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Beitrag vom 07.11.2009
The Invisible Frame - Mit Tilda Swinton
Tatjana Zilg
Am 9. November 2009 jährt sich die Maueröffnung zum 20. Mal. Aus diesem Anlass veröffentlicht die Filmgalerie 451 zwei impressionistische Dokumentarfilme, die sich auf leise Art dem ...
... Schlagzeilen-umrankten Thema annähern. Per Rad erkundet Tilda Swinton die Mauer von beiden Seiten in einem zeitlichen Abstand von 21 Jahren.
Heute erscheint es seltsam bizarr, dass 1988 kaum jemand ahnte, dass ein Jahr später die Zeit der Zwangstrennung von Ost und West ein Ende haben sollte und die Grenzübergänge auf Druck des Volks hin freizügig geöffnet wurden. Jahrzehnte der Zweiteilung lagen hinter den Menschen. Was vor ihnen lag, war von großen Hoffnungen besetzt. Die Enttäuschungen stellten sich schleichend ein und die Vergangenheit wurde teilweise idealisiert.
Die in Berlin lebende britische Filmemacherin Cynthia Beatt und die Arthouse-Schauspielerin Tilda Swinton lassen in ihrer Auseinandersetzung mit dem Mauerstreifen die Politik beiseite und sich von zeitgeschichtlicher Neugier und Alltagsphilosophie leiten. Die Bilder sprechen für sich und werden nur an ausgesuchten Stellen durch nachdenkliche Monologe und Gedichtszitate ergänzt. Zudem werden in "The Invisible Frame" die Straßen- und Naturgeräusche eingebunden in stimmungsvolle, aber sich sensibel zurückhaltende Soundscapes von Simon Fisher Turner, der insbesondere durch seine Zusammenarbeit mit Derek Jarman bekannt wurde. Mit dem britischen Regisseur, der mittlerweile verstorben ist, war auch Tilda Swinton eng befreundet.
1988 entstand "Cycling The Frame", der erste Film des DVD-Doppels.
"Ich wohnte damals in einer alten Fabrik ganz oben direkt am Potsdamer Platz und blickte jeden Tag auf die Ruinen des Krieges, auf das Zirkus-Zelt und die Grenzsoldaten. Die Ruinen und die Mauer waren meine unmittelbare Nachbarschaft. Diese Unbegreiflichkeit der Mauer war jeden Tag für mich präsent. Ich weiß nicht mehr, wie ich dazu gekommen bin die Mauer entlang zu fahren, zuerst kam dieser Wunsch noch bevor ich die Filmidee hatte. Ich hatte damals überhaupt zum ersten Mal kapiert, was die Mauer ist, dass wir auf einer Insel innerhalb der DDR wohnten", erzählt Cynthia Beatt.
Im Rahmen der SFB-Serie "Blicke von außen" (Werke von nicht-deutschen, in West-Berlin lebenden RegisseurInnen) konnte sie ihre Idee realisieren. Über Derek Jarman kannte sie Tilda Swinton, die ihr zusagte, die Rolle der Radfahrerin zu übernehmen. Entlang der Mauer begegneten sie vielgestaltigen Formen der Abgrenzung und des Umgangs mit dem Betonbauwerk. Der stärkste Gegensatz liegt dabei natürlich zwischen West und Ost: Von der einen Seite wird die Mauer eher ignoriert, auf der anderen Seite streng bewacht. Die Kamera folgt Tilda Swinton vom Brandenburger Tor durch die Innenstadtbezirke bis in die naturnahen Außengebiete, wo Seen und Wälder das Gefühl der Offenheit suggerieren, bis die Radfahrerin auf den nächsten Grenzstreifen stößt.
Im Sommer 2009 wollte Tilda Swinton endlich erfahren, wie es auf der anderen Seite der Mauer aussieht. Cynthia Beatt hatte schon vor längerer Zeit angefragt, ob sie bei einer weiteren filmischen Radtour unter dem Titel "The Invisible Frame" mitwirken würde, aber erst jetzt konnte es die mittlerweile weltberühmte Schauspielerin in ihren Terminplan einbinden. Die Mauer war längst zum großen Teil ins Unsichtbare entschwunden, so dass die Endvierzigerin mit Hilfe von Karten und Richtungsinstinkt die Strecke auskundschaften musste. Einige Orte sind dennoch deutlich erkennbar und können den Szenen aus dem ersten Film zugeordnet werden. Die DVD ermöglicht in einem Extra-Feature per Parallelmontage die Gegenüberstellung.
Ganz nebenbei trifft Tilda Swinton darüber hinaus auf Orte, an denen die Geschichte unübersehbar Aufmerksamkeit einfordert. So steht sie plötzlich vor dem Denkmal des letzten, am 5. Februar 1989, erschossenen DDR-Flüchtlings.
AVIVA-Tipp: Aus den Augen der berühmten Nicht-Berlinerin können die Orte, die für BerlinerInnen sicherlich teils vertraut, teils neues Terrain sind, in neuen Blickwinkeln wahrgenommen werden: Mal skurril, dann naiv liebenswert, romantisch naturnah, an anderer Stelle provokant selbstbewusst, und immer wieder auf seltsame Art in der Zeit verloren. Das macht Lust, sich selbst aufs Rad zu schwingen zur ausgiebigen Mauer-Spurensuche-Tour.
The Invisible Frame
Deutschland 2009, 60 Minuten
Cycling The Frame
Deutschland 1988, 27 Minuten
Regie: Cynthia Beatt
Kamera: Ute Freund
Soundscape: Simon Fisher Turner
Produktion und Verleih: Filmgalerie 451
DVD Kauf VÖ: 06.11.2009
FSK: Info-Programm gemäß §14 JuSchG
Sprache: Englisch und Deutsch
Untertitel in Englisch, Arabisch, Deutsch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Russisch
Bild: (Super 16, 1:1,66) / 16:91
Tonformat: Dolby Digital 5.1
Mehr Infos unter www.filmgalerie451.de/film/the-invisible-frame
Jeden Sonntag, vom 15.11. bis 20.12.2009, jeweils um 17.00 Uhr im ARSENAL KINO, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin.