Der Gott des Gemetzels - Das Drama von Yasmina Reza, verfilmt mit Starbesetzung - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kultur



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 24.11.2011


Der Gott des Gemetzels - Das Drama von Yasmina Reza, verfilmt mit Starbesetzung
Tatjana Zilg

Jodie Foster und Kate Winslet brillieren in den Hauptrollen der Leinwand-Adaption, die auf dem Bühnenstück der mehrfach ausgezeichneten Dramatikerin Yasmina Reza basiert. Roman Polanski, in den ...




... USA wegen Vergewaltigung verurteilt, übernahm die Regie.

Die Ausgangssituation ist einfach und tragisch: Die Auseinandersetzung zweier elfjähriger Jungen endete damit, dass der eine dem anderen mit einem Stock zwei Schneidezähne ausschlug. Die Eltern, zwei auf die 40 zugehende, beruflich erfolgreiche Paare, treffen sich , um die Angelegenheit formal und höflich zu besprechen und beizulegen.

Doch was wie ein Lehrstück über gewaltfreie Kommunikation unter Erwachsenen beginnt, offenbart erst im Zeitlupentempo, sich dann zu zynisch bis schwarzhumorigen Wortkaskaden rasant steigernd, die inneren Abgründe angeblich zivilisierter Mittelschichtsmenschen.

Roman Polanski hielt sich dabei dicht an das Bühnenstück, nur an wenigen Stellen änderte er die Dialoge, und ließ den gesamten Film fast ausschließlich in der Wohnung des Paares Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly) stattfinden. Die Namen der vier Beteiligten erfand er neu, vermutlich, um sie an den ebenfalls neu gewählten Ort des Geschehens, New York - Brooklyn, anzupassen. Der hochkarätige Cast, ergänzt von Kate Winslet als Nancy Cowan und Christoph Waltz als Alan Cowan, stellte sich mit hervorragender Leistung der Herausforderung, die Demontage häuslicher Streitschlichtungskultur in Echtzeit zu drehen. So wirkt der Film wie ein auf die Leinwand gebanntes Theaterstück, und wird dennoch durch filmische Stilmittel wie einem perfekten Szenenbild, hautnah ins Geschehen hineinziehenden Kameraeinstellungen und pointiert gesetzten Schnitten bereichert.

Der Fokus liegt so ganz auf der Beobachtung, wie die Masken vorbildlich aufeinander eingehender Erwachsener nach und nach verschwinden und dahinter heftige Emotionen und Schuldvorwürfe erscheinen. Nicht nur gegen das andere Paar, auch innerhalb der Paare lag einiges im Argen, was nun den Raum in schneidenden Wortspiralen erobert und die Luft abschnürt. Endlich freigesetzt wirkt sich dies nun auch auf die körperliche Ebene aus. In bitterböse inszenierten Höhepunkten fliegen scheinbar harmlose Alltagsgegenstände wie die extra am Morgen eingekauften Tulpen hoch durch die stickige Luft und ein hypermodernes Handy in die Vase. Auch der vorher noch hochgelobte Kuchen, der ohnehin mehr einem Auflauf ähnelt, meldet sich zurück und landet in despektierlicher Form auf den Kunstbüchern der politisch korrekt engagierten Penelope. Die Eskalationen tragen zum Amüsement der KinozuschauerInnen bei, denn zwischen all dem schwingt stets ein gereifter, satirischer Humor mit. Die Dekonstruktion bürgerlicher Idealvorstellungen von harmonischer Streitbeilegung, beruflichem Erfolgsethos und solidarischer Ehe wiegt so nie zu schwer auf der eigenen Seele.

"Die Frage nach der Moral ist interessant. Vier Leute versuchen herauszufinden, was sie am besten unternehmen sollten. Aber ist das vermeintlich Richtige auch wirklich das Richtige? Die Zeit verstreicht, und nach und nach offenbaren sie, was hinter der Fassade steckt. Sie werden immer gemeiner und fieser. Genau das macht den Witz aus. Sie sind alle kultivierte Leute, gebildet, mittleren Alters, aus der gehobenen Mittelschicht. Sie leben in einem gepflegten Vorort und man sollte meine, dass sie bestens miteinander auskommen müssten. Doch stattdessen läuft das Ganze fürchterlich schief", beschreibt Jodie Foster die Situation. (Quelle: Presseinfo Constantin Film)

AVIVA-Tipp: Die filmische Umsetzung hält den hohen Erwartungen stand, die dem umjubelten Bühnenstück vorauseilen. Viele Fragen werden aufgeworfen und liefern so den KinogängerInnen ausgiebig Stoff für anschließende intensive Diskussionen über das Spannungsfeld zwischen Moral und Urinstinkten.

Zur Autorin: Yasmina Reza, geboren 1959 in Paris als Tochter einer Budapester Geigerin und eines in Moskau gebürtigen jüdischen Kaufmanns mit Wurzeln aus Samarkand, war erst Schauspielerin und Musikerin. Alle ihre Werke wurden Welterfolge und sind vielfach ausgezeichnet worden. Ihre Theaterstücke "Gespräche nach einer Beerdigung", "Reise in den Winter", "Kunst", "Der Mann des Zufalls", "Drei Mal Leben" sowie "Ein spanisches Stück" wurden weltweit aufgeführt und in 35 Sprachen übersetzt. "Der Gott des Gemetzels" hatte am 8. Dezember 2006 in der Inszenierung von Jürgen Gosch am Schauspielhaus Zürich seine Uraufführung.

Der Gott des Gemetzels
Originaltitel: Carnage
Frankreich, Polen, Spanien, Deutschland 2011
Regie: Roman Polanski
Drehbuch: Yasmina Reza und Roman Polanski, basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmina Reza
DarstellerInnen: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly
Kinostart: 24.11.2011
Lauflänge: 79 Minuten
Verleih: Constantin Film
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AVIVA-Redaktion