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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 03.04.2005


Being Julia
Danielle Daum

István Szabó, einer der kreativsten und künstlerisch einflussreichsten Regisseure Europas, inszeniert nach Somerset Maughams Roman eine bissige Komödie in 3 Akten - Leidenschaft, Betrug und Rache.




Die erste Leinwandversion von Maughams Roman "Theatre" von 1937 war ein französischer Film unter dem Titel "Julia, du bist zauberhaft" (1962), doch der dramatisch verflachte Film schleppt sich lediglich durch die Ereignisse des Buchs, sämtliche Figuren wirken matt und leblos.

In István Szabós Adaption "Being Julia" spielt Annette Bening die schöne und in ganz England bekannte Theater-Schauspielerin Julia Lambert. Seit Jahren ist sie glücklich mit ihrem Ehemann, dem Theaterdirektor und Regisseur Michael Gosselyn (Jeremy Irons), verheiratet. Doch unterhalb des Glücks tun sich Zweifel auf. Julia hat große Angst vor dem Älterwerden und beobachtet mit Sorge ihre schwindende Schönheit. Als sie den charmanten, jungen Amerikaner Tom (Shaun Evans) trifft, spürt sie, daß ihre Ehe schon lange nicht mehr ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Tom erweist sich als ihr glühendster Verehrer, und sie beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit ihm, die ihr neuen Elan verleiht. Doch schon bald nimmt sie sich dieses Abenteuer mehr zu Herzen, als sie sollte und als Tom sich für die hübsche, gut zwanzig Jahre jüngere Schauspielerin Avice (Lucy Punch) entscheidet, scheint das demütigende Ende für Julia unabwendbar.

Der Film basiert ganz wesentlich auf Julias faszinierendem, unberechenbarem Charakter und ihren vielschichtigen Beziehungen zu ihrem Ehemann, ihrem Geliebten, ihrem Sohn, ihren homosexuellen Bewunderern und (durch einen Kunstgriff des Films) zu ihrem alten, bereits verstorbenen Schauspiellehrer Jimmy (Michael Gambon), der als Julias moralische Richtlinie und Stimme ihres Gewissens fungiert. Die NebendarstellerInnen sind, genau wie in einem Theaterensemble, reich ausgestaltete Figuren mit Tiefe: Ihr attraktiver Ehemann Michael, der Julia zwingt, in einem seit langem laufenden, profitablem Stück weiterzuspielen, welches sie mittlerweile haßt. Ihre lesbische Gönnerin Dolly de Vries (Miriam Margolyes), der es gelingt, immer gerade dann aufzutauchen, wenn Julia halbnackt ist und ihr freches Hausmädchen Evie (Juliet Stevenson), das vergeblich versucht, die Diva auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen und die immer größer werdende Kluft zwischen Fantasie und Realität zu überbrücken.

Während "Being Julia" auf die eine Art ein Film über alternde SchauspielerInnen im Speziellen ist, ist er auf die andere Art ein Film über SchauspielerInnen im Allgemeinen. Der Film zeigt eine Schauspielerin, die so sehr in ihrer Profession aufgeht, daß für sie selbst und für ihre Umwelt irgendwann nicht mehr zu unterscheiden ist, wann sie eine Rolle spielt und wann sie sie selbst ist. Julia ist so routiniert, dass sie sogar ihren besten FreundInnen ständig dieselben Vorstellungen gibt und sich schließlich von ihrem eigenen Sohn sagen lassen muß, dass sich ihre privaten Gespräche anhören, wie aus einem Stück zitiert. Doch obwohl Julia Lambert oberflächlich und selbstsüchtig ist, bringt uns Annette Bening mit ihrer Darstellung immer wieder dazu, mit der Titelfigur mitzufühlen und sie ins Herz zu schließen.

Zum Regisseur:
István Szabó
ist 1938 in Ungarn geboren. Er hat sein Regiestudium 1956, im Jahr des ungarischen Aufstands, in Budapest begonnen und bereits 1963 für seinen Kurzfilm "Konzert" internationale Auszeichnungen erhalten. Sein erster Spielfilm, "Das Alter der Träumereien", folgt 1964. Seitdem gehört er zu den bedeutendsten Autorenfilmern in Europa. In seinen frühen Filmen spiegelt sich das politische Trauma des niedergeschlagenen ungarischen Aufstandes in einer poetisch und melancholisch gefärbten Bildsprache wieder. In den 80er Jahren begann mit "Mephisto" (1981) seine europäische Karriere. Er führt seine Lebensthemen, das Verhältnis von KünstlerInnen und politischer Macht und die Beschädigung des Individuums durch die gesellschaftlichen Umstände, bis heute fort. Zuletzt lief auf der Berlinale 2002 sein größtenteils im Studio Babelsberg entstander Film "Taking Sides - Der Fall Furtwängler".

AVIVA-Tipp:
István Szabó hat mit "Being Julia" eine sorgfältige, gutgelaunte Hommage ans Theater inszeniert. Es ist ihm gelungen, die Romanvorlage von Somerset Maugham mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen: phantastische Regie und ausgezeichnete SchauspielerInnen. Der Film behandelt große Gefühle, Werte, Schwächen und Ängste der Menschen. Vielleicht ist "Being Julia" manchmal ein wenig zu vorhersehbar und nicht ganz so tiefgründig wie beabsichtigt, doch vermittelt der Film unter der Regie von István Szabó, mit dem Drehbuch von Ronald Harwood und der herausragenden Darstellung von Annette Bening, einen lebhaften Eindruck der Dynamik des Theaterlebens.


Being Julia
Regie: István Szabó
DarstellerInnen: Bruce Greenwood, Annette Bening, Jeremy Irons u.a.
Kanada/USA/Ungarn/UK 2004
Genre: Drama/Komödie
Verleih: Concorde Film
Dauer: 105 Min.
Kinostart: 07.04.2005
Deutschland (FSK): Beantragt ab 6 Jahren




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Beitrag vom 03.04.2005

AVIVA-Redaktion