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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 20.06.2019


Inge Brandenburg - I love Jazz, 18 unveröffentlichte Songs
Ahima Beerlage

Sie war im Nachkriegsdeutschland, bis in die 60er Jahre, die "First Lady des Jazz", geriet aber viele Jahre in Vergessenheit. Ihr Biograph Marc Böttcher, der sie mit einer preisgekrönten Dokumentation und einer berührenden Biographie wieder ans Licht der Öffentlichkeit geholt hat, schenkt ihren Fans 20 Jahre nach ihrem Tod zum 90sten Geburtstag eine CD mit 18 bisher unveröffentlichten Songs.




A Taste (not) like honey

Der Jazz begegnete Inge Brandenburg in den Clubs der GIs, in denen sie sich als Sängerin durchschlug. Ihre Kindheit war alles andere als ein Honigschlecken. Ihr kommunistischer Vater fand keinen Job und schlug sich mit Gaunereien durch, als sie 1929 als eines von sechs Geschwistern geboren wurde. Der Existenzkampf machte ihre Eltern hart. In der Nazizeit wurden beide Eltern verhaftet und starben in Konzentrationslagern. Die Waise geriet vom Regen in die Traufe. Nach den Schlägen der Eltern musste sie nun die harte Erziehung in einem Heim aushalten. Die seelischen Narben sollten das ganze Leben der begnadeten Sängerin prägen. Immer wieder zerbrachen ihre Beziehungen und die Härte der frühen Jahre hatten ihr sämtliche diplomatischen Ecken abgeschlagen. Sie galt als stachelig und dickköpfig.

Cry me a river

Auf der Bühne konnte sie Gefühl zeigen, weich sein, allen Schmerz in den Blues legen, alle Freude in den Swing und ihre Kreativität fliegen lassen in ausgefeilten Jazz-Passagen. Aber während sich die großen Namen wie Peter Herbolzheimer, Paul Kuhn und Klaus Doldinger darum rissen, mit ihr auf der Bühne zu stehen, verweigerte ihr die Plattenindustrie die Anerkennung. Nur widerwillig nahm sie Schlagertitel auf. Und wenn sie sich einem deutschen Song widmete, drückte sie ihm ihren ganz besonderen Stempel auf wie die traurigen Töne in "Zeig mir, was Liebe ist", eine deutsche Version von "A Face of Love".

But not for me

Sie wagt sich auch an die Titel, die sonst den großen Diven des Jazz vorbehalten sind. Mit "Summertime" liefert sie ihre ganz eigene Version ab. Anfangs noch dem Original Blues folgend, wechselt sie Stimme und Rhythmus hin zum Swing und Jazz. Sie stellt ihre eigenen Regeln auf. Auch in der "Moritat von Mackie Messer" lässt sie die Strenge von Kurt Weill und Bertolt Brecht hinter sich und gibt dem Song ihre eigene jazzige Interpretation, ohne die Zwielichtigkeit hinter der Geschichte zu verraten.

I love Jazz

Die wiederentdeckten 18 Songs sind wertvoll. Sie zeigen pur die Bandbreite Inge Brandenburgs. Sie offenbaren aber auch die Spannung, unter der ihr Schaffen stand. Hier der deutsche Schlager, dort die Weiterentwicklung des Jazz. Umso wertvoller sind diese Songs, in denen sie gurrt, schnarrt, in schwindelerregendem Tempo durch Höhen und Tiefen sowohl stimmlich als auch emotional wechselt. Die beiden letzten Songs sind die beiden Pole, zwischen denen sie gelebt hat. Sie schreibt den Text "Das Riesenrad", in dem sie melancholisch beschreibt, wie sie zwischen den Höhen des Erfolgs und menschlichen Enttäuschungen auf und ab rollt. Ihr Lebenselixier besingt sie jubelnd in "I love Jazz". Wer diesen Song zum Abschluss hört, glaubt ihr sofort.

AVIVA-Tipp: Mit "I love Jazz" erleben die, die schon von der Dokumentation über sie und ihrer Biografie "Sing! Inge, Sing!" beeindruckt waren, noch einmal die Essenz ihrer Kunst. Hier spricht, beziehungsweise singt nur sie. Damit ist die Trilogie gegen das Vergessen vervollständigt. Ein tolles Geschenk zu ihrem 90sten Geburtstag. Das liebevoll gestaltete CD-Cover und das ausführliche Booklet sind in der Ästhetik ihres Erfolgshochs in den 60er Jahren gestaltet. Bleibt nur zu hoffen, dass es jüngere JazzfreundInnen nicht vom Kauf abhält, denn ihre Songs sind nicht nur Zeitdokumente, sondern zeitlos gut.

Zur Sängerin Inge Brandenburg, Jahrgang 1929, wuchs sie in schwierigen Verhältnissen auf. Ihr Vater fand keinen Job als Kommunist und ihre Mutter war mit ihren sechs Kindern überfordert. Der Vater schlug sich mit Diebstählen durch. Beide Eltern wurden in der Nazizeit verhaftet und wurden im Konzentrationslager ermordet. Ihr Vater starb im Konzentrationslager Mauthausen, vom Tod ihrer Mutter erfährt sie über das Rote Kreuz. Sie wurde auf dem Transport vom Konzentrationslager Ravensbrück ins KZ Dachau ermordet. Die Geschwister verloren sich aus den Augen, als sie ins Heim kamen. Die Sängerin erlebte schlimme Zeiten im Heim. Früh schon verliebte sie sich in den Jazz, der von den Nazis aus "rassistischen" Gründen abgelehnt wurde. Nach dem Krieg sang sie in Clubs der amerikanischen Soldaten und perfektionierte ihren Gesang. Doch die spießige und sexistische Nachkriegsgesellschaft ließ nicht zu, dass sie mit ihrer Kunst berühmt werden konnte. Die angebotene Schlagerkarriere verfolgte sie nur halbherzig. Sie blieb ihrer Kunst treu. Mit zunehmenden Jahren wuchsen ihre persönlichen und beruflichen Probleme. Inge Brandenburg starb mittellos, einsam und vergessen.

Zum Biographen Marc Boettcher, in Berlin geboren, studierte nach seiner Schauspielausbildung Theaterwissenschaft und Germanistik. Er arbeitet seit 1988 als Dramaturg, Regisseur und Autor. Er leitete ein Theater und war auf der Bühne und im Film zu sehen. Hunderte deutsche Synchronfassungen entstanden unter seiner Federführung. Neben zahlreichen Essays veröffentlichte er Biographien über die Sängerin Alexandra und den Komponisten Bert Kaempfert. Seine Fernsehporträts über Alexandra, Bert Kaempfert, Gitte Haenning und Rosenstolz machten Furore und wurden von einem Millionenpublikum gesehen. Mit der Wiederentdeckung von Inge Brandenburg gelang ihm ein weiterer Coup. Film und CD erhielten u.a. den "Preis der deutschen Schallplattenkritik". 2011 erschien seine Biographie "Sing! Inge, Sing!". (Quelle: Verlag parthas berlin)

Inge Brandenburg
I love Jazz

Unisono-Records (2019)
LC 28536
Produzent. Marc Böttcher, (MB-Film)
15,99 Euro
Mehr Infos zu Inge Brandenburg und CDs bestellen unter: www.inge-brandenburg.de

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Sing! Inge, Sing! Der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg
"Die eine Hälfte von mir ist emanzipiert, die andere überhaupt nicht", schrieb Inge Brandenburg über sich selbst. Sie war die beste Jazzsängerin Europas und doch Zeit ihres Lebens am Rande des Ruins. Mit dem gleichnamigen Dokumentarfilm aus dem Jahr 2011 und dem nun folgenden Buch wird ihre einzigartige Stimme aber auch ihre tragische Geschichte endlich gewürdigt.
Die Biographie der begnadeten Jazzsängerin, die am Sexismus und der Spießigkeit der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft scheiterte. (2017)

Sing, Inge, sing - Der zerbrochene Traum der Inge Brandenburg. Der Film
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Frauen im Jazz, ein Film von Greta Schiller und Andrea Weiss
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Beitrag vom 20.06.2019

Ahima Beerlage