Das war die 66. Berlinale mit dem 30. Teddy Award und dem 2. Bubble von Pro Quote Regie - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 24.02.2016


Das war die 66. Berlinale mit dem 30. Teddy Award und dem 2. Bubble von Pro Quote Regie
Helga Egetenmeier

Jetzt ist sie wieder vorbei, die schlafraubende und, wie jedes Jahr, allerbeste Berlinale überhaupt. Und mir fehlen sie bereits, meine neuen FreundInnen, die diskussionswütigen CineastInnen aus...




...aller Welt, die eng an eng mit mir in der Schlange standen, im dunklen Kino mitfühlten und danach bohrende Fragen an die FilmemacherInnen stellten. Gemeinsam brachen wir damit den Publikumsrekord der 66-jährigen Geschichte des Filmfestivals.

Die AVIVA-Berlin-Auswahl der Preisträger_innen der 66. Berlinale

Viele beeindruckende und erstaunlich wenig ärgerliche Filme durfte ich für AVIVA-Berlin in den unterschiedlichen Sektionen, neugierig und in höchstmöglicher Dosis, zu mir nehmen. Dabei ist es wahrhaftig kein schlechtes Zeichen, dass die meisten Filmfans sich mit mir vor den großen Sälen drängten, anstatt mit ihren Smartphones am Roten Teppich zu stehen.

Der Pro Quote Regie-Bubble

Auch dieses Jahr war Pro Quote Regie wieder mit dem durchsichtigen PQR-Bubble am Potsdamer Platz auf der Berlinale. Die darin geführten Interviews und die Einführungsrede Jutta Brückners für das PQR Pannel lassen sich über die Webseite weiterhin nachschauen.

Wie bereits auf AVIVA-BERLIN veröffentlicht, verweist PQR auf den während der Berlinale veröffentlichen Zweiten Regie-Diversitätsbericht des Bundesverbandes Regie. Der Bericht stellt zusammenfassend fest, dass sowohl in den ARD- wie auch in den ZDF-Produktionen der Frauenanteil weit unter dem Anteil der Männer liegt.

Jüdisches Leben und Filme aus Israel

Bei den 66. Internationalen Filmfestspielen Berlin sind zwei der vielen sehenswerten Produktionen mit israelischer Beteiligung mit einem Preis ausgezeichnet worden. Sie erhielten den hochgeschätzten Panorama-Publikumspreis, den einzigen Publikumspreis, den ein A-Filmfestival vergibt.Die ZuschauerInnen entschieden sich mit dem Spielfilm Junction 48, Regie Udi Aloni, für einen energiegeladenen HipHop-Film um den Rapper Tamer und seine Freundin Manar, der die schwungvolle Darstellung einer Subkultur mit politischen Auseinandersetzungen verbindet. Einer der ausführenden Produzenten, James Schamus, war mit Indignation selbst im Panorama Special vertreten.

Als beliebtester Dokumentarfilm erhielt Who´s Gonna Love Me Now? von Barak und Tomer Heymann den Panorama Publikums-Preis über einen Israeli, der Familie und Land verließ für ein freies schwules Leben in London. Nach einer exzessiven Zeit schöpft er im London Gay Men´s Chorus genügend Kraft, um, auf HIV-positiv getestet, seiner Familie wieder entgegenzutreten.

Der 30. Teddy Award

Als Bester Dokumentar-/Essayfilm erhielt Kiki von Sara Jordenö den Teddy für ihren vielschichtigen Blick auf die heutige junge black LGBT-Community in New York, ein Porträt der Ballroom-Szene, 25 Jahre nach Paris ist Burning, dem Teddy-Gewinner von 1991.
Das Beziehungsdrama Kater über ein schwules Musiker-Paar und deren Umgang mit Bruchstellen in ihrer Liebesbeziehung wurde mit dem Teddy als Bester Spielfilm geehrt.

Der feinfühlige chilenische Debütfilm Nunca vas a estar solo des Filmemachers und Musikers Alex Anwandter erhielt den Special Jury Award. Ein junger Mann aus der abgeschlossenen Welt des schwulen und lesbischen Lebens in Santiago wird brutal umgebracht - angelehnt ist der Film an den Mord an einem schwulen Fan des Musikers.

Die Künstlerin und Filmemacherin Joanna Rytel bekam für Moms on Fire, einen Knetfiguren-Kurzfilm über alltägliche Probleme von Hochschwangeren, den Teddy für den Besten Kurzfilm.

Mit dem Special Teddy Award wurde die Produzentin Christine Vachon geehrt, die mit ihrer Firma Killer Films das queere Kino mit Filmen, wie Boys Don´t Cry und Carol bereichert.

Weitere Preisträger_innen der Berlinale 2016

Den Goldenen Bären für den besten Film erhielt der politisch wie auch künstlerisch anspruchsvolle Dokumentarfilm Fuocoammare, der auch den Preis der ökumenischen Jury, den Amnesty International Filmpreis und den Preis der Leserjury der Berliner Morgenpost bekam. Die kommentarlose Betrachtung der Menschen auf Lampedusa, der EinwohnerInnen und der EmigrantInnen, entstand nach der Idee von Carla Cattani, produziert von Donatella Palermo, durch den in Eritrea geborenen und in Italien aufgewachsenen Regisseur Gianfranco Rosi.

Einen weiteren Amnesty International Filmpreis erhielt das würdevolle Porträt junger Frauen, Royahaye Dame Sobh von Mehrdad Oskouei, über ein iranisches Korrektur- und Rehabilitationszentrum für straffällig Gewordene.

Für die Beste Regie erhielt Mia Hansen-Love für L´avenir den 3. Silbernen Bär, der je an eine Regisseurin ging. In diesem intensiven und ironischen Frauenporträt zu sehen ist dabei Isabelle Huppert, als ältere Philosophielehrerin, die neue Wege findet.

Als Beste Darstellerin bekam Trine Dyrholm den Silbernen Bären für die Anna in Kollektivet über ein privates Experiment kollektiven Lebens. Die auch als Sängerin bekannte Schauspielerin war bereits Teil des Casts für Das Fest von Thomas Vinterberg, der auch bei diesem Film Regie führte.

Die auch als Kamerafrau und Dokumentarfilmerin arbeitende Leonor Teles erhielt für Balada de um batráquio den Goldenen Bären für den Besten Kurzfilm über die Lebensumstände der Roma im Portugal des Heute und Gestern.

Den FIPRESCI-Preis für den besten Film im Forum, vergeben vom internationalen Verband der Filmkritik, sowie eine Lobende Erwähnung des Caligari-Filmpreis, erhielt der Dokumentarfilm The Revolution Won´t Be Televised der Regisseurin Rama Thiaw. Über mehrere Jahre begleitete sie zwei junge Rapper, die sich im Senegal für eine Demokratisierung der Gesellschaft und gegen die alten politischen Seilschaften einsetzen.

Ebenfalls eine Lobende Erwähnung des Caligari-Filmpreis erhielt Tatiana Huezo für ihren in Mexiko spielenden Film Tempestad. Sie folgt darin dem Schicksal zweier Frauen, das sie unverbunden lässt, sie erzählen und es ergibt sich das Bild einer düster erscheinenden Gesellschaft.

Anna Muylaert, die letztes Jahr den Panorama-Publikumspreis für Der Sommer mit Mama erhielt, bekam für Mae só há uma den Preis der "Männer Magazin Leserjury". Liebevoll blickt sie auf den 17-jährigen Pierre, dessen pubertäres Leben die Kamerafrau Barbara Alvarez gekonnt umsetzt. Sein Begehren und sein Äußeres entsprechen nicht den bürgerlichen Geschlechterklischees, die seine neue Familie von ihm erwartet.

Weibliche Arbeitskräfte als reine Objekte zeigt die mit dem Friedensfilmpreis ausgezeichnete Dokumentation Makhdoumin von Maher Abi Samra, Kamera Claire Mathon. Ohne jegliche Hemmungen lassen sich die ProtagonistInnen dokumentieren, denn A Maid for each - so der englische Titel - ist fast eine Klassenfrage im Libanon. Auf vier Millionen EinwohnerInnen kommen rund 200.000 ausländische Hausangestellte.

Für 24 Wochen bekam Anne Zohra Berrached den Preis der Gilde deutscher Filmkunsttheater, die für Zwei Mütter auf der Berlinale 2013 den Preis der Perspektive Deutsches Kino erhielt. Auch in diesem zweiten Langfilm befasst sie sich mit weiblichen Lebensentwürfen, mit denen sich ihre beruflich erfolgreiche Figur Astrid auseinandersetzen muss, die erfährt, dass sie mit einem kranken Baby schwanger ist.

Doris Dörrie erhielt für ihren in schwarz-weiß gedrehten Grüße aus Fukushima vom Internationalen Verband der Filmkunsttheater den Preis des Panorama 2016 für diesen poetischen Film, "der uns eindringlich daran erinnert, dass das Leben so einzigartig ist wie ein Traum", so die Begründung. Auch das Panorama-Publikum wählte Dörries Spielfilm auf den 2. Platz, wie sie auch den Heiner-Carow-Preis erhielt, der zur Förderung der deutschen Filmkunst ausgegeben wird.

Der Co-Partner der Berlinale "Glashütte Original" vergab innerhalb der Perspektive Deutsches Kino den mit 15.000 € dotierten Preis "Made in Germany - Förderpreis Perspektive" an Janna Ji Wonders für ihr Treatment Walchensee forever.

Die Preisträger_innen 2016 in der Sektion Generation

Den Großen Preis der Internationalen Jury von Generation Kplus erhielt der mit klaren Bildern beeindruckende Rara, das Spielfilmdebüt der Regisseurin Pepa San Martín. Auf wahren Ereignissen beruhend, beobachtet die Kamera zwei quirlige Schwestern, die nach der Trennung der Eltern bei ihrer Mutter und deren Freundin leben. Doch dem Vater kommen aufgrund deren lesbischer Lebensweise bedenken an deren Erziehung und er geht vor Gericht.

Lobende Erwähnung in der Kategorie Generation 14plus der Jugendjury, wie auch der Internationalen Jury, erhielt Ida Lindgren mit ihrem Kurzfilm Kroppen är en ensam plats wegen ihrer Kombination ästhetischer und zugleich abstoßender Bilder, welche die mit einer Essstörung verbundenen Gefühle ausdrücken.
Auch Eliza Petkova bekam eine Lobende Erwähnung der Internationalen Jury von Generation 14plus für Zhaleika, einer stillen Geschichte der Emanzipation einer jungen Frau in einem bulgarischen Dorf.
Der Spezialpreis dieser Internationalen Jury wurde für den intensiven Kurzfilm O noapte in Tokoriki von Roxana Stroe vergeben, in dem die Regisseurin mit begehrlichen Blicken spielt und damit den ZuschauerInnen geschlechtergebundene Interpretationsmöglichkeiten vorführt.

Von den Mitgliedern der Kinderjury Generation Kplus erhielt die Regisseurin Emilie Deleuze die Lobende Erwähnung für Jamais contente, der mit viel Humor und Musik eine Dreizehnjährige ihr Leben scharfzüngig kommentieren lässt.
Im Bereich Kurzfilm erhielt Niki Padidar mit Ninnoc, ihrem Dokumentarfilmdebüt über ein willensstarkes Mädchen und ihrem Gefühl des Anders sein und dazugehören wollen in der Schule, die Lobende Erwähnung.

Noch mehr Kino:

Oder erst einmal eine Pause? Nach der Berlinale lässt die Sucht nach einem Kino ohne Popcorn, doch mit ungewöhnlichen Filmen, nur langsam nach. Und dann nur einen Film? Glücklicherweise ist nach der Berlinale auch immer vor der Berlinale und dazwischen gibt es weitere schöne Möglichkeiten, Filmfestivals zu besuchen.

In Berlin gibt es vom 8. - 14. März die Berlin Feminist Film Week, es folgt vom 19.-24. April 2016 in Köln dasInternationale Frauenfilmfestival und vom 4. bis zum 19. Juni 2016 das 21. Jüdische Filmfestival Berlin & Potsdam

Nächstes Jahr wird es sie auch wieder geben, die 67. Berlinale, bereits geplant und in den Kalender eingetragen für den 9. - 19. Februar 2017.

1. Vergabe des SiStar-Filmpreises

Während des Berlinale-Zeitraums, jedoch nicht mit dieser verbunden, wurde dieses Jahr zum ersten Mal der SiStar-Filmpreis, dotiert mit 10.000 €, an eine Regisseurin verliehen - eine Initiative des SI-Clubs Mainz und des rheinland-pfälzischen SI-Clubs unter Schirmherrschaft der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer. "SI", die Abkürzung für "Soroptimist International", versteht sich als die weltweit größte Service-Organisation berufstätiger Frauen mit gesellschaftspolitischem Engagement, die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen einsetzt.

Den 1. SiStar-Filmpreis erhielt Regisseurin Maike Cornway für ihre Langzeit-Dokumentation Corinnes Geheimnis. Darin begleitet sie über zehn Jahre lang ein Mädchen, das bei ihrer Geburt mit HIV infiziert wurde. Ihre Pflegemutter hielt das geheim, da sie die soziale Ausgrenzung fürchtete.

Eine Lobende Erwähnung bekam Regisseurin Sylke Enders für ihren Spielfilm Schönefeld Boulevard, bei dem sie ihre Hauptfigur einfühlsam und stark in Szene setzt. Die junge Cindy, die nicht den weiblichen Schönheitsklischees entspricht, trotzig und humorvoll gespielt von Julia Jendroßek, entwickelt langsam und eigenwillig ihr Selbstbewusstsein.

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Die 66. Berlinale vom 11. - 21. Februar 2016 - eine feine kleine Filmauswahl von AVIVA-Berlin





Kultur

Beitrag vom 24.02.2016

Helga Egetenmeier