Bunte Blumen im Wilden Westen - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Music



AVIVA-BERLIN.de im Oktober 2024 - Beitrag vom 10.05.2003


Bunte Blumen im Wilden Westen
Kirsten Eisenberg

"With the Banjo on my knees" - weibliche Stars der frühen Countrymusic singen hier vom "Poncho Pony", den "Loved Ones" und "All the Good and Gone Times"




Es krisselt geräuschvoll im Hintergrund, schnarrige Daisy-Duck- Stimmen und beherzte Fiddle-Klänge ertönen - die HörerInnen der CD "Flowers in the Wildwood" fühlen sich plötzlich in einen staubigen Salon im Wilden Westen versetzt. Dort treffen sie auf rauchende und trinkende Westernladies in langen Rüschenröcken mit ausladenden Busen und staubigen Stiefeln...

"Flowers in the Wild Wood" versammelt Stücke der bedeutendsten weiblichen Country-Bands der 30er Jahre, der Zeit, in der das Genre gerade erst in den Kinderschuhen steckte.
Obwohl die Männer damals die Countrymusik dominierten, trugen Frauen wesentlich zu deren Entwicklung bei. Sie waren Hauptthema der Songs, kurbelten das Geschäft an, indem sie die begehrten Songtexte kauften, und trugen schließlich als Musikerinnen zur Akzeptanz der Musik bei.

Ein Hyäneschrei? Ein Hühnergackern? Nein, es handelt sich nicht um die Aufnahme durchgedrehter Tiere auf einer texanischen Farm, sondern um gewagte Jodel-Einlagen, für die besonders die "Cackle Sisters" in der frühen Countrymusik der 30er Jahre berühmt (und berüchtigt?) waren. Carolyn DeZurik, eine der Schwestern, erzählt:
"Auch beim Melken sangen wir Lieder" und"Wir hörten den Vögeln zu und versuchten, mit ihnen zu singen und zu jodeln".

Die langgezogenen, leiernden Klänge in den Liedern voller Sehnsucht sind auf eine seltsame Art beruhigend. Es scheinen Stimmen von Frauen zu sein, die wissen, wie der Hase läuft und die einfach ein Lied davon singen können, wie uns das Leben mit all seinen Enttäuschungen zu schaffen macht und uns trotzdem nicht unterkriegen kann.

Die Botschaft der Songs ist oft fast religiös und es schallt der Hörerin auch mal ein "Halleluja" entgegen. Da alle Liebenden am Ende ja doch wieder voneinander getrennt werden, sind Sterblichkeit und Todessehnsucht in den Songs durchaus positiv dargestellt. Nach dem langen Leidensweg des Lebens gelangen wir Waisen, Wanderer und Verlorene ja doch in den Himmel...

Viele der Texte, die meist von Männern geschrieben wurden, repräsentieren zudem eine Idealvorstellung der Frau als tugendhafte Maid und Hüterin von Haus und Hof.
Die Countrymusik war im Grunde auch Propaganda - sie vermittelte, daß Normenbruch zu Leid und Schmerz führt.
Ironischerweise verhalf die Countrymusik den Frauen aber gleichzeitig zu mehr Unabhängigkeit. So konnten Musikerinnen der 30er Jahre durch das öffentliche Singen ihren Lebensunterhalt verdienen.

Clevere Geschäftsfrauen: Die Country-Ladies hatten schon damals durchaus eine Idee vom richtigen Marketing: Im harten Show-Business gab es zwei Stereotypen, denen man sich eben unterwarf, um bei den HörerInnen anzukommen. Entweder trat man als nette Hausfrau mit Haube und altmodischem Text auf, um die Leute wie die "Coon Creek Girls" mit der Pseudo-Sicherheit des Heims einzuwickeln. Oder aber man setzte wie die Girls in the Golden West" auf Cowboyinsignien, um den Traum von der Freiheit des Wilden Westens zu verkörpern.

Die Stücke sind von den typischen Wildwood- Instrumenten Fiddle und Banjo begleitet oder acapella gesungen, immer aber durch diesen typischen Auf-und-Ab-Singsang gekennzeichnet.
Da dieser bei einer Überdosis eventuell den Spass an der CD vorschnell schmälern könnte, hier ein Tipp: Spielen Sie einzelne Stücke auf ihre nächste Mix-Kassette - garantiert auch ein Partyknüller!

Erwischt... Hören Sie mal in Nummer 17 der CD hinein. Hört sich verdächtig nach "Oh Lord, won´t you buy me..." von Janis Joplin an. Hat die grandiose Bluessängerin etwa bei "Aunt Molly Jackson" abgekupfert und ist ihre Inspirationsquelle die Early Country Music gewesen?

Schön ist das Booklet zur CD. Es enthält interessante Interviews mit noch lebenden Mitgliedern der Bands und außerdem authentische, colorierte SW-Fotos, die das Flair einer vergangenen Zeit wiederaufleben lassen.




The Aaron Sisters, The Carter Family, The Coon Creek Girls, Lousiana Lou und andere
FLOWERS IN THE WILDWOOD. Women in early country music.

Trikont, 2003
EAN: 4015698031027
20,20 €004002664408"


Music

Beitrag vom 10.05.2003

AVIVA-Redaktion