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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 04.04.2016


Tove Jansson - Die ehrliche Betrügerin
Doris Hermanns

Es waren die Mumins, die Tove Jansson weltberühmt machten, aber sie schrieb auch zahlreiche Werke für Erwachsene. Mit "Die ehrliche Betrügerin" wurde einer ihrer besten Romane im Verlag Urachhaus wieder neu aufgelegt.




Ein abgelegenes Dorf im Schnee, in dem die Tage im Winter kurz und die Nächte sehr lang sind. Während dieser Zeit häkeln die Frauen Bettüberwürfe, während die Männer Boote bauen. Dies bildet den Hintergrund für Tove Janssons dritten Roman Die ehrliche Betrügerin, in dem zwei sehr unterschiedliche Frauen im Mittelpunkt stehen. Da ist erst einmal die ärmlich lebende Katri Kling, die mit ihrem jüngeren Bruder Mats zusammenlebt. Besonders beliebt ist sie im Dorf, wo sie im Kaufladen gearbeitet hat, nicht gerade, geschätzt wird sie allerdings für ihre Rechenkünste, und die BewohnerInnen gehen auch gerne zu ihr, um sie nach Lösungen für ihre Probleme zu fragen. Sie ist bekannt für ihre Direktheit, die ihr eher als Schroffheit ausgelegt wird, und für ihre Ehrlichkeit. Von den Kindern oft als Hexe bezeichnet, wird ihr nachgesagt, dass sie sich nur für Zahlen und für ihren Bruder interessiert.

Die andere ist die steinreiche Malerin Anna Aemelin, die zurückgezogen und alleine im Haus ihrer verstorbenen Eltern lebt. Sie ist weit über das Dorf hinaus bekannt und beliebt, aber die DorfbewohnerInnen bekommen sie nur sehr selten zu sehen. Sie "besaß die große überzeugende Kraft der Einspurigen, die nur eine einzige Sache sehen und umfassen können, ausschließlich an einer einzigen Sache interessiert sind. Und dieses Einzige war der Waldboden, der Boden des Waldes. Anna Aemelin konnte den Waldboden so detailliert genau abbilden, dass nicht die geringste Tannennadel verloren ging." Das Besondere an ihren Aquarellen ist nicht nur die Detailgenauigkeit, sondern auch die geblümten Kaninchen, die auf jedem Bild zu finden sind. Etwa alle zwei Jahre erscheint ein neues Buch mit Bildern von ihr.

Im Laufe des Romans muss sie viele ihrer früheren Beziehungen in Frage stellen. Sie merkt, dass sie von ihren Bekannten kaum wahrgenommen wurde und auch dass auch ihre beste Freundin nichts von ihr verstanden hat und sich nicht wirklich für sie interessierte. Nachdem Mats bereits einen Teil ihrer alten Möbel entsorgt hat, trennt sie sich von unzähligen alten Briefen und somit einem weiteren Stück ihrer Vergangenheit.

Die berechnende Katri Kling hat sich vorgenommen, in das Haus der Malerin zu ziehen und möchte ihrem Bruder ein Boot schenken. Dies möchte sie auf ehrliche Weise erreichen, aber ohne Anna Aemelin in ihren Plan einzuweihen, was dem Roman seinen Titel gibt. Langsam und Schritt für Schritt kann sie diesen Plan umsetzen. "Immer warten, so weit ich mich zurückerinnern kann, habe ich nichts anderes getan als gewartet, darauf gewartet, endlich handeln zu dürfen, alles, was ich an Einsicht, Voraussicht und Kühnheit besitze, einsetzen zu dürfen, auf die große Veränderung habe ich gewartet, die alles gerecht entscheidet und an seinen richtigen Platz rückt." Durch den Einzug wird die Welt der beiden Frauen grundlegend in Frage gestellt. Scheint erst die eine sympathisch und liebenswert und die andere etwas schrullig, so wird auf Dauer deutlich, dass sie beide Vieles überdenken müssen und voneinander lernen, wenn teilweise auch sehr unfreiwillig. Nichts wird, wie geplant und doch bekommt Mats sein Boot am Ende.

Die beiden Frauen werden in ihrer ganzen Gegensätzlichkeit beschrieben: Wo die eine Probleme angeht, Lösungen sucht und das Bedürfnis nach Klarheit hat, geht die andere Problemen lieber aus dem Weg, versucht sie zu ignorieren und zieht sich lieber zurück; es ist eine Mischung aus Desinteresse, Gutgläubigkeit, Schlamperei und Faulheit, die zu erheblichen finanziellen Verlusten führt, was ihr aber nichts ausmacht, da sie Geld genug hat. Sie ist erleichtert, wenn ihr Entscheidungen abgenommen werden, auch wenn sie dies als Niederlage empfindet.

Eine wichtige Rolle spielt auch der namenlose Hund von Katri Kling, dem sie sich sehr verbunden fühlt, aber den sie letztendlich nicht mehr als ihren Hund sehen kann. Anna Aemelin, die sich erst nicht an ihn gewöhnen kann, gibt ihm einen Namen: Teddy, um ihm damit seine Gefährlichkeit zu nehmen. Dass er jedoch erst durch ihre "Erziehung" und ihre Fehleinschätzungen gefährlich wird, zeigt sich gegen Ende des Buches.

Letztendlich fragt sich Anna Aemelin: "Habe ich an die Menschen geglaubt? Oder geht es nur darum, verzeihen zu können?" Der Blick darauf, welche von beiden ehrlich ist und welche die Betrügerin, verschiebt sich immer wieder – und genau dies macht eine der Stärken dieses Romans aus.

Schade ist, dass im Buch nirgendwo erwähnt wird, dass es sich um eine Neuauflage dieses Romans handelt. Die deutsche Erstausgabe erschien bereits 1986 bei Rowohlt in der Serie "neue frau" mit dem Untertitel "Ein Märchen für Erwachsene". Jetzt wird der Roman als "psychologischer Thriller" bezeichnet, was beides unzutreffend ist.

AVIVA-Tipp: Ein wunderbar geschriebener Roman über die komplexe Beziehung zweier eigensinniger Frauen zueinander und Einfluss aufeinander, der durch seine subtile und einfache Schreibweise besticht. Beide gelangen durch ihre Begegnung zu neuen Einsichten, die sie erst einmal verarbeiten müssen, die sie aber beide grundlegend verändert. Eine scheinbar einfache Geschichte um die Fragen nach Schein und Sein und das Vertrauen zwischen Menschen, die bei näherem Lesen so einfach dann doch nicht ist. Die Romane von Tove Jansson, die bis jetzt nur einer kleinen Fan-Gemeinde bekannt sind, verdienen es, von einem breiteren Publikum entdeckt zu werden.

Zur Autorin: Tove Jansson (1914-2001) wuchs in einem KünstlerInnenhaushalt in Helsinki auf. Mit 16 begann sie in Stockholm ihre künstlerische Ausbildung, studierte in Paris und Helsinki und arbeitete als Illustratorin und Karikaturistin. International wurde sie durch ihre Mumin-Bücher und -Comics bekannt, schrieb aber außerdem viele Romane und Kurzgeschichten für Erwachsene. In den 50er-Jahren traf sie die Graphikerin Tuulikki Pietilä, mit der sie bis zu ihrem Lebensende eine tiefe Liebe verband.

Zur Übersetzerin: Birgitta Kicherer wuchs zweisprachig in Schweden und Deutschland auf, studierte Graphik und arbeitete als Illustratorin, bevor sie sich der Übersetzung zuwandte. Kicherer übersetzt vorwiegend Kinder- und Jugendbücher aus dem Schwedischen und gilt als eine der produktivsten Übersetzerinnen Deutschlands. 1999 erhielt sie für ihr Gesamtwerk den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises.

Tove Jansson
Die ehrliche Betrügerin

Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus, erschienen 2015
Originaltitel: Den ärliga bedragaren
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
Gebunden mit Umschlag, 173 Seiten.
ISBN 978-3-8251-7889-5
Euro 18,90
www.urachhaus.de


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Website zu Tove Jansson:
www.tovejansson.com

Das Unternehmen Oy Moomin Characters Ltd, das Tove Jansson mit ihrem Bruder Lasse Ende der 1950er Jahre gründete, ist im Netz zu finden unter:
www.moomin.com

www.fembio.org

www.reprodukt.com

Westin, Boel: Tove Jansson: Life, Art, Words. The Authorized Biography. Translation: Silvester Mazzarella. Sort of Books 2014




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Beitrag vom 04.04.2016

Doris Hermanns