JEWISH MONKEYS - High Words - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur Music



AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 17.06.2017


JEWISH MONKEYS - High Words
Sharon Adler

Ende April 2017 erschien das neue Album der berühmt-berüchtigten Kultband mit den grandiosen satirischen Texten und den mitreißenden Beats. Die Alten Kacker, slicha, obercoolen Jungs sind: Assaf Pariente (Vocals), Jossi Reich (Vocals), Gael Zaidner (Vocals), Ran Bagno (Akkordeon), Omer Hershman (Gitarre), Moran Baron (Posaune), Yoli Baum (Bass) und Henry Vered (Schlagzeug).




Die ersten musikalischen Aktivitäten unternahmen Bandgründer Roni Boiko und Jossi Reich in den 1970er Jahren in der größten Synagoge in Frankfurt am Main, der Westend-Synagoge. Als einzige der ehemals vier Frankfurter großen Synagogen in hat die 1910 eingeweihte Synagoge an der Freiherr-vom-Stein-Straße, obwohl schwer beschädigt, das Novemberpogrom 1938 und die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs überstanden. Dort - im Knabenchor - legten Roni und Jossi den Grundstein für ihre nunmehr mehrere Jahrzehnte andauernde Zusammenarbeit und Freundschaft. Seitdem hat sich das Duo von einst einen kometenhaften Aufstieg erspielt, der längst über die Kuppel der Synagoge hinaus wirkt. Ihre enthusiastische Fangemeinde findet sich in allen Teilen der Republik, und darüberhinaus in Israel, wo die ehemaligen Chorknaben inzwischen leben.

Hier trafen sie mit Gael Zaidner auf einen ähnlich Verrückten. Mit Hilfe des renommierten Theater-, Ballett- und Filmmusikkomponisten Ran Bagno (Akkordeon, Keyboards) fassten sie ihre Ideen in Musik. Andere Musiker, u.a. von der Middle-Eastern-Surfband Boom Pam, halfen ein Album einzuspielen, das international von der Presse mit hymnischen Kritiken gefeiert wurde: Mania Regressia verrät schon im Titel, wohin die musikalische Reise der Band geht. Mit an Bord kam der Bassist und Betreiber des Tel Aviver Underground-Clubs Tahat, Yoli Baum, der dann eine Liveband aufbaute.

In der aktuellen Formation sitzt Henry "The Rose" Vered am Schlagzeug, der im Hardrock wie auch im Jazz zuhause ist. Gitarrist Omer Hershman, ein angesehener Produzent sowie Mitglied der Indieband Panic Ensemble, macht mit seiner Gitarre schon seit jeher rockige Zirkus- und Kabarettmusik. Ebenfalls für Power steht Posaunist Moran Baron, der wegen seiner Vielseitigkeit - von Jazz bis Funk – auf den Alben der wichtigsten israelischen Rock- und Pop-Ensembles vertreten ist.


A wacky burlesque punky Rock band
Yiddish music meets the Marx Brothers



Die Jewish Monkeys sind Meister im Spiel mit Identitäten, Ritter des Absurden, Musiker und Komödianten. Gerne brechen sie ethnisch-religiöse Tabus und holen zu satirischen Befreiungsschlägen aus. Ihre neo-jiddische Klangfusion pendelt zwischen zirkushaftem Chanson und punkig-energetischem Pop, ihre Sprache zwischen Englisch und Jiddisch. Ihr Publikum bringen sie so gut wie immer zum Tanzen: ob syrische Flüchtlinge im Dresdner Übergangslager oder Anti-Pegida-Demonstrant_innen, ob in deutschen, dänischen, israelischen, tschechischen, französischen oder East Londoner Clubs.

Sie machen keine Witze auf Kosten anderer, sondern sehen sich in einer Linie mit den großen jüdischen Komödianten, die die hohe Kunst des sich selbst auf die Schippe Nehmens beherrschten. Sie erinnern an die Marx Brothers und deren Faible für absurd-aggressive Komik.

Auch im Deutschland der Weimarer Republik war jüdische Komik auf Schellackplatten oder im Kabarett populär, darunter die Melodien des jüdisch-russischen Komponisten Mischa Spoliansky, der mit seinen Songs für Anita Berber, mit Revuen und Revue-Operetten Star der Unterhaltungsbranche seiner Zeit war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Künstlerinnen und Künstler nahm Mickey Katz ("The Most Mishige" und Vorbild von Entertainern wie Mel Brooks, Jerry Lewis, Woody Allen und später Jerry Seinfeld und Larry David) mit prägnantem Akzent und seinen ´jinglishen´ Schlagerparodien die Assimilierungsbestrebungen amerikanischer Juden aufs Korn.

"I wonder if I´m human
Or if I´m animal
I wonder if my funeral will be a carnival

I wonder why this chicken sandwich taste so fucking good
I wonder why we kill so many animals for food"


Die englischsprachigen Texte ihres Albums setzen sich mit Gier nach Erdöl, Klimaerwärmung, prügelnden Vätern oder obsessiver Reinlichkeitssucht auseinander. Die Jewish Monkeys besingen allzu männliche Frustrations-Phantasien im Angesicht eines spießigen Wochenend-Grillnachmittags im häuslichen Garten des langweiligen Vororts oder karikieren wie im allerersten Jewish Monkeys-Song "Hava Nagila vs. Banana Boat" den Streit zwischen Juden und Arabern um das eine, einzige Heilige Land.

Auf ihrem neuen Album sind mindestens zwei hitverdächtige Stücke zu finden, darunter der Song "Alte Kacker", der zynisch-trocken und mitleidlos-selbstbemitleidend auf die Beschwerlichkeit des Alterns anspielt und uns dabei, "Alte Kacker" skandierend wild herumhüpfen lässt. Der Song "High Words" ist eine wütende Anklage, gerichtet an korrupte Politiker unserer Zeit.

Ihre jiddischen Lieder sind voller Chuzpe und Sozialkritik zugleich. Balkan-Klezmer-Rock-Punk vom Allerfeinsten. Mühelos bewegen sich die JEWISH MONKEYS zwischen Stilen, Traditionen und Moderne.

"We are the Jewish Monkeys, we are anxious
We are the Jewish Monkeys, we are pretentious
We are Darwin´s final delusion
We are the Jewish missing link of evolution"


Auf die Frage: Was soll das mit diesem nicht leicht zu verdauenden Band-Namen, der in einigen arabischen Ländern gar als arges Schimpfwort im Umlauf ist? Da zucken die Monkeys nur mit den Achseln: "Wir Juden dürfen das! Dass wir uns trauen, politisch unkorrekt zu sein und uns selber als Juden verarschen ist seit jeher unser Überlebensrecht gewesen. Aber am Ende suchen wir das Gemeinsame und nicht das Trennende. Wir wollen Gräben einreißen und Brücken bauen – deshalb auch unsere große Freude, für Menschen aus Syrien oder Afghanistan zu spielen."

AVIVA-Tipp: Kein Superlativ zu enthusiastisch, keine Lobhudelei auf das Album der JEWISH MONKEYS zu hoch. "High Words" übertrifft alle Erwartungen, macht Spaß, und Lust auf die Revolution auf den jewish Dancefloors dieser Welt. Kadima, alte Kacker!

JEWISH MONKEYS
High Words

VÖ: 28.04.2017
Label: Greedy for Best Music
Vertrieb CD und LP: Indigo
Vertrieb digital: Believe
Katalognummern: GBM 003
EAN CD: 4015698010671
Labelcode: 13406
Mit Collagen von Naomi Shalev

Die Band: Assaf Pariente: Vocals // Jossi Reich: Vocals // Gael Zaidner: Vocals // Ran Bagno: Akkordeon // Omer Hershman: Gitarre // Moran Baron: Posaune // Yoli Baum: Bass // Henry Vered: Schlagzeug

Tourdaten:

14.07.2017 Düsseldorf / Asphalt Festival
12.08.2017 HU-Budapest // Sziget Festival
19.08.2017 I-Ariano // Ariano Folkfestival
23.09.2017 Ottersberg // Kukuc
24.09.2017 Emsdetten // Stadtfest
02.10.2017 Reutlingen // Franz K
17.11.2017 München / Jüdische Kulturtage

Videos, Sounds, Liedtexte, Presse, Gerüchte:

www.jewishmonkeys.com und www.facebook.com/JewishMonkeys


Weiterhören auf AVIVA-Berlin:

Jonas Engelmann - Wurzellose Kosmopoliten. Von Luftmenschen, Golems und jüdischer Popkultur
Jonas Engelmanns Interesse gilt der Verarbeitung von existentiellen Verfolgungserfahrungen und diskriminierenden Zuschreibungen als Konstanten der jüdischen Kulturgeschichte. Entlang geographischer und künstlerischer Fluchtlinien versammelt er in seiner schmalen Publikation ein breites, generationsübergreifendes Spektrum jüdischer Persönlichkeiten, die bei aller Unterschiedlichkeit ihres Schaffens in Musik, Literatur und Malerei einen essentiellen Aspekt sicherlich teilen: das Ringen mit einer Identität, bei der es oft um die Frage von Leben und Tod gegangen ist. (2016)

Shantel & Oz Almog - Kosher Nostra. Jewish Gangsters Greatest Hits
Die Anthologie gewährt einen Einblick in eine fast vergessene Geschichte: Die der jüdischen Unterwelt im New York der 20er Jahre. Neuentdeckungen, aber auch Evergreens - Jewish Favorites eben! (2011)



Quelle: Greedy for Best Music


Kunst + Kultur > Music

Beitrag vom 17.06.2017

Sharon Adler