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Beitrag vom 04.02.2016
Suffragette. Taten statt Worte. Ein Film von Sarah Gavron. DVD- und Blu-ray-Release: 16. Juni 2016
Yvonne de Andrés
In ihrer Radikalisierung riskierten sie, alles zu verlieren – ihre Arbeit, ihr Heim, ihre Kinder und ihr Leben. Maud war eine dieser mutigen Frauen. Der Film um die "Women´s Social and Political Union" erzählt die Geschichte des Kampfes um Würde und Selbstbestimmung.
Feuchtkalt, nass und laut ist es in der Wäscherei im Londoner East End 1912, in der die 24jährige Maud Watts (Carey Mulligan) arbeitet. Seit sieben Jahren ist sie hier. Verletzungen, sexuelle Übergriffe und Krankheiten sind an der Tagesordnung. Ihr Boss Taylor ist ein durchschnittlicher Arbeitgeber. 17 Schilling die Woche erhalten die Frauen, 19 Schilling die Männer. Mit ihrem Mann, der ebenfalls in der Wäscherei arbeitet, und ihrem kleinen Sohn George kommen sie finanziell gerade so über die Runden. Zufällig erlebt Maud den Anschlag der Suffragetten auf die Schaufenster eines Kaufhauses. Dabei entdeckt Maud Violet (Anne-Marie Duff), eine Kollegin aus der Wäscherei. Violet macht aus ihrer politischen Haltung keinen Hehl und weckt so die Neugier und das Interesse von Maud. Sie begegnet der engagierten Apothekerin Edith (Helena Bonham Carter), die sich für arme und mittellose Fraueneinsetzt und bei der die konspirativen Treffen der Suffragetten stattfinden. Ihre Leidenschaft entflammt vollständig für die Emanzipation der Frauen, als sie Alice (Romola Garai) aus der Oberschicht kennenlernt. Alice ermuntert die Arbeiterinnen, im Parlament vor dem Ministerpräsidenten David Lloyd George (Adrian Schiller) die skandalösen Arbeitsbedingungen in der Wäscherei vorzutragen. Maud wird zum ersten Mal gefragt. Zum ersten Mal wird ihr zugehört. Erstmalig wird ihr bewusst, dass sie Rechte hat. Ab jetzt will sie ihr Schicksal in die Hand nehmen.
Die Politiker, sichtlich gerührt, versprechen ihr, dass ihr Bericht im Parlament berücksichtigt wird, wenn wieder über das Frauenwahlrecht verhandelt wird. Ein paar Monate später die Enttäuschung. Es geht nicht voran. Es gibt doch noch kein Wahlrecht für Frauen. Der stille Protest hat ausgedient. Die Suffragetten radikalisieren sich, da sie lange mit Versprechungen hingehalten wurden. Brutal unterdrückt die Polizei die Proteste. Haft, Repression und Zwangsernährung sind die Antworten des im männlichen Rollenverhalten stagnierten Establishments. Maud ist auch dabei. Die demonstrierenden Suffragetten werden geschlagen und wandern ins Gefängnis. Ein gefährliches Katz und Maus-Spiel mit der Polizei beginnt. Bei dem Maud ihren Mann und ihren Sohn George verliert. Mauds Mann macht ihr klar, was für eine Schande sie über die Familie gebracht hat und dass sie keine Rechte hat. Umso entschlossener schließt sich Maud der Sache der Suffragetten an und scheut keine militanten Aktionen. Taten statt Worte lautet die Parole.
Die Kommunikation kommt zum Erliegen. Telegrafendrähte werden durchtrennt, Briefkästen in die Luft gejagt, und auch ein Anschlag wird auf das leerstehende Landhaus von David Lloyd George verübt. Maud verliert im Kampf um ihre Rechte ihre Familie, ihren Arbeitsplatz, ihr Zuhause, gewinnt dafür aber ihre Schwestern im Geiste als neue Familie.
Die Wendung bringt die Suffragetten-Aktion beim Derby von Epsom, einem Großereignis der feinen Gesellschaft, in dem sich die Suffragette Emily (Natalie Press) dem Pferd des Königs in den Weg stellt und dabei umkommt. In ihrer Jacke fand man das Transparent mit der Aufschrift "Votes for Women". Somit schafften es die Suffragetten, den Kampf für die allgemeine Gleichstellung und das Frauenwahlrecht auf die öffentliche Agenda zu setzen. Langsam wendete sich das Blatt. Meryl Streep, die in diesem Film die Rolle der Emmeline Pankhurst spielt, meinte zu dem Film: "Jede Tochter sollte diese Geschichte kennen, jeder Sohn sollte sie in seinem Herzen tragen."
AVIVA-Tipp: Der Film ist kein nostalgischer Kostümschinken, sondern eine beeindruckend leidenschaftliche, feministische Emanzipationsgeschichte – die Geschichte der Suffragetten. Aus der Sicht der fiktiven Figur Maud wird die Geschichte erzählt, wie die britischen Frauen vor über hundert Jahren das Wahlrecht erkämpft haben. Ein Film, der wachrüttelt, ohne zu dramatisieren, und der uns vor Augen hält, wie schwierig der Kampf war und ist. Sehr sehenswert. Zu Recht ist der Film von der Deutsche Film- und Medienwertung mit dem Prädikat besonders wertvoll ausgezeichnet. Für mich schwang die Frage mit, wofür gehen wir heute auf die Straße?
Zur Regisseurin: Sarah Gavron Die junge britische Filmemacherin ist gleich von Anbeginn ihrer Karriere mit wichtigen Filmpreisen ausgezeichnet worden. Für ihr Kinolangspielfilmdebüt "Brick Lane" (2007) wurde sie bei den BAFTA®s und BIFAS (British Independet Film Award) nominiert und gewann den Alfred Dunhill Talent Award. Filmografie: "Suffragette" (2015), "Brick Lane" (2007) und "Frühgeboren" (2003).
Suffragette – Taten statt Worte
2016
Regie: Sarah Gavron
Buch: Abi Morgan
Mit Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Brendan Gleeson, Anne-Marie Duff, Meryl Streep, Ben Whishaw, Romola Garai u.a.
Kamera: Edu Grau
Verleih: Concorde
Bonusmaterial: Making-of, Audiokommentar der Regisseurin Sarah Gavron und Drehbuchautorin Abi Morgan, Deutsche und Original-Kinotrailer, Programmtipps, Wendecover
Allgemeine Angaben DVD
Laufzeit DVD: ca. 102 Minuten + ca. 4 Minuten Bonus
Laufzeit: BD ca. 106 Minuten + ca. 4 Minuten Bonus
DVD- und Blu-ray-Release: 16. Juni 2016
Mehr Infos und der Trailer unter:
www.suffragette-film.de und www.facebook.com
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Die Suffragetten. Sie wollten wählen - und wurden ausgelacht. Herausgegeben von Antonia Meiners, erschienen im Die Suffragetten. Sie wollten wählen - und wurden ausgelacht. Herausgegeben von Antonia Meiners, erschienen im Januar 2016 im Elisabeth Sandmann Verlag.
Vor fast 100 Jahren haben sich die Suffragetten, wie sie despektierlich genannt wurden, aufgelehnt gegen unwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen. Sie forderten für alle Frauen das uneingeschränkte Wahlrecht, sie wurden dafür verspottet, gedemütigt und verhaftet. Diese Frauen hatten Mut, Kampfgeist und eine klare Vorstellung von nicht verhandelbaren Werten. Das macht ihr Handeln so aktuell. (2016)
We want Sex
Ende der sechziger Jahre streikten in England beinahe täglich Arbeiter für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Aber 1968 waren es zum ersten Mal Arbeiterinnen, die ihre Fabrik verließen und mit Transparenten nach London marschierten. Ein filmisches Denkmal von Nigel Cole, gewidmet den wunderbaren Frauen von Dagenham und einem Meilenstein der feministischen Geschichte.
Ein Überblick über die aktuell laufenden Petitionen zum Thema Frauenbewegung und Frauenrechte befindet sich unter: www.change.org. TERRE DES FEMMES hat eine Unterschriftenaktion zum Thema "Frühehen stoppen – Bildung statt Heirat!" gestartet. Die Frauenrechtsorganisation fordert die Bundesregierung auf, das gesetzliche Mindestheiratsalter auf 18 Jahre ohne Ausnahme festzulegen.