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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 30.01.2006


Ein Film wie ein guter Roman: Die Frau des Leuchtturmwärters
Ruth Niehaus

Männer, deren Arbeitsplatz die Hölle ist und eine Liebe, die in sehr kurzer Zeit alles verändert - Philippe Liorets neuer Film weckt tiefe Sehnsüchte ohne dick aufzutragen.




Camille kehrt auf die kleine bretonischen Insel Ouessant zurück, eigentlich um das seit dem Tod ihrer Mutter leerstehende Geburtshaus zu verkaufen. Da entdeckt sie in einer letzten Postsendung an ihre Mutter ein Buch, dessen Umschlagbild den Arbeitsplatz ihres Vaters zeigt: den Leuchtturm "La Jument". Neugierig beginnt sie zu lesen und kommt zu ganz neuen Erkenntnissen.

Ouessant im Jahre 1963 - ein unwirtlicher Ort, umtost von rauer See, der seinen Bewohnern nicht eben ein Füllhorn an Lebensperspektiven bietet und die Gemeinschaft über die Generationen fest zusammenschweißt. Vom Krieg in Algerien, der Frankreich erschüttert, spürt man hier wenig. Wer nicht auf dem Festland in den großen Städten sein Glück sucht, arbeitet wie die Vorväter als Fischer, Bauer oder gehört der kleinen und sehr verschworenen Zunft der Leuchtturmwärter an. Der Stolz der Männer auf ihren Arbeitsplatz, den sie "die Hölle" nennen, entspricht der heroischen Unerschrockenheit, die die Arbeit erfordert.
Schon ein Schichtwechsel, der wegen stürmischer See oft mitunter wochenlang verschoben werden muss, ist eine abenteuerliche Angelegenheit und nicht möglich, wenn sich nicht alle blind aufeinander verlassen können.

Ein Fremder und sei er ein Kriegsveteran, darf nicht erwarten, hier mit offenen Armen empfangen zu werden, schon gar nicht, wenn er einfach per Verwaltungsdirektive dem Leuchtturmwärterkollektiv zugeteilt wird - ein Affront für die Männer, die ihren besonderen Beruf gleichsam geerbt haben, mitsamt den komplizierten Codes und rätselhaften Riten. Antoine, ein Uhrmacher mit verkrüppelter Hand, der die Crew um Yvon, den Chef auf "La Jument" verstärken soll, hat kaum eine Chance auf wohlwollende Aufnahme. Die neuen Kollegen lehnen ihn ab. Einhellig und mit brutaler Direktheit setzen sie alles daran, ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Ganz anders reagieren die Frauen von Ouessant, deren Leben von der eintönigen Arbeit in der Fischfabrik geprägt ist, auf die beinahe mitleiderregende schüchterne Freundlichkeit des Fremden. Zu ihrer großen Verwirrung entdeckt ausgerechnet Mabé, die Frau des Leuchtturmwärters Yvon, unbekannte Gefühle - sie fühlt sich hingezogen zu dem sanften Antoine. Zum ersten Mal in ihrem eher ereignislosen Leben spürt sie Verlangen - etwas, das sich wie Liebe anfühlt, aber doch anders ist.
Und sie ist nicht die einzige, die, ohne Worte dafür zu haben, von etwas Großem überrascht und beinahe aus der Bahn geworfen wird. Auch Antoine versucht, die starke Anziehung, die er für Mabé empfindet eine Zeit lang zu ignorieren, ihr gar zu entfliehen. Und Yvon, dem treuen und aufrechten, geschieht etwas, was stärker ist als alle Vorbehalte und überkommenen Überzeugungen, die er bis dahin mit den anderen zu teilen glaubte.

All diese Entwicklungen zeigen sich in Andeutungen, Blicken und Gesten, keiner der drei scheint nach Erklärungen oder Begründungen zu suchen. Doch auch wenn sie niemand kommentiert, die Veränderungen sind für alle, einschließlich Camille, von einiger Bedeutung.

AVIVA-Tipp: Wen die "Brücken am Fluss" nicht kalt ließen, wird sich auch für diesen Film begeistern können. Sandrine Bonnaire spielt ihre Mabé mit glaubhafter Schlichtheit und Würde, auch Philippe Torreton als Ehemann, hat keine Mühe, als einfacher und aufrechter Bretone zu überzeugen und Grégori Derangère als Antoine gibt allen Anlass in pubertäre Schwärmerei zu verfallen.



Die Frau des Leuchtturmwärters (L´équipier)
Ein Film von Philippe Lioret
mit Sandrine Bonnaire , Philippe Torreton und Grégori Derangère

Frankreich 2004
88 Minuten
DVD-Infos:
Tonformat: DD 5.1 und DD 2.0
Sprachen: Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch
Laufzeit: ca. 101 Min
DVD-Typ: DVD 5
Länder-Code: PAL 2
Bonusmaterial:
Making Of
Foto-Slideshow
Original-Trailer
Deutscher Trailer
Cast & Crew
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Beitrag vom 30.01.2006

Ruth Niehaus