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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 14.06.2010


Karin Andert - Monika Mann. Eine Biografie
Evelyn Gaida

Am 7. Juni 2010 wäre sie 100 Jahre alt geworden: Monika, das vierte der sechs Kinder von Katia und Thomas Mann. Sie veröffentlichte selbst erfolgreich Texte, hatte im Klan der Manns aber die Rolle ...




... der Ungeliebten, Verfemten inne.

Die Literaturwissenschaftlerin und Soziologin Karin Andert hat im März 2010 die erste Biographie zur bisher wenig beachteten Monika Mann vorgelegt. Erstmals ist darin auch Monikas New Yorker Tagebuch (1945) und Katia Manns "Monika-Büchlein" (1910-14) mit Aufzeichnungen zu Monikas frühesten Lebensjahren veröffentlicht.

Während Andert eine Tagung über "Die Frauen der Manns" vorbereitete, fiel ihr auf, dass keinerlei Untersuchungen zu Monika vorlagen. In ihrer Biographie lässt die Autorin nun ein anderes Bild zum Vorschein kommen, als das von der Familie über Monika verhängte Image des minderwertigen Sonderlings. Die Biographin verwendet eigene Interpretationen eher dezent und bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung der familiären Sichtweisen. Im Vordergrund steht jedoch die Absicht einer Rehabilitation: Das Buch bringt Monikas unterschwellige, aber mit extremer Hartnäckigkeit betriebene Selbstbehauptung zutage.

Die zumeist vernichtenden Einschätzungen dieser Tochter von Seiten der Manns nehmen, wohl unausweichlich, viel Raum ein. Sie bilden im gesamten Buch den Hintergrund zum Lebenslauf der Viertgeborenen. Der gewichtige Schatten und Anspruch des berühmten und dominanten Vaters sowie einer ganzen Reihe schillernder Angehöriger tritt stark hervor.

Als (Klein-)Kind war Monika in den Augen ihrer Mutter noch niedlich und einschmeichelnd, rückte aber nach der Geburt Elisabeth Manns, die von Anfang an Liebling des Vaters war, jäh in die hintere Reihe der Zuwendung. Mit 14 Jahren zur Pubertierenden geworden, fiel Monika gänzlich in Ungnade. Katia nannte sie in Briefen und Aufzeichnungen nun das "blöde Mönle" oder das "dumme, mir recht sehr verleidete Kind". Schließlich hieß es: "Aus dem Haus mußte und sollte das Kind, so muffig und unerfreulich wie es war, und nun kamen auch noch Schulunannehmlichkeiten hinzu."

Für die LeserInnen ist es im Gegensatz zur Familie Mann nicht verwunderlich, dass Monika zu Hause schweigsam, "verhemmt" und "muffig" auftrat, obwohl oder gerade weil man(n) dort "klug, witzig und unterhaltend zu sein" hatte. Letztere Rolle war bereits in fester Hand der älteren Geschwister Erika und Klaus. Vermittelnd räumt die Autorin ein, die Eltern hätten es auch nicht leicht gehabt mit Monikas Art, und macht deutlich, wie problematisch eine Positionierung in einer so hochkomplexen Beziehungskonstellation ist. Die Biographie bringt jedoch immer wieder Monikas andere Seite zur Geltung, die sich außerhalb des Elternhauses zeigte. Im Internat Salem am Bodensee, wohin Monika wie ihr Bruder Golo geschickt wurde, konnte sie sich entfalten, hatte viele Freunde und spielte bei einer Figaro-Aufführung sehr erfolgreich die Susanne. Zur großen Verwunderung der Mutter wurde Monika in Salem äußerst geschätzt.

Auf den Schulabschluss im Alter von 16 Jahren folgte ab 1926 eine rastlose Zeit der Suche nach der eigenen Berufung, die Monika über Jahrzehnte hinweg beschäftigen sollte. Sie begann ein Klavierstudium in Lausanne, ging ein Jahr später auf die Kunstgewerbeschule in München, dann nach Paris und Berlin. 1933 folgte sie der Familie in die Emigration nach Südfrankreich und stürzte sich dort erneut "phrenetisch" ins Klavierüben. Das Klavierstudium nahm sie 1934 in Florenz wieder intensiv auf - Erschöpfung und Resignation ließen nicht lang auf sich warten. Monika lernte den promovierten ungarischen Kunsthistoriker Jenö Lányi kennen, der ihr endlich Halt gab. 1938 heiratete sie ihn in London. Die Familie war abermals sehr erstaunt, dass jemand etwas am "dumpf-wunderlichen Mönle" finden konnte.

Dann der Schlag, das Trauma: "Mitten im Londoner Blitzkrieg" traten Monika und ihr Mann 1940 auf der "City of Benares" die Überfahrt nach Kanada an. Das Schiff wurde von einem deutschen Torpedo getroffen, Lányi ertrank vor Monikas Augen, sie selbst wurde nach 20 Stunden gerettet. Der Schriftsteller Charles Neider bewunderte sie später dafür, es fertiggebracht zu haben, wieder "in ein einigermaßen normales Leben zurückzukehren." Ihre Familie setzte genau das voraus.

Materielle Zuwendung wurde Monika durch ihre Eltern lebenslang als Selbstverständlichkeit zuteil, emotionale Zuwendung musste erst verdient werden. In New York, wohin sie 1942 übersiedelte, ging sie keiner Erwerbsarbeit nach, galt bei den Verwandten als vollkommen unnütz und faul. Das New Yorker Tagebuch zeigt dagegen Monikas innerlich geleistete Arbeit, Orientierung und Festigkeit in sich selbst zu suchen, dem lähmenden Ehrgeiz zu entkommen. Sie habe es mit Stenographie versucht, sehe aber keine sinnvolle Tätigkeit darin. Fraglich ist auch, ob eine durchschnittliche Arbeit im weltberühmten Elternhaus angesehener gewesen wäre, als die offene Schwebe der Erwerbslosigkeit.

Zur Ruhe und zu sich selbst fand Monika auf Capri, wohin sie im Jahr 1954 zog. Dort traf sie ihren Lebensgefährten Antonio Spadaro, einen Ur-Capreser und Maurer, der ihren Vater nicht kannte. Mit ihm lebte sie über 30 Jahre lang zusammen und veröffentlichte, wie bereits in New York begonnen, regelmäßig Feuilletons, die unter anderem von ihrer scharfen Beobachtungsgabe zeugen. Finanziell brachte Monika diese Arbeit genug ein, um davon leben zu können. Ihr Erinnerungsband "Vergangenes und Gegenwärtiges" (1956) drohte Erikas gleichzeitig erschienenes Erinnerungsbuch "Das letzte Jahr" in den Schatten zu stellen. Monika verfasste jedoch keine Enthüllungsschriften, sondern bewahrte sich den Vater als idealisierte, ferne Gestalt, die Mutter als Kindheitsillusion, nannte aber auch unbequeme Dinge beim Namen, so Andert. In ihrem von der Familie abgelehnten Beitrag zum Klaus-Mann-Gedenkbuch erwähnte sie dessen "Einsamkeit" und "das Obdachlose seiner Argumente". Frido Mann zufolge gehörte es bei den Manns immer zum guten Ton, sich abfällig und angewidert über Monikas Schriftstellerei zu äußern - wovon diese sich nicht beirren ließ. 40 Jahre lang übte sie ihre publizistische Tätigkeit aus. Bei ihren Eltern hielt Monika sich trotz allem regelmäßig für längere Zeit auf, nach dem Tod Thomas Manns bei der Mutter. Ihre Nähe suchte die Tochter lebenslang vergeblich.

AVIVA-Tipp: "Monika Mann. Eine Biografie" gewährt einen bewegenden Einblick in eine außergewöhnliche Lebensentwicklung und das hochkomplizierte sowie hochproblematische Familiengefüge der Manns. Die ungeliebte und als nutzlos verschrieene Tochter wird im Schatten ihrer Herkunft gezeigt, vor deren Hintergrund sich die besondere Leistung ihrer Selbstbehauptung und ihre Willenskraft abzeichnen. Für einige Unübersichtlichkeit und Verwirrung sorgt die thematische, statt chronologische Ausrichtung der Kapitel, aber auch für poetische Blickwinkel: Nicht Monikas Tod bildet den Schluss, sondern ihre ungebrochene Liebe zur Musik.

Zur Autorin: Karin Andert, geboren 1943 in Elbing, studierte Soziologie und Vergleichende Literaturwissenschaft in Darmstadt. Von 1992 bis 2008 war sie Studienleiterin der Evangelischen Akademie Tutzing, wo sie zahlreiche Tagungen zur Familie Mann durchgeführt hat. Seit Juli 2008 ist sie als Redakteurin von Konferenzdokumentationen des GRP an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. 2007 brachte sie bei Rowohlt die Schriften von Monika Mann heraus: "Das fahrende Haus. Aus dem Leben einer Weltbürgerin". Karin Andert lebt in Tutzing. (Quelle: Mare Verlag)

Karin Andert
Monika Mann. Eine Biografie

Mare Verlag, erschienen März 2010
Hardcover, 328 Seiten mit Fotos
ISBN 978-3-86648-125-1
24,00 Euro

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.mare.de

"Das fahrende Haus. Aus dem Leben einer Weltbürgerin" von Monika Mann, herausgegeben von Karin Andert

www.fembio.org

"Thomas Mann und die Seinen" von Marcel Reich Ranicki

"Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum", herausgegeben von Uwe Naumann

"Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk" von Hermann Kurzke

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Beitrag vom 14.06.2010

Evelyn Gaida