie aus diesen Erlebnissen machen.

In der Verfilmung der Autobiographie, die zugleich eine Reise zum Sinn des Lebens ist, nutzt der gebürtige New Yorker Regisseur Schnabel diverse Erzähltechniken vollkommen virtuos!
Im ersten Drittel des Filmes zeigt die Kamera als ein großes cineastisches Auge fast ausschließlich diejenigen Bilder, die Jean-Dominique Bauby nach seinem Schlaganfall allein zu sehen im Stande ist. Hermetisch von seiner Umgebung abgeriegelt - wie in einer Taucherglocke sitzend - sind es einzelne Konturen seiner Umgebung und die Gesichter des Krankenhauspersonals oder seiner Ex-Frau Céline (Emmanuelle Seigner), die sich dem Protagonisten offenbaren. Doch anstatt die Situation im Krankenhaus, wo er seit seinem Schlaganfall liegt, in einer klaustrophobischen Stimmung heraufzubeschwören, entwickelt der Film eine unglaubliche Kraft und zeigt in dieser scheinbar so ausweglosen Situation doch die Einzigartigkeit des Lebens auf. Die farbenprächtigen Bilder und das helle Licht, in dem sie gefilmt sind, zeugen davon. Immer wieder wechseln die Bilder in einzelne Szenen über, die das Krankenhauszimmer verlassen und in einer Außenperspektive gefilmt sind. Dabei wird Jean-D. Bauby zum Erzähler von Geschichten, die gerade durch ihre ungeheure Aufrichtigkeit überzeugen: wie er seinem Vater (Max von Sydow) begegnet und was er über die Liebe denkt.
Der einstige Lebemann und Chefredakteur der "Elle" entdeckt das Dasein plötzlich auf eine ganz andere Art, nämlich in einer kleinen Geste, einer Freundschaft oder in der Lust am Leben selbst. Und diese - seine - Erkenntnis wirkt so wahr und ehrlich! Dass Bauby nach einer anfänglichen Resignation im Krankenhaus auch als ein Mensch gezeigt wird, der zu einem gewissen Humor zurückfindet, verleiht dem Film eine Authentizität, die frei von jeder pathetischen Attitüde ist.

AVIVA-Tipp:
Trotz seiner Tragik ist "Taucherglocke und Schmetterling" ein glücklicher Film. Ausgehend von dem Locked-in-Syndrom, das dem einstigen Chefredakteur der "Elle" jegliche Bewegungen und Sprechaktivitäten verbietet, gibt er ein ungeheuer intensives Verständnis wider von dem, was Leben ist. In Cannes 2007 mit dem Regiepreis ausgezeichnet, läuft "Taucherglocke und Schmetterling" jetzt auch in den deutschen Kinos. Zudem hat der Film zwei Golden Globes ("Beste Regie" und "Bester ausländischer Film") gewonnen. Unbedingt ansehen und Taschentücher mitnehmen!

Taucherglocke und Schmetterling
OT: Le Scaphandre Et Le Papillion
Nach dem Buch von Jean-Dominique Bauby
Frankreich 2007
Regie: Julian Schnabel
DarstellerInnen: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze, Anne Consigny, Patrick Chesnais, Max von Sydow, u.a.
Länge: 112 Minuten
Kinostart: 27.03.2008
www.schmetterling-und-taucherglocke.de


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Beitrag vom 26.03.2008

AVIVA-Redaktion