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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 29.06.2019


Geheimnis eines Lebens. Ab 4. Juli 2019 im Kino
Saskia Balser

Oscarpreisträgerin Judi Dench verkörpert in diesem biografischen Thriller die britische Spionin Joan Stanley. Die Figur ist angelehnt an Melita Norwood (1912-2005), die als "granny spy" in die Geschichte einging. Als Vorlage für das Filmskript diente der Journalistin und Drehbuchautorin Lindsay Shapero...




... der 2014 erschienene Roman "Red Joan" von Jennie Rooney.

Es ist ein gewöhnlicher, ruhiger Tag in einer grauen Vorstadt, an dem die Rentnerin Joan Stanley von einem Besuch des MI5, des britischen Geheimdiensts, überrascht wird. Ihr wird vorgeworfen, jahrzehntelang für den russischen KGB gearbeitet und Staatsgeheimnisse weitergegeben zu haben. Die 85-jährige Joan wird von den Beamt*innen verhört: Von nun an wird retrospektiv erzählt, was damals, als Joan Studentin in Cambridge war, passiert ist.

"Meine kleine hübsche Genossin"

Die junge Joan (gespielt von Sophie Cookson) ist eine gewissenhafte Physik-Studentin, die mit Politik nicht viel zu tun hat, bis sie sich in den charismatischen Kommunisten Leo Galich verliebt und seine "hübsche kleine Genossin" wird, wie er sie immer nennt. Von ihm und seinen Freund*innen wird sie zu politischen Aktionen angeregt.

Als sie wenig später, während des Zweiten Weltkriegs, für ein geheimes Nuklear-Forschungsprojekt arbeitet, tritt ein neuer Mann in ihr Leben: der Professor Max Davis, mit dem sie fortan zusammenarbeitet und bald eine Beziehung eingeht. Obwohl Joans Liebesleben im Film mehrfach thematisiert wird, steht ihr Intellekt im Vordergrund. Als Physikgenie wird sie jedoch nicht von allen Kollegen und Vorgesetzten um sie herum wahrgenommen und akzeptiert. In mehreren Szenen äußert sich die sexistische Haltung ihrer Kollegen sowohl durch unangebrachte Sprüche als auch durch ein aktives Ignorieren ihrer Person und ihrer Fähigkeiten – Regelmäßig wird sie ausschließlich als Assistentin betrachtet.

Dass Frauen insbesondere in den Naturwissenschaften nicht genug gewürdigt und ihre Erfolge nicht anerkannt werden, war auch Thema im Film Hidden Figures. Erzählt wurde die Geschichte dreier afroamerikanischer Mathematikerinnen, die Anfang der 60er maßgeblich am Erfolg der ersten NASA-Missionen beteiligt waren, doch dafür keine öffentliche Anerkennung erhielten. Zudem mussten sie gegen die täglichen Einschränkungen und Herabwürdigungen kämpfen, die sie zur Zeit der Rassentrennung in Amerika erfuhren.

Das Ungleichgewicht in der Sichtbarkeit der Leistungen und die Umsetzung in "Geheimnis eines Lebens" kommentiert Produzent David Parfitt: "Das ist ein durchgängiges Thema in unserem Film: dass Frauen damals in den Hintergrund verbannt wurden. Man betrachtete sie als unwichtig und ignorierte sie, weswegen sie geradezu schattenhafte Existenzen führten, die es ihnen letztlich recht leicht machten, in Spionage oder ähnliches involviert zu sein."
Parfitt fährt fort: "Ich habe wirklich bemerkenswerte Dinge über die damalige Zeit erfahren. Beispielsweise wusste ich nicht, dass es in Cambridge dieses wunderschöne Newnham College voller brillanter Frauen gab, die bei ihrem Abschluss nur ein Zertifikat statt, wie die Männer, ein echtes Diplom bekamen. Und diese Praxis wurde auch noch nach dem Krieg beibehalten!"

"Ich habe versucht Leben zu retten."

Während ihrer Arbeit mit Professor David übermittelte Joan streng geheime Akten zur britischen Atombombenforschung an die Sowjetunion, die die Bombe daraufhin nachbauen konnte. Dass diese Tat nicht Naivität und romantischen Gefühlen, sondern ihrem Sinn für Frieden und Gerechtigkeit entsprang, erklärte Joan nach ihrer Festnahme ihrem Sohn gegenüber. Er hatte von der kriminellen Vergangenheit seiner Mutter nichts gewusst und war schockiert über ihren "Verrat". Joans Begründung: Sie habe darauf gehofft, dass, wenn beide Kriegsparteien im Besitz der die Bombe seien, keine von beiden sie einsetzen werde.
Die echte Melita Norwood verkündete im Jahr 1999 nach ihrer Enttarnung: "Ich tat es nicht um Geld zu verdienen, sondern um die Vernichtung einer neuen Gesellschaft zu verhindern, die unter großer Mühe ganz normalen Menschen Nahrung, eine gute Ausbildung und ein Gesundheitssystem verschafft hat."

In erdigen Farben fängt Kameramann Zac Nicholson die Zeit der 1930er Jahre in Cambridge authentisch ein, die in den Flashback-Szenen zu sehen ist. Diese dominieren den Film und werden lediglich umrahmt von der "aktuellen" Handlung. Deshalb ist Judi Dench nicht ganz so oft im Bild, wie es sich manche Fans vielleicht erhoffen. Doch insbesondere die Schlussszene, in der Joan ihre Motive und ihr Handeln verteidigt, offenbart die große Schauspielkunst der Judi Dench, die zuletzt in dem Remake von "Mord im Orient Express" zu sehen war. Joans emotionale Rede vor ihrer Familie, der Polizei und der Presse, in der Dench die ausdrucksstarke Umsetzung ambivalenter Gefühle anschaulich darstellt, bildet den Höhepunkt des Films.

AVIVA-Tipp: Der Spionagethriller überzeugt durch seine ruhige und dennoch spannungsreiche Entwicklung und durch die beiden Hauptdarstellerinnen, die die beiden Versionen von Joan authentisch verkörpern. Zudem gelingt es "Geheimnis eines Lebens", Joans moralisches Dilemma an die Zuschauer*innen zu vermitteln. Sie alle werden sich beim Verlassen des Kinosaals die Frage stellen: War Joan Stanley eine Verräterin oder eine Heldin?

Zum Regisseur: Sir Trevor Nunn ist ein britischer Theater- und Filmregisseur. Als jüngster künstlerischer Leiter überhaupt leitete Trevor Nunn von 1968 bis 1986 die legendäre Royal Shakespeare Academy und von 1997 bis 2003 das National Theatre. Zu seinen Kinofilmen gehören Hedda (Hedda, 1974) (wofür Glenda Jackson eine Oscar®-Nominierung erhielt), Lady Jane – Königin für neun Tage (Lady Jane, 1986) und Was ihr wollt (Twelfth Night, 1996). Im Jahr 2002 wurde er von der Königin zum Sir geadelt.

Zu den Hauptdarstellerinnen: Judi Dench , geboren am 9. Dezember 1934 in York, ist eine britische Schauspielerin, die in zahlreichen Theater, Kino- und Fernsehproduktionen mitwirkte. Sie steht seit über 60 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera und gewann 1999 einen Oscar für ihre Darstellung der Elisabeth I. in "Shakespeare in Love". 2016 wurde sie mit einem Laurence Olivier Award für ihre Rolle der Paulina in Shakespeares "Ein Wintermärchen" geehrt.
Die britische Film- und Theaterschauspielerin Sophie Cookson wurde bekannt durch ihre Darstellung der Geheimagentin Roxy Morton in dem Spionagefilm "Kingsman: The Secret Service" von 2014 und dessen Fortsetzung "The Golden Circle" von 2017. Im Jahr 2018 stand sie neben Orlando Bloom in "Killer Joe" auf der Bühne der Trafalgar Studios in London.

Zur Drehbuchautorin: Lindsay Shapero war zunächst als Journalistin tätig, bevor sie für Sender wie MTV und BBC an Non-Fiction-Produktionen für das Fernsehen arbeitete. Gleich für ihr erstes Spielfilm-Drehbuch "Bitten by a Zebra" erhielt sie den Oscar Moore Screening Writing Prize. Anschließend schrieb sie das Skript für das BAFTA-nominierte TV-Biopic "Enid" mit Helena Bonham Carter, das mit dem International Emmy ausgezeichnet wurde. Sie war an den Drehbüchern zu zahlreichen Dokumentar-Projekten (darunter "Aufstand der Barbaren" und "Die Abenteuer des Robert Fortune") beteiligt und schrieb auch den TV-Film "Royal Wives at War". Aktuell sind unter anderem Projekte für die Produktionsfirma Bedlam sowie Pathé Films in Arbeit.

Zur Autorin der Romanvorlage: Jennie Rooney geboren 1980 in Liverpool, studierte Geschichte an der Universität in Cambridge und lehrte Englisch in Frankreich. Sie hat mehrere Romane veröffentlicht, unter anderem "Red Joan" im Jahr 2013, das die Vorlage für den Kinofilm "Geheimnis eines Lebens" bildet. Die deutsche Erstausgabe erschien am 18. Juni 2019 im Goldmann Verlag.

Melita Norwood: geboren 1912 in Südwest-England, war eine britische Sekretärin, die über 40 Jahre lang für das NKWD, die GPU, das MGB (sowjetisches Ministerium für Staatssicherheit) und das KGB spioniert hat. Sie übermittelte Akten der als "Tube Alloys" bekannten Atombombenforschung an die Sowjetunion und gehörte damit zu den wertvollsten Agent*innen des KGB zur Zeit des Kalten Krieges.

Geheimnis eines Lebens
Originaltitel: Red Joan
UK, 2019
Regie: Trevor Nunn
Drehbuch: Lindsay Shapero
Besetzung:
Joan Stanley, alt – Judi Dench
Joan Stanley, jung – Sophie Cookson
Max – Stephen Campbell Moore
Leo – Tom Hughes
Sonya – Tereza Srbova
Nick – Ben Miles
William Mitchell – Freddie Gaminara
Kamera: Zac Nicholson
Schnitt: Kristina Hetherington
Produktionsdesign: Christina Casali
Musik: George Fenton
Kostümdesign: Charlotte Walter
Haar- und Makeup-Design: Sallie Jaye
Produktion: David Parfitt
Koproduktion: Ivan Mactaggart, Alice Dawson
Verleih: Entertainment One Germany GmbH
Länge: 102 min.
Kinostart: 4. Juli 2019

Mehr Infos zum Film und der Trailer unter: www.geheimniseineslebens-derfilm.de
www.youtube.com und www.facebook.com




(Quelle: Presseheft des Verleihs Entertainment One)


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Beitrag vom 29.06.2019

AVIVA-Redaktion