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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 18.10.2011


Römer + Römer - Meer der Freundschaft
Lisa Scheibner

Das KünstlerInnenpaar Römer + Römer überträgt digitale Momentaufnahmen in großflächige Malereien und wirft so einen Blick auf gesellschaftliche Bewegungen und die Globalisierung kultureller Zeichen.




Aus der Nähe sind nur vielfarbige Tupfen zu sehen, erst bei der Betrachtung aus einigem Abstand sind die Motive der Bilder erkennbar. In "Meer der Freundschaft" zeigen Römer + Römer eine Auswahl ihrer Malereien, die im Zentrum ihrer gemeinsamen Arbeit stehen. Portraitiert werden häufig Gruppen junger Menschen am Rande von politischen Zusammenkünften, in ihrer Freizeit, bei Festivals, beim Baden oder im Café.

Leger gekleidete junge Erwachsene sitzen auf dem Boden, reden, trinken Bier, im Hintergrund ein Banner mit einem Protestslogan gegen die Räumung eines Bauwagenplatzes. Eine junge Frau mit rotem Lippenstift, Sonnenbrille und hellblauem Kopftuch, die inmitten einer Demonstration selbstbewusst die Arme hochreckt, wir sehen ein Plakat, das George W. Bush als Terroristen brandmarkt. Im gleißenden Abendsonnenlicht entspannen sich ein paar FreundInnen auf einer Wiese am Rande eines Festivals.
Was von Weitem wie spontane Fotos aussieht, ist aus der Nähe betrachtet kleinteilige Arbeit: Die visuell an die ImpressionistInnen erinnernde Technik der Römers besteht darin, digitale Fotos großformatig mit Ölfarbe zu malen, die erkennbare Pixelung der aufgeblasenen Fotos wird auf die Leinwand übertragen und erzeugt so ihren besonderen Effekt, den Unterschied zwischen der Betrachtung aus der Nähe oder Ferne. Der Entstehungsprozess, nacheinander digital und handwerklich, ist beinahe greifbar und in den Detailabbildungen auch in gedruckter Form gut zu erkennen.

Cola in Casablanca

Das KünstlerInnenduo, das seit 1998 ausschliesslich an gemeinsamen Projekten und Kunstwerken arbeitet, bereist gemeinsam die Welt um Menschen in der Öffentlichkeit, unter anderem in Süd-Korea, Marokko, USA, Italien, Armenien, Israel, Japan, Polen und Deutschland zu beobachten. Gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse faszinieren Römer + Römer, sie zeigen in ihren Kunstwerken hybride (post-)moderne Lebenswelten die sich ständig verändern. Spaß und politischer Protest scheinen in Deutschland zum Beispiel kein Gegensatz zu sein, wenn man die Bilder aus Berlin betrachtet. Welch ein Luxus!

Durch die mehrfache Verarbeitung der Momentaufnahmen - das Fotografieren, die Auswahl von Motiv, Ausschnitt und Farben, die Übertragung in das Medium Malerei- wird ein Denkprozess in Gang gebacht, der sich mit der jeweiligen Gesellschaft und Kultur, deren Alltag, Freizeit, sozialen Verhältnissen und (politischer) Bewegung beschäftigt. Werbung und andere kulturelle Zeichen tauchen immer wieder im Hintergrund auf und weisen auf Widerstand, oder aber auf die allmähliche Globalisierung verschiedener Kulturen hin: Coca-Cola in Casablanca und Paris, Graffiti auf Steinskulpturen in Tokio, Skateboarding, T-Shirts, Protestbanner an einer Mauer, Warten auf ein Date, manchmal ist es schwer zu sagen, ob das Foto in Moskau oder in Süd-Korea aufgenommen wurde.

ChronistInnen des Umbruchs

Peter Funken, der den Text zu "Meer der Freundschaft" geschrieben hat, beschreibt die Haltung der Römers als dokumentarisch, als "moderne Chronisten in einer Welt des Umbruchs". Eine gewisse Sympathie für soziale- und Protestbewegungen lasse sich erkennen, eindeutig Stellung bezogen werde jedoch nicht.
Funken spricht in seinem Essay außerdem über die performative Qualität sozialer Bewegungen und (post-)moderner Kommunikation: Jede öffentliche Äußerung wird zugleich zu einem reflektiven Akt, wir stellen uns selbst dar, erfinden uns immer wieder, Identität und Simulation sind nicht wirklich zu unterscheiden.

Durch die Übertragung von einem Medium in ein anderes wird die Aufmerksamkeit auf Einzelheiten gelenkt, ein sinnlicher wie analytischer Zugang wird gleichzeitig eröffnet: Die lebendigen Farben und emotionalen Situationsportraits stehen dem komplizierten, kleinteiligen Übersetzungsakt und der Distanz, die die Betrachterin räumlich nehmen muss, gegenüber.

AVIVA-Tipp: "Meer der Freundschaft" ist eine farbenfrohe Reflexion über postmoderne Gesellschaften in denen zwar globalisierter Konsum die Kulturen gleichzuschalten scheint, aber politische Bewegungen, Protest und das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit immer wieder an Bedeutung gewinnen und Menschen zueinander bringen. Von Weitem sind spontane Fotografien zu sehen, beim näheren Betrachten erst ist, vor allem auch in den Detaildarstellungen, die aufwendige Maltechnik der Römers zu erkennen. Das Licht, Pixel für Pixel wiedergegeben, beleuchtet Momente des Zusammenseins in einem erfreulich optimistischen Ton.

Zu den KünstlerInnen: Nina Römer, die als Nina Tangian in Moskau geboren wurde, stammt aus einer russischen KünstlerInnenfamilie, ihr Großvater war der in Russland sehr bekannte Schriftsteller Juri Walentinowitsch Trifonow, ihre Großmutter Opernsängerin, ihr Urgroßvater Maler. Im Studium an der Kunstakademie Düsseldorf lernte sie Torsten Römer kennen, die beiden waren als Duo MeisterschülerInnen bei Prof. A. R. Penck und gründeten 1998 gemeinsam das internationale Kunstprojekt "MAIS". Neben zahlreichen Performances und Landart-Installationen ist seit einigen Jahren die Malerei der Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. Seit 2000 lebt das Paar in Berlin.

Römer + Römer waren in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten, von Süd-Korea, China, den USA, über Moskau, Bosnien-Herzegowina bis nach Berlin und Rostock.

Neben Ausstellungskatalogen existieren auch einige eigene Publikationen zu "MAIS", sowie ein Dokumentarfilm von Lilia Schimpf, der eine der Perfomances des KünstlerInnenpaares portraitiert.
Gleichzeitig zu "Meer der Freundschaft" erscheint eine aufwendige Collector`s Edition mit 50 Unikat-Bildern vom Mount Fuji.
Weitere Infos und Kontakt unter: www.roemer.tv.de

Römer + Römer
Meer der Freundschaft

Mit einem Essay von Peter Funken
In deutscher und englischer Sprache
Prestel Verlag, München, London, New York, erschienen im August 2011
Paperback, Klappenbroschur, 144 Seiten mit 84 farbigen Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-4508-6
29,95,- Euro
www.randomhouse.de


Literatur

Beitrag vom 18.10.2011

AVIVA-Redaktion