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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 04.05.2006


Geschichten erzählen - Nach-Bilder des Holocaust
Sarah Ross

Vom 9. Mai - 6. Juni 2006 begleitet das Kino Arsenal mit einer Filmreihe ein interdisziplinäres Seminar an der HU Berlin. Die Frage nach der Darstellbarkeit des Holocaust steht dabei im Vordergrund.




In Anlehnung an James E. Youngs Buch Nach-Bilder des Holocaust in zeitgenössischer Kunst und Architektur (1988), findet in diesem Sommersemester unter der Leitung von Alexandra Tacke und Prof. Dr. Inge Stephan ein interdisziplinäres Seminar an der Humboldt-Universität in Berlin statt, das von einer Filmreihe im Kino Arsenal begleitet wird. Young formulierte in seinem Werk die für Erinnerungsprozesse grundlegende These: "Was vom Holocaust erinnert wird, hängt davon ab, wie es erinnert wird, und wie die Ereignisse erinnert werden, hängt wiederum von den Texten ab, die diesen Ereignissen heute Gestalt geben."
So steht auch im Rahmen des Seminars und der Filmreihe die Frage nach der Darstellbarkeit des Holocaust im Vordergrund, welche sich für jede Generation neu stellt.

Wie kann man sich an den Holocaust erinnern, wenn man ihn nicht selbst erlebt hat, und wenn die eigenen Erinnerungen untrennbar von der Geschichte und ihrer Übermittlung werden? Und wie lässt sich darüber hinaus der Holocaust in den Formen der Kunst, Literatur und Architektur vergegenwärtigen, ohne sich dabei, hinsichtlich der Ästhetik, damit zu versöhnen? Diese Fragen, und wie vor allem die Überlebenden, aber insbesondere auch die Nachgeborenen mit den "Nach-Bildern des Holocaust" (Young) umgehen, werden in dem Seminar an der Humboldt-Universität, das das Kino Arsenal vom 9. Mai bis 6. Juni 2006 mit einer Filmreihe begleitet, thematisiert. Besondere Berücksichtigung findet dabei auch die zunehmende historische Differenz zwischen den Zeitzeugen und der zweiten und dritten Generation.

Filmprogramm:

Di 9.5., 19.30h
Mit einer Einführung von Alexandra Tacke
Memory of the Camps - Erinnerungen an die Lager (GB 1945 engl. OF 56’)
Einer der frühesten Dokumentarfilme über die Konzentrationslager. Er entstand im Sommer des Jahres 1945 unter der künstlerischen Beratung von Alfred Hitchcock und zeigt die Lager so, wie sie die Alliierten während und unmittelbar nach der Befreiung vorfanden. Aus politischen Gründen wurde der Film nie fertig gestellt und erst 1984 öffentlich gezeigt.

Di 16.5., 19.30h
Mit Einführung von Inge Stephan
Sobibor, 14 Octobre 1943, 16 Heures (Claude Lanzmann, F 2001, OmU 95’)
Claude Lanzmanns Film beruht auf einem Gespräch, das er 1979 während der Dreharbeiten zu Shoah mit dem aus Polen stammenden Juden Yehuda Lerner führte. Der Titel bezieht sich auf den einzigen gelungenen Aufstand in einem Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Dabei spaltete der 16-Jährige im KZ Sobibor mit einer Axt den Schädel eines deutschen Offiziers.

Di 23.5., 19.15h
Mit Einführung von Alexandra Tacke
Land der Vernichtung (Romuald Karmakar, D 2004, 140’)
Aus Recherche-Material für einen geplanten Spielfilm über das Polizeibataillon 101, das an der Ermordung von 1,7 Millionen Juden in Polen beteiligt war, entstand Romuald Karmakars Film. An den Orten der Vernichtung ist nicht mehr viel zu sehen. Der Frage, wie sich die Dimension der NS-Verbrechen auf das Medium Film übertragen lässt, nähert sich Karmakar - jenseits der Repräsentationsweisen der etablierten Gedenkkultur - scheinbar einfach an, indem er z.B. Schritte zählt:
die Schritte, die es braucht, um den Stacheldrahtzaun des Lagers Majdanek abzuschreiten.

Di 30.5., 19.30h
Mit Einführung von Inge Stephan
2 oder 3 Dinge, die ich von dir weiß (Malte Ludin, D 2005, 87’)
Um Verdrängungsmechanismen innerhalb der eigenen Familie bezüglich des 1947 als NS-Verbrecher hingerichteten Vaters geht es Malte Ludin in seinem Film. Teilweise gegen große Widerstände einzelner Mitglieder gelingt es ihm, eine ganze "Täter-Familie" - über drei Generationen und verschiedene Kontinente hinweg - zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu bewegen.

Di 6.6., 19.30h
Mit Einführung von Alexandra Tacke
Train de vie - Zug des Lebens (Radu Mihaileanu, F/Rumänien 1998, OmU 103’)
Mit den Mitteln des Humors und der Komik erzählt Radu Mihaileanu von der Shoah: In einem osteuropäischen Schtetl schlägt 1941 wie ein Blitz die Nachricht ein, dass die Nazis das Nachbardorf deportieren. Dem Dorfnarr Schlomo kommt die rettende Idee: Um zu entkommen, müssen die Dorfbewohner einen Zug organisieren und ihre eigene Deportation vortäuschen.


Geschichten erzählen: Nach-Bilder des Holocaust
Filmreihe zum Seminar von Alexandra Tacke und Prof. Dr. Inge Stephan an der HU Berlin
Wann: 9. Mai - 6. Juni 2006
Wo: Kino Arsenal 1 & 2, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin
Weitere Informationen finden Sie unter: www.fdk-berlin.de



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Beitrag vom 04.05.2006

Sarah Ross