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Beitrag vom 17.10.2012
Alice Francis - St. James Ballroom
Lisa Erdmann
Mit ihrer herausragenden Stimme und ihrem 1920er Jahre Charleston-Swing schnurrt, neckt und spielt diese Frau geschmeidiger als eine Katze mit ihrer Hörerin. Alice Francis ist zweifellos die...
... Entdeckung des Jahres und sollte unbedingt gehört werden!
Diese Frau rollt den wilden Zwanzigern einen roten Teppich direkt ins 21. Jahrhundert aus. Dabei mischt sie altbekannte Elemente aus Swing, Charleston und Jazz treffsicher mit clubtauglichen Electro- und HipHop-Grooves. Was gelesen nach Retro und Abklatsch riecht, klingt gehört nach einem Phänomen, das ihresgleichen sucht. Denn Alice Francis gelingt, was nur wenige NewcomerInnen zuvor geschafft haben: sie präsentiert ihren HörerInnen ein Debutalbum, das trotz Vintage-Charakter nach etwas klingt, dass noch nie dagewesen ist.
Ist dieser Silberling erst einmal in der heimischen Musikanlage gelandet, will er da so schnell auch nicht mehr raus. Dass die Stimme hinter den Boxen einer Kölnerin mit rumänisch-tansanischer Abstammung gehört, mag frau dabei kaum glauben. Denn "Miss Flapperty", wie sich Francis gern nennt, swingt und groovt in einer Südstaatenmanier, die unweigerlich an das Talent einer Josephine Baker erinnert.
Neben den epochemachenden Modetänzen der Roaring Twenties hat die Sängerin ein hörbares zweites Zuhause im HipHop. Alice Francis kann daher nicht nur lasziv schnurren und kokettieren, sondern auch bravourös scatten und rappen.
Produzent Martin Gruca alias Goldielocks schneiderte der Kölnerin aus all diesem Talenten ein Kostüm, das sich in den Sparten des Electro Swings oder Neo Charlestons wahrscheinlich am wohlsten fühlt. Generell kommt frau bei dieser Künstlerin jedoch am Besten ohne jegliche Etikettierung aus. Hörgenuss braucht schließlich keine Kategorie. Außerdem wird bereits beim Intro und dem darauf folgenden, titelgebenden Stück "St. James Ballroom" hörbar, wohin die Reise auf diesem Longplayer geht. Mit den Worten "Once upon a time in the rivers of the Mississippi..." lässt sich die exaltierte Gesangsakrobatin ankündigen und pustet alle Zweifel mit einer kurzen Scat-Einlage aus dem Raum. Die darauffolgende erste Single "Shoot Him Down" schließt sich (nach kurzem Interlude) mit treibenden Drums und einer Stimme, die gekonnt zwischen zartem Schmachten und wütendem Knurren pendelt, nahtlos an.
In aktuellere Gefilde taucht das Album bei Titeln wie "Sista" und "Get A Wiggle On". Hier scheint neben souligem Clapping, poppigen Grooves und selbstbewussten Rap-Einlagen auch Francis` Vorbild Beyoncé Knowles nicht mehr weit entfernt. Vor allem in den HörerInnen-Verführungstechniken scheinen sich diese beiden Künstlerinnen erstaunlich nahe zu stehen. Auch der Titel "Kiss My Ass" zählt dank provokanter Hook ("if you want to kiss me you can kiss my ass, and all you won`t regret because my ass is the best") zu den absoluten Highlights dieses Longplayers.
AVIVA-Tipp: Alice Francis zieht alle Stimmband-Register und begeistert mit einem Erstlingswerk, das trügerisch professionell nach viel Showerfahrung klingt, ohne altklug und überkandidelt zu wirken. Fazit: Frau kriegt einfach nicht genug vom kölnischen neuen alten Electro Swing.
Alice Francis
St. James Ballroom
Label: Universal Music, VÖ: September 2012
Alice Francis im Netz: www.alice-francis.de
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