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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 23.05.2006


Eine Geschichte über unermüdlichen Optimismus
Karin Effing

In "Breakfast on Pluto" erzählt Neil Jordan die Geschichte des transsexuellen Patrick "Kitten", der in einer irischen Kleinstadt aufwächst. Nach der Romanvorlage von Patrick McCabe.




Es soll Leute geben, die fangen ohne Punkt und Komma an zu reden, wenn sie in eine bedrohliche Situation geraten. Wahrscheinlich versuchen sie, die Gefahr zu bannen, indem sie ihr die Möglichkeit nehmen, ins Bewusstsein der Person zu treten. Patrick "Kitten" Braden (Cillian Murphy) gehört ganz sicher zu diesem Menschenschlag, der durch nervtötendes Geplapper auch noch seine potentiellen Mörder in die Flucht schlagen kann. Sein Mundwerk ist seine Überlebenswaffe - wenn man einmal von seinem Flacon Chanel Nummer 5 absieht, mit dem er einen Mordversuch vereitelt…

Schon der Beginn des Films präsentiert uns Patrick "Kitten" Braden als jemanden, der seinem Gegenüber verbal begegnet. Wir sehen eine attraktive, gut gekleidete junge Frau einen Kinderwagen eine Londoner Straße Mitte der 70er Jahre entlang schieben. Von einem Gerüst pfeifen Bauarbeiter. Und die junge Dame entpuppt sich Patrick "Kitten" Braden. Der Außenseiter reagert mit einer Sprachattacke, die sich zu einem Selbstgespräch entwickelt. Denn was wissen diese Männer schon von ihr. Was wissen sie denn schon von ihrer Geschichte, der Geschichte von Patrick "Kitten" Braden. Und so beginnt er/sie uns sein Leben in Form eines Märchens zu erzählen.

Stilecht übergibt er das Wort an die Tiere. Rotkehlchen, kleine schwatzhafte Gesellen, beobachten die tragischen Ereignisse, die ihn zu einem Waisen machen: das Baby Patrick Braden wird in einer irischen Kleinstadt vor der Tür des Pfarrers ausgesetzt. Dieser wiederum gibt es in eine lieblose Pflegefamilie. Das Schicksal Patricks scheint damit von Beginn an unter keinem guten Stern zu stehen.
Schnell macht sich der Jugendliche bei seiner Pflegemutter und ihrer Tochter unbeliebt, indem er die Kleider seiner Stiefschwester trägt und sich schminkt. Auch in der Schule trifft sein Verhalten, von der Umgebung als extravagant wahrgenommen, auf wenig Gegenliebe. Aber, wie schon erwähnt, "Kitten", wie er sich selber tauft, ist ja nicht auf den Mund gefallen. So schnell wie er den Nerv der anderen an der schmerzlichsten Stelle getroffen hat, hat er sich auch schon wieder herausgeplaudert. Und das, was ihm wichtig ist, das setzt er auch durch.

"Oh serious, serious, serious" lautet einer seiner Leitsätze. Und geht damit sowohl seinen Mitmenschen als auch den ZuschauerInnen das ein oder andere Mal auf die Nerven. Denn gerade in tatsächlich ernsthaften Situationen, und im Grunde genommen ist sein gesamtes Leben eine solche, setzt er diese Maxime in die Tat um. Regisseur Neil Jordan hatte dabei die Geschichte des unverbesserlichen Optimisten Candide aus dem gleichnamigen Roman von Voltaire im Hinterkopf gehabt. Candide weigert sich, seine Sicht der Welt, als der Besten aller möglichen Welten aufzugeben. Trotz unglaublichen Leids hält er an seinem Optimismus fest.
"Through this insane insistence on seeing the world as a beautiful place, Patrick never really looses even when he looses everything." beschreibt Neil Jordan dies Verhalten seines Protagonisten, der sein Leben wie eine große Erzählung entwirft und ihm damit Würde und Humor verleiht.

Am Ende des Filmmärchens kommentieren wieder die Rotkelchen Patrick "Kittens" Schicksal. Aber das letzte Wort hat Oscar Wilde: "I love to talk about nothing. It’s the only thing I know anything about."

AVIVA-Tipp: Breakfast on Pluto von Neil Jordan schildert das Leben des transsexuellen Patrick "Kitten" Braden vor dem Hintergrund des Irlandkonflikts in den 70er Jahren. Als Kind ausgesetzt, begibt sich der junge Mann auf die Suche nach seiner Mutter. Der androgyne Mann muss sich in einer engstirnigen Gesellschaft behaupten, die seine Identität nicht anerkennen will oder kann. Meisterhafte Arbeit des Regisseurs Neil Jordan, der schon mit "The Company of the Wolves" und "The crying Game" Filmgeschichte schrieb.

Breakfast on Pluto
Irland, Großbritannien, 2005, 135 min.
Regie: Neil Jordan
Produzenten: Alan Moloney, Neil Jordan, Stephen Wooley
Buch: Neil Jordan, Patrick McCabe
Buchvorlage: Breakfast on Pluto von Patrick McCabe
Kamera: Declan Quinn
DarstellerInnen: Cillian Murphy, Liam Neeson, Ruth Negga, Laurence Kinlan, Stephen Rea, Brendan Gleeson, Conor McEvoy, Gavin Friday
FSK: 12 Jahre
Filmstart: 22.05.06

Der Film im Netz unter www.breakfast-on-pluto.de


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Beitrag vom 23.05.2006

AVIVA-Redaktion