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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 25.08.2008


Minette Walters – Der Schrei des Hahns - Hörbuch
»Nana« Nicole Wenger

Die englische "Lady des psychologischen Kriminalromans", Minette Walters, nimmt die Nachforschungen zu einem historischen und mysteriösen Todesfall, der 1924 Großbritannien erschütterte, wieder auf.




Eigentlich ist Elsie Cameron eine relativ mutige junge Frau. Denn an einem Sonntag - im Jahre 1920 – ergreift sie die Initiative und spricht nach dem Kirchgang ihren Auserwählten Norman Thorne an. Doch es ist der Mut der Verzweiflung, der sie zu dieser Handlung treibt: Denn Elsie, von der Natur nicht mit übermäßiger Attraktivität ausgestattet und bereits in ihren Zwanzigern, sieht sich der Gefahr gegenüber als "alte Jungfer" zu enden. Die Konventionen der zwanziger Jahre jagen ihr förmlich Todesängste ein. Umso glücklicher ist sie, nun einen potentiellen Ehemann in Norman gefunden zu haben. Doch dieses Glück währt nur für kurze Dauer, denn sie kann es nicht erwarten, endlich eine ehrbare Frau und Mutter zu werden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, und das nicht nur für sie. Auch für den auserkorenen Ehemann Norman wird die verrinnende Zeit zur Bedrohung. Während es Elsie mit der Hochzeit nicht schnell genug gehen kann, versucht Norman verzweifelt, Zeit zu schinden, um auch finanziell unabhängig zu werden. Sein Vater mahnt ihn immer wieder, sich diesen Schritt sehr gut zu überlegen. Daher unterstützt er Normans Versuch, sich auf dem Land mit einer Hühnerfarm eine eigene Existenz aufzubauen und hofft auf eine Abkühlung der Gefühle.

Elsies Eltern hingegen üben nach anfänglicher Zurückhaltung immer mehr Druck auf den zukünftigen Schwiegersohn aus. Zu schwer lasten Elsies Stimmungsschwankungen auf dem häuslichen Frieden. Denn Elsie ist herrschsüchtig, neurotisch, launisch und etwas paranoid. Bei jeder Gelegenheit und bei jedem kritischen Blick fühlt sie sich verleumdet und verachtet. Sie hat keine Freunde, sie ist einsam und lebt in einer eigenen Welt. Als Elsie aufgrund ihrer extremen Stimmungsschwankungen und Fantastereien auch noch ihre Anstellung verliert, Norman sich immer mehr von ihr distanziert und die lebensfrohe und hübsche Bessie Coldicott kennen lernt, nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Elsie überschüttet Norman mit romantischen Liebesbriefen, taucht unangemeldet auf seinem Hof auf und weigert sich schlichtweg, die Realität anzuerkennen. Norman ist nicht in der Lage, Elsie die Wahrheit zu sagen und die Beziehung zu beenden.

Eines Tages verschwindet Elsie spurlos. Ihre tranchierte Leiche wird auf Normans Hühnerfarm gefunden. Die genaue Todesursache Elsies kann nicht mehr geklärt werden. Unfall, Suizid oder Mord: alles liegt im Bereich des Möglichen. Obwohl Norman bis zum Ende hartnäckig die Tötung Elsies leugnet, und sich die Spekulationen über Elsies Geisteszustand vermehren, wird Norman zum – Tod durch Erhängen – verurteilt. Das Urteil wurde am 22. April 1925 vollzogen.

Minette Walters erforscht in ihrer Rekonstruktion des "Hühnerfarm-Mords" die möglichen Ursachen und Hintergründe, die zum Tod von Elsie Cameron geführt haben könnten. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Beschreibung einer verzweifelten, heiratswilligen und hysterischen Frau. Eine Figur, die zweifellos übersteigert auf ihre Außenwelt reagiert, dennoch aber von den realen Tugend- und Sittlichkeitsvorstellungen der damaligen Zeit geleitet und beherrscht wird. Kurz gesagt: "Böses Frauenzimmer stürzt naiven holden Jüngling ins Verderben."
Leider bewegen sich die Darstellungen der ProtagonistInnen auf einem überwiegend einseitigen Niveau. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der (Opfer-)Figur des potentiellen Täters Norman Thorne.

Weiterlesen: "Die Bildhauerin" von Minette Walters.

Weiterhören: "Weiße Nacht" von Asa Larsson, gelesen von Nina Petri.

Zur Autorin: Minette Walters wurde 1949 in Bishops Stortford, Hertfordshire geboren und studierte Romanistik an der Universität von Durham. Nach einem Auslandsaufenthalt in einem Kibbuz und den unterschiedlichsten Berufserfahrungen arbeitete sie lange als Redakteurin und freie Autorin in London, bevor sie sich endgültig der Schriftstellerei widmete. Mit ihrem Debütroman "Im Eishaus", der 1994 in deutscher Übersetzung erschien, avancierte sie in kurzer Zeit zur internationalen Bestseller-Autorin. Alle ihrer zahlreichen Romane wurden mit internationalen Preisen ausgezeichnet und werden in über dreißig Ländern gelesen. Ihr Roman "Der Schrei des Hahns" (Originaltitel "Chickenfeed") wurde in Großbritannien mit dem "Quick Reads Award" ausgezeichnet. Minette Walters lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Dorset, England.

Zur Sprecherin: Nina Petri gab ihr Schauspieldebüt 1983 in der TV-Serie "Rote Erde" und spielt in vielen Erfolgsfilmen wie "Lola rennt" mit. Sie erhielt den Bayerischen und den Deutschen Filmpreis. Ihre Vielseitigkeit ist auch hörbar, z.B. als "Starke Stimme" in der BRIGITTE-Edition. (Quelle: Verlagsinformationen)

AVIVA-Fazit: Minette Walters bietet ihrem Publikum die unterschiedlichsten, nicht sehr tiefgründigen Varianten an und bleibt mit ihrer "Beweisführung" sehr vage. Ihre Hypothesen laufen mehr oder weniger ins Leere. Am Ende ihrer Geschichte wirkt selbst sie ein wenig hilflos. Zurück bleibt das Gefühl: "Es kann so gewesen sein, muss es aber nicht." Auch die großartige Leseleistung von Nina Petri kann hier nur wenige Glanzlichter setzen. Mit "Der Schrei des Hahns" hat die Autorin ihren Rang als "Lady of Crime" sicherlich nicht untermauert, allerdings auch nicht gefährdet.

Minette Walters
Der Schrei des Hahns

Gelesen von Nina Petri
Random House Audio, erschienen Juni 2008
2 Audio CDs
Ungekürzte Lesung, Länge ca. 149 Minuten
ISBN: 978-3-86604-940-6
12,95 Euro


Literatur

Beitrag vom 25.08.2008

AVIVA-Redaktion