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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 09.11.2006


Stille Sehnsucht – Warchild
Tatjana Zilg

Die unsichtbaren Wunden, die der Balkankrieg tief in den Menschen hinterlassen hat, sind Thema des beeindruckenden Melodrams. Aida, Tochter der 30jährigen Senada, gilt seit 10 Jahren als vermisst




Sarajewo 2004. Senada (Labina Mitevska) lebt nach außen ein normales Leben, so als sei der Krieg längst vorbei. Sie arbeitet, trifft sich mit Freundinnen und geht in die Disco. Doch innen hat sich ein 10 Jahre altes Bild tief in ihr Herz eingegraben: Das Bild ihrer kleinen Tochter Aida, kurz bevor sie aus dem Lager verschwunden war. Ihre Ehe mit Samir (Senad Basic), dem Vater ihres Kindes, ist in die Brüche gegangen. Er drängte sie, die ständigen Gedanken an Aida loszulassen und sich endlich ganz auf das neue Leben einzulassen.

Aber Senada kann und will ihr Baby nicht vergessen. Als sie auf einen Hinweis stößt, das Rote Kreuz habe während des Krieges kranke Kinder nach Deutschland ausgeflogen, entschließt sie sich, alles auf eine Karte zu setzen. Sie verwendet ihre wenigen Ersparnisse, um illegal nach Ulm zu reisen, wo sie hofft, ihre Tochter zu finden.

Sie findet Unterschlupf in der Pension Pension Dubrovnik, die einer Bosnierin und ihrem deutschen Mann gehört. Ihre Geschichte stößt hier auf offene Ohren und sie bekommt seelische Unterstützung, die es ihr erleichtert, sich in dem fremden Land zurechtzufinden.

Im Jugendamt kommt einer Sozialarbeiterin (Katrin Sass) das Bild ihrer Tochter tatsächlich bekannt vor. Aber dann will die Beamtin plötzlich keine Informationen herausgeben und weist Senada zurück - mit der Behauptung, leider nichts für sie tun zu können. Die mutige junge Frau wird misstrauisch. Wenig später gelingt es ihr, ein Laptop zu stehlen. Die aufgebrachte Sozialarbeiterin besucht sie in der Pension. Sie gibt zu, dass das Kind vom Roten Kreuz nach Deutschland gebracht wurde. Aida (Joelle Ludwig) wurde adoptiert und lebt nun bei einem wohlhabenden deutschen Ehepaar.

Senada weiß nur eins: Sie will um jeden Preis mit ihrer Tochter nach Sarajewo zurückreisen. Der Weg, den sie findet, um mit der Adoptions-Familie Kontakt zu bekommen, ist zum einen sehr zielstrebig und mutig, zum anderen aber auch sehr traurig und nachdenklich stimmend. Sie nutzt die Ambivalenz des Ehemannes in den Mittvierzigern, um Einlass in das Haus zu finden. Bald hat sie genug mit ihm erlebt, um ihn erpressen zu können. Er ermöglicht ein Treffen mit Aida, die jetzt Kristina heißt.
Ein Schock für alle Beteiligten, der aber letztlich ermöglicht, die eingefrorenen Emotionen loszulassen, die heutige Realität zu akzeptieren und sich auf das Leben neu einzulassen.

Der Münchener Filmemacher Christian Wagner produzierte seinen dritten Kinofilm „Stille Sehnsucht - Warchild“ gemeinsam mit der Oscar-Preisträgerin Dunja Klemenc (für „No Mans Land“). Wagner hat sich mit den mehrfach preisgekrönten Spielfilmen „Wallers letzter Gang“ (Bundesfilmpreis, Preis der Deutschen Filmkritik, Bayerischer Filmpreis, Nominierung zum Europäischen Filmpreis) und „Ghettokids“ (Grimme-Preis-Nominierung, Goldener Gong, Giffoni-Filmpreis) bereits einen Ruf als herausragender Filmregisseur machen können. Die Internationale Co-Produktion „Stille Sehnsucht - Warchild“ wurde bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises 2006 mit einem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Auf dem renommierten 30. „World Film Festival“ in Montréal erhielt der Film den Preis für das beste Drehbuch und auf dem „Festival Slovenischer Film“ den Publikumspreis.

AVIVA-Tipp: Unaufdringlich verfilmt und umso mehr tief bewegend. Das leise, teils wehmütige, teils wütend-hoffnungsvolle „Aida“, das Senada immer flüstert, wenn sie einen neuen, lang ersehnten Hinweis auf ihre Tochter findet, wird niemand so schnell wieder vergessen können.

Stille Sehnsucht – Warchild
Deutschland 2005; 103 Minuten
Regie: Christian Wagner
DarstellerInnen: Labina Mitevska, Senad Basic, Crescentia Dünsser, Otto Kukla, Katrin Sass
Verleih: Movienet Filmverleih
Startdatum: 09.11.2006

www.stille-sehnsucht-warchild.de




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Beitrag vom 09.11.2006

AVIVA-Redaktion