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Beitrag vom 26.03.2013
Ein freudiges Ereignis. Ein Film mit Louise Bourgoin. Kinostart: 04. April 2013
Julia Lorenz
Hurra, wir werden Eltern! Während Familie und Bekannte wahlweise in Begeisterungstürme ausbrechen, mit Unverständnis reagieren, in jedem Fall aber alles besser wissen, hinterfragen Barbara und...
...Nicolas Erwartungen und Realität.
In sich ruhend und souverän, den Platz in der bilingualen Kita bereits seit Monaten im Petto und die Unterstützung von Verwandten und FreundInnen im Rücken, stürzt sich das junge Paar ins Abenteuer Elternschaft. Die häuslichen Pflichten werden selbstverständlich aufgeteilt und mit dem Macbook auf dem Schoß arbeitet es sich auch zwischen Windeln und Babynahrung aus dem Reformhaus hervorragend an diesem neuen Projekt, das sie vor einem halben Jahr gestartet hat.
Noch schnell die letzten Mails beantwortet und einen Power-Walk mit Kinderwagen eingelegt, bevor die Mädels aus der Yogagruppe vorbeikommen, und - Cut! Die Werbepause ist zu Ende.
Was folgt, ist die Realität. Und die holt Philosophiestudentin Barbara (Louise Bourgoin) und ihren Freund Nicolas (Pio Marmai) in Rémi Bezancons "freudigem Ereignis" schneller ein als gedacht. Dabei hätte ihre Liebesgeschichte nicht filmreifer beginnen können: Bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen in einem Videoverleih funkt es zwischen den beiden, nach wenigen Dates sind sie ein Paar. Im Überschwang der Gefühle beschließt das ungleiche Gespann, ihre Liebe mit einem gemeinsamen Kind zu krönen. Bald darauf ist Barbara schwanger - und die Probleme beginnen. "Dafür habe ich 1970 nicht meinen BH verbrannt!" wettert Barbaras Mutter, als sie von der Schwangerschaft erfährt. Claire (Josiane Balasko), eine Feministin der alten Schule, kann nicht nachvollziehen, warum ihre Tochter die bevorstehende Promotion für ein Kind aufs Spiel setzt. Doch nicht nur Zweifel von außen, sondern auch interne Probleme kündigen sich an: Das Paar schwankt zwischen Vorfreude und Versagensangst und Nicolas muss seine geliebte, aber wenig ertragreiche Beschäftigung als Videothekar zugunsten eines Bürojobs aufgeben.
Die Geburt von Tochter Lea wird für Barbara zur emotionalen und körperlichen Grenzerfahrung: Trotz der Erfüllung, die sie dadurch erfährt, fragt sich die junge Mutter, warum sie niemand darauf vorbereitet hat, bei einer Entbindung "aufgerissen und wieder zugenäht" zu werden. Auch die Folgezeit entpuppt sich als Zerreißprobe für das junge Glück: Barbara geht einerseits völlig in der Betreuung ihres Kindes auf, fühlt sich aber zunehmend isoliert und auf die Mutterrolle reduziert. Ihre herbste Niederlage erfährt die Wissenschaftlerin aus Überzeugung schließlich, als die für sie vorgesehene Stelle an der Universität mit einem Mann besetzt wird. Frustration, Überforderung und der latente Selbstvorwurf, nicht das Abziehbild der perfekten Familie darzustellen, lassen Nicolas und Barbara immer weiter auseinanderdriften.
Mit den Problemen einer ungewollten Schwangerschaft durfte sich unter anderem bereits Ellen Page als minderjährige Juno herumschlagen. Doch während die Nöte eines Teenagers in anderen Umständen allerorts Verständnis und Empathie auf den Plan rufen, regt sich beim Gedanken an ein junges, harmonisches und zumindest nicht schlecht situiertes Paar, das mit seinem Wunschkind hadert, eher Widerwillen: Schließlich sollte doch bekannt sein, welche Konsequenzen die Elternschaft mit sich bringt. Doch genau diesem Vorurteil widmet sich "Ein freudiges Ereignis": Obwohl Barbara und Nicolas finanziell für den Nachwuchs aufrüsten und von Buggy-Kauf bis Kinderzimmergestaltung alle nötigen Vorkehrungen treffen, sind die unvorhergesehenen Folgen von Leas Geburt ein Nackenschlag für das junge Paar.
Das Sexualleben liegt brach, ihr liebevolles Miteinander fällt Ermüdung und zunehmender Alltagshektik zum Opfer. Kleine "Eskapaden" wie eine durchzechte Partynacht verlangen plötzlich nach Rechtfertigungen, Barbaras Hormone lassen sie ihre vegetarischen Grundsätze vergessen und Freigeist Nicolas wirkt in seiner Bürokluft bis zum Schluss wie verkleidet - wo ist das unkonventionelle Paar, wo die idealistische Studentin, die zwischen Kant und Heidegger lässig Kneipenabende mit ihren FreundInnen einlegt?
Nicht nur die Karriere, sondern auch ein erfüllendes Sozialleben wollen moderne Eltern mit der Familie vereinbaren. Wohlstand, Freunde und Kinder - seht her, die Heidi Klums und Christina Schröders dieser Welt bekommen das doch prima hin. Und die Frisur sitzt. Wer jene realitätsfernen, medienwirksamen Inszenierungen noch nicht zu stark verinnerlicht und zur persönlichen Maxime erhoben hat, dürfte sich bestens mit Barbara und Nicolas identifizieren können: Weder Vorzeigepaar noch tragische Liebende, sondern einfach zwei junge Menschen, die zusammen unbekanntes Terrain betreten. Ehrlich, sensibel und mit schwarzem Humor begleitet Regisseur Rémi Bezancon ihre ersten wackligen Gehversuche, den freien Fall und die Fortschritte. Das fantastische Ensemble - allen voran Louise Bourgoin, die ihre Rolle intensiv und wunderbar uneitel mit Leben füllt - beherrscht den Balanceakt zwischen leichter Komödie und ernsten Tönen.
AVIVA-Tipp: "Und, willst du jetzt noch Kinder?", dürfte sich so manch junge Zuschauerin nach dem Abspann gefragt haben. Ein berechtigter Gedanke: Ohne Melodramatik und Pessimismus, aber auch frei von Schönfärberei portraitiert "Ein freudiges Ereignis" eine Generation, deren alternative Lebensentwürfe mit einem gesicherten Familienleben schwer zu synthetisieren sind. Zweifellos unterstreicht Bezancon, wie viele Momente des Glücks, der Symbiose und Erfüllung die Elternschaft mit sich bringen kann - jedoch auch, wie stark sie die eigenen Pläne, Projekte und das Selbstbild beeinflusst.
Zum Regisseur: Rémi Bezancon wurde 1971 in Paris geboren. Nach seinem Studium an der Ecole Supérieure de Réalisation Audiovisuelle (ESRA) in Paris und der École du Louvre veröffentlichte er im Jahre 2005 seinen ersten Film "Ma vie en l´air", bevor er 2008 mit "C´est la vie - So sind wir, so ist das Leben" berühmt wurde. Der Film war 2009 für mehrere Césars nominiert und gewann drei der Awards.
Ein freudiges Ereignis
Frankreich 2011
Originaltitel: Un heureux événement
Filmlänge: 107 Minuten
DarstellerInnen: Louise Bourgoin, Pio Marmai, Josiane Balasko, Thierry Frémont, Gabrielle Lazure, Firmine Richard, Anais Croze, Daphné Bürki, Lannick Gautry
Drehbuch: Vanessa Portal, Rémi Bezancon
Romanvorlage: "Un heureux événement" von Éliette Abécassis
Kamera: Antoine Monod
Schnitt: Sophie Reine
Musik: Sinclair
ProduzentInnen: Isabelle Grellat, Eric Altmayer, Nicolas Altmayer
Ton: Marc Engels, Olivier Walczak, Emmanuel Croset
Verleih: Camino Filmverleih
Kinostart: 04. April 2013
Der Film im Netz: www.einfreudigesereignis-film.de
www.camino-film.com
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