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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 26.11.2014


Céline Minard - Mit heiler Haut
Clarissa Lempp

Die französische Schriftstellerin versucht sich, laut Verlagsinfo, gerne an männerdominierten Genres. Für ihren neuen Roman hat sie sich sehr erfolgreich an den verstaubten Western-Roman gewagt.




Irgendwo im Westen sucht eine Handvoll Menschen nach neuem Land und dem Glück von Besitz. Ein Mädchen, dessen Dorf und Familie von weißen Siedlern getötet wurden, macht sich auf in eine neue Stadt. Sie trifft auf ihrer Reise einen jener Weißen, die ihre Eltern töteten und andere ProtagonistInnen. Eine Siedlerfamilie, ein Brüderpaar am Rande der Kriminalität, ein Schafzüchter und seine beiden Töchter, eine sterbende alte Frau und der betrogene Betrüger Gifford schließen sich auf dem Marsch durch die Steppe an. Sie alle kommen aus unterschiedlichen Richtungen und steuern auf das gleiche Ziel – eine Zukunft – zu.

Das klassische Genre-Thema eines immer größer werdenden Treks der gen Westen zieht, ist auch der Faden, der sich durch Minards Erzählung zieht. Und wie auch sonst so üblich beim Western gibt es hier weite Landschaften, neue Horizonte zu entdecken und alte Rechnungen zu begleichen, wilde Schießereien und üble Gauner, die den HeldInnen das Leben schwer machen. Sie alle treffen sich schließlich in Sally´s Saloon, wo die namensgebende Besitzerin mit Pfeife im Mundwinkel das Regiment führt. Überhaupt sind Minards Figuren sehr überzeichnete, fast comic-hafte Charaktere, die sich perfekt in den fantastisch anmutenden Landschaftsbeschreibungen bewegen.

Mit viel Humor und einem Wissen um die Verletzlichkeit und Verlorenheit ihrer Figuren, bringt Minard die unterschiedlichen Charaktere auch in den Erzählperspektiven ein, ohne den lakonischen Überton, der durch die Weiten der Prärie führt, zu verändern. Hier zeigt sich auch Minards Kunstgriff, das Genre gleichwertig aus einer weiblichen Perspektive zu erzählen und somit völlig neue Möglichkeiten für die Handlung zu eröffnen. Ein kleines Wermutströpfchen bleibt in der vorliegenden deutschen Ausgabe der Umgang mit den Bezeichnungen einiger ProtagonistInnen, die allzu leichtfertig eingesetzt und wenig sensibel im Genre hängenbleiben (zum Beispiel "die Indianer").

Zur Autorin: Céline Minard wurde 1969 in Rouan, Frankreich geboren. Sie lebt derzeit in Paris. Bislang veröffentlichte sie acht Bücher, für die sie unter anderem mit dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet wurde.

AVIVA-Tipp: Minard beweist, dass der Western als Genre immer noch spannend sein kann und Frauen am Colt genauso schnell schießen wie Lucky Luke. Mit dem Fokus auf die weiblichen ProtagonistInnen und dem Anliegen, das Genre nicht zu ernst zu nehmen, ist ihr in diesem Fall auch eine rasante und unterhaltsame Umsetzung gelungen.

Céline Minard
Mit heiler Haut

Originaltitel: Faillir être flingue
Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer
Matthes und Seitz Verlag, Herbst 2014
Gebunden mit Schutzumschlag
301 Seiten
ISBN: 978-3-95757-100-7
www.matthes-seitz-berlin.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Flowers in the Wildwoods – Women in early Country Music (CD) Western-Musik von Frauen.

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Beitrag vom 26.11.2014

Clarissa Lempp