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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 17.03.2006


Die Wolke. Regie Gregor Schnitzler nach dem Roman von Gudrun Pausewang
Constanze Geißler

Vordergründig an junge ZuschauerInnen gerichtet, kreist der Film um die Inszenierung einer Liebesgeschichte zwischen zwei Jugendlichen und der Auseinandersetzung mit der atomaren Katastrophe.




Schlitz ist eine beschauliche Kleinstadt. Die Fachwerkhäuschen reihen sich um den gepflasterten Marktplatz. Hinter einem sommerlichen Wald, den die Filmkamera durchstreift, liegt ein See, an dem so manche Jungen mit winkender Geste den Badenden ihre Kleidung stehlen. Die Betroffenen müssen dann ausschließlich mit einem Handtuch bekleidet auf dem Fahrrad nach Hause fahren. Zur Belustigung der anderen.
Eines Tages wird das Idyll der Stadt gestört, als der nicht weit entfernt gelegene Atomreaktor von Bad Hersfeld einen Störfall meldet. ABC-Alarm ertönt vormittags in der Schule der Stadt. Es ist der Tag, an dem sich die 16 jährige Hanna (Paula Kalenberg) und der 18 jährige Elmar (Franz Dinda) ihren ersten, verliebten Kuss geben.

Regisseur Gregor Schnitzler ("Soloalbum") erzählt vor dieser Liebesgeschichte über einen atomaren Zwischenfall in der heutigen Bundesrepublik Deutschland.
Noch 17 Reaktoren werden in diesem Land betrieben, von denen jedes Jahr über 100 Fehlermeldungen ausgehen.
"Selbst Berlin könnte vom bei Hamburg liegenden Atomkraftwerk Krümmel hochgradig radioaktiv verseucht werden. Die Wolke kann weiter als hundert Kilometer reichen", sagt Heinz Smital, Atom-Experte von Greenpeace.
Die Einwohner von Schlitz, darunter Hanna und Elmar sind der radioaktiven Wolke ausgesetzt und durchleben eine Katastrophe, die 1986 Tschernobyl traf. Bis zum heutigen Tag sind dortige Gebiete kontaminiert und stehen unter strikten Sicherheitskontrollen.
Gregor Schnitzler beschreibt in seinem Film die Hilflosigkeit der Behörden angesichts des Reaktorunglücks. Zu spät fordern sie die EinwohnerInnen von Schlitz auf, umgehend die Stadt zu verlassen. Die reichen, aber unterkühlten Eltern Elmars fliegen mit ihrem Privatjet davon.
In einem Telefonat sagt sich der Sohn von ihnen los, um sein Auto zu holen und Hanna und ihren kleinen Bruder Uli (Hans-Laurin Beyerling) damit in Sicherheit zu bringen. Deren Mutter war am Morgen zu einem Kosmetikkongress nach Schweinfurt gefahren. Einzig in dem Mädchen hat Elmar die Liebe gefunden, nach der er sich lange Zeit sehnte.
Doch beiden Jugendlichen gelingt die gemeinsame Flucht aus dem gefährdeten Gebiet nicht. Zunächst müssen sie mit ihrem eigenen Schicksal kämpfen. Elmar findet sich im letzten Zug wieder, der den Bahnhof von Bad Hersfeld verlässt und die Menschen in Sicherheit bringt. Das Unglück Hannas kulminiert am Bahnhof: In psychischem Blackout läuft sie aus der Bahnhofshalle heraus.
Die radioaktive Wolke hängt über dem Ort. Hanna lässt sich auf die Straße fallen, der saure Regen prasselt auf sie. Kontaminiert wacht das Mädchen in einem Sanatorium auf. Doch Elmar hat sie nicht vergessen...
Die ideale Liebesgeschichte zwischen den beiden Jugendlichen trägt die ZuschauerInnen über die atomare Katastrophe hinweg. Im Ermessen der FilmemacherInnen wäre es gewesen, die Auswirkungen des Atomunfalls stärker zu kontrastieren. Was im ersten Teil des Filmes an bedrohlicher Grundstimmung aufgebaut wird, geht im zweiten Teil unwiderruflich verloren.

Vorlage für das Drehbuch des Filmes ist der 1987 von Gudrun Pausewang erschienene Roman "Die Wolke", wofür die Autorin den deutschen Jugendliteraturpreis erhielt. Pausewang hat in ihrem Buch das veränderte, zivile Leben nach dem Reaktorunglück stärker in den Mittelpunkt gestellt. Sie schreibt über Lebensmittelknappheit, die Energiekrise und über das Schließen der deutschen Grenzen.

Bei der Filmpremiere im Münchner Kino Gloria am 16. März 2006 haben UmweltschützerInnen von Greenpeace dem Publikum das Modell eines rissigen, qualmenden Atommeilers präsentiert und gefordert: "Atomkraftwerke abschalten".
Wegen seiner Botschaft erhielt der Kinofilm "Die Wolke" von der Umweltschutzorganisation das Prädikat "approved by Greenpeace".
Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden zeichnete den Film als "besonders wertvoll" aus.

Ein Filmheft, das die Kulturfiliale Gillner und Conrad im Auftrag von Concorde Filmverleih erstellt hat, soll LehrerInnen und SchülerInnen helfen, im Unterricht die Auseinandersetzung mit dem Film fortzuführen.
Das Heft beinhaltet Hintergrundinformationen und praktische Anregungen und steht als Download im Internet zur Verfügung: www.die-wolke.com

AVIVA-Tipp:
Als erster deutscher Kinofilm durchspielt "Die Wolke" die Möglichkeit einer atomaren Katastrophe in Deutschland. Schade, dass der Film so viel wert auf die Dramaturgie einer Liebesgeschichte gelegt hat und die beiden HauptdarstellerInnen Paula Kalenberg und Franz Dinda nicht viel stärker in eine verloren gegangene Zukunft verwickelte.


Die Wolke
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Gudrun Pausewang
Concorde Filmverleih 2005
Regie: Gregor Schnitzler
DarstellerInnen: Paula Kalenberg, Franz Dinda, Hans-Laurin Beyerling, Carina Wiese, Tom Wlaschiha, Richy Müller
FSK: 12 Jahre
Filmlänge: 106 Minuten
Kinostart: 16. März 2006
www.die-wolke.com


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Beitrag vom 17.03.2006

AVIVA-Redaktion