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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 20.08.2009


Fräulein Stinnes fährt um die Welt - Ein Film von Erica von Moeller
»Nana« Nicole Wenger

Weiblich, ledig und jung – Clärenore Stinnes sucht die große Herausforderung. 1927 unternimmt sie mit dem schwedischen Kameramann Carl-Axel Söderström eine Weltreise der ganz besonderen Art ...




... Sie möchte als erste (Frau) die Erde mit einem Auto umrunden und begibt sich auf eine Expedition, deren glücklicher Ausgang mehr als fraglich ist.

Die Welt aus eigener Anschauung kennen lernen.

Die 26-jährige Industrieellentochter lässt sich weder von der Familie noch von der Gesellschaft der Zwanziger Jahre einschüchtern. Denn Fräulein Stinnes kennt keine Angst, kein Risiko erscheint ihr zu hoch, wenn es darum geht, ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen und zu ihrem Ziel zu gelangen. Schließlich hat sie bereits 17 Autorennen gewonnen - gegen Männer - und das in einer Zeit in der noch nicht einmal 5.000 Autos die deutschen Straßen bevölkern. Nein, Angst hat sie höchstens davor, aufgeben zu müssen.
Unterstützung kann sie allerdings bei ihrem Vorhaben nicht von ihrer Familie erwarten: Ihre Brüder verweigerten ihr schon nach dem Tod des Vaters eine Führungsposition im elterlichen Konzern und die Mutter erwartet von Clärenore eher eine wirtschaftlich-vorteilhafte Eheschließung und Sicherung der Nachkommenschaft als eine lebensbedrohliche Erdumrundung. Doch die zierliche Frau gibt nicht so leicht auf, und schnell sind SponsorInnen und UnterstützerInnen gefunden.

"Wer eine Reise tut, kann viel erzählen ob es wahr ist oder nicht."

Und so bricht Clärenore Stinnes (Sandra Hüller) am 25. Mai 1927 mit einem PKW, einem "Adler Standard 6", einem LKW, ausgestattet mit Winden, Stemmbalken, Drahtseilen, zwei Pistolen und drei Abendkleidern und einigen praktischen "Herren-" Anzügen zur Erdumrundung auf. Mit an Bord sind zwei Techniker und der schwedische Kameramann Carl-Axel Söderström (Bjarne Henriksen). Dieser hat zwar schon mit Filmgrößen wie Greta Garbo gedreht – eine Frau wie Clärenore ist ihm aber noch nie zuvor begegnet. Clärenore ist eine Frau, die selbst im Augenblick größter Entbehrungen, quälendem Hunger und Durst nie die Fassung verliert, nicht ins Jammern verfällt und sogar noch in der Lage ist, ihre Mitstreiter weiter voran zu treiben. Fräulein Stinnes hat ihr Ziel, rund 48. 000 Kilometer, stets im Auge und zieht im wahrsten Sinne des Wortes auch mal den Karren aus dem Dreck.
Doch trotz aller Bemühungen droht das Unternehmen zu scheitern. Der sibirische Winter, Kriege, unzählige Motorschäden, Überfälle und zerklüftete Wegstrecken zerren an den Kräften. Nachdem ein Techniker wegen Krankheit ausfällt und der andere dem Druck nicht mehr Stand hält und aufgibt, bleibt einzig Söderström an der Seite der Kämpferin. Ein langer Weg liegt noch vor ihnen ...

"Es reicht nicht unerforschte Gebiete zu bereisen oder nur das Vorhaben zu bewerkstelligen, es ist auch zu beweisen und zu dokumentieren!"

Die Regisseurin Erica von Moeller ("Hannah", "Im Augenblick", "Sainkho") stellt in ihrem gelungenem Doku-Spielfilm die Film- und Fotoaufnahmen Söderströms, die während der Reise rund um die Erde entstanden sind, in das Zentrum des Geschehens. Basierend auf Wochenschauberichten, (meist unveröffentlichten) Tagebuchaufzeichnungen und weiteren 1.400 Fotos Söderströms wirft sie einen differenzierten und liebevollen Blick auf die Geburtsstunden von (Ton-) Film und Technik, ohne den Fokus auf die unbeugsame Kämpferin Clärenore Stinnes zu verlieren.

"Der Film ist der Idealbeweis für erbrachte Leistungen." (Clärenore Stinnes, 1929.)

Carl-Axel Söderströms Dokumentarfilm "Im Auto durch zwei Welten", der während der Expedition entstand, wurde im Jahre 1931 erfolgreich in den deutschen Kinos gezeigt. Von Moellers Spielfilmpassagen stehen zu ihm in keinem Konkurrenzverhältnis. Vielmehr stellen sie eine wundervolle Ergänzung zu den Originalaufnahmen dar.
Mit viel Charme und Witz überzeugen die beiden HauptdarstellerInnen Sandra Hüller (Deutschland 09, "Requiem") und Bjarne Henriksen ("Das Fest", "Kommissarin Lund") in ihren Rollen als WelterforscherInnen.

AVIVA-Tipp: Erica von Moellers Film "Fräulein Stinnes fährt um die Welt" ist eine gelunge Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm. Fast unsichtbar verbinden sich die Originalaufnahmen Söderbergs mit den ergänzenden Spielfilmpassagen. Ein wirklich gelungener und spannender Film, der mit seinem brillanten Ton- und Schnittkonzept die ZuschauerInnen in seinen Bann zu ziehen vermag. Eine Hommage an eine außergewöhnliche Frau, die Liebe und den Film!

AVIVA-Hinweis: Auch die Wander-Ausstellung "Fräulein Stinnes fährt um die Welt", die ab dem 28. Juni 2009 bis 30. September 2009 im Technikmuseum Freudenberg, anschließend im Museum Wilnsdorf und im Frauenmuseum Wiesbaden, zu sehen ist, erzählt diese ungewöhnliche Abenteuer- und Liebesgeschichte. Schwerpunkt der Ausstellung ist das einzigartige Film- und Fotomaterial, das Carl-Axel Söderström während der Expedition rund um den Globus aufgenommen hat. Ergänzt werden diese durch Originalexponate wie Karten, Briefe und dem Original Filmauto "Adler 6 Standards". (Verleih-Informationen)

Weitere Informationen zum Film und der gleichnamigen Ausstellungfinden Sie im Netz unter:
www.fraeulein-stinnes.de
www.fraeulein-stinnes-ausstellung.de
Interview mit dem Sohn Ulf Söderström
Zum Filmauto "Adler 6 Standards" und zur Restaurierung
www.realfictionfilme.de

Fräulein Stinnes fährt um die Welt
Ein Film von Erica von Moeller
D 2008, 90 Minuten
Regie: Erica von Moeller
Drehbuch: Sönke Lars Neuwöhner
Mit: Sandra Hüller, Bjarne Henriksen, Martin Brambach, Andreas Schlager, Robert Beyer, Stefan Rudolf, Li Hagman, Mark Zak, Yu Fang
Kamera: Sophie Maintigneux
Kostüme: Barbara Kökenhoff
Maske: Monika Münnich
Ton: Andreas Wölki
Redaktion WDR: Jutta Krug
eine taglicht media Film- und Fernsehproduktion GmbH, in Koproduktion mit dem WDR
Produktion gefördert von der Filmstiftung NRW und dem Deutschen Filmförderfonds (DFFF)
Entwicklung gefördert durch das MEDIA Slate Funding der Europäischen Kommission
Kinostart: 20. August 2009



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Beitrag vom 20.08.2009

AVIVA-Redaktion