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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 25.03.2011


Hedwig Brenner - Jüdische Frauen in der Bildenden Kunst IV
Christel Wollmann-Fiedler

Bildhauerinnen, Fotografinnen und Malerinnen hat die in Czernowitz geborene, in Haifa lebende 92 jährige Schriftstellerin in dieser Enzyklopädie verewigt. Insgesamt nahm sie bereits 1.350...




... jüdische Künstlerinnen in ihren Lexika auf.

Seit neunundzwanzig Jahren lebt Hedwig Brenner in Israel, in Haifa. Ein bescheidenes Leben führt sie in der neuen Heimat, erst sehr spät wurde sie Schriftstellerin. Familienbiographien schrieb sie, doch vor allem entstanden durch ihre Energie Lexika über Jüdische Frauen in der bildenden Kunst. Recherchiert hat sie in der ganzen Welt über mehrere Jahre, um diese künstlerischen Lebensbilder zusammenzubekommen. Längst gestorbene, in Konzentrationslagern umgekommene, noch lebende junge jüdische Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen aus aller Welt vereinte sie in diesen Werken. Eine großartige Arbeit hat die fast 93jährige Hedwig Brenner für die Zukunft geschaffen.

Nach dem Tod des Ehemannes begann Hedwig Brenner als damals Achtzigjährige in Haifa mit dem Computer zu arbeiten, die alte Schreibmaschine hatte ausgedient. In fünf Sprachen korrespondiert sie seitdem bei Tag und Nacht per E-Mail mit der gesamten Welt und natürlich auch mit "ihren" Künstlerinnen. In diesen Tagen erschien der 4. Band über Jüdische Frauen in der Bildenden Kunst, ebenso die dazugehörige CD mit 1.019 Kunstwerken dieser genannten Frauen.

60 Bildhauerinnen sind im Verzeichnis vertreten, darunter Judith Shea, die 1948 in New York geboren wurde und dort lebt, Hana Platzer, die 1933 in Bessarabien geboren wurde und heute in Tel Aviv-Jaffo wohnt, Dorothy Robbins, 1920 als Tochter russischer Einwanderer in Ohio geboren wurde und 1999 in Ein Hod/Israel starb.

34 Fotografinnen, so die Fotografin und Herausgeberin der AVIVA-Berlin, Sharon Adler, geboren 1962 in Berlin, Evelyn Hofer, die 1922 in Marburg an der Lahn geboren wurde, heute in New York lebt, Linda McCartney, 1941 in New York City als Tochter eines russischen Einwanderers geboren, 1997 mit ihrem Ehemann Paul von der Britischen Königin geadelt wurde und 1998 in England starb.

170 Malerinnen stellt Hedwig Brenner im 4. Band vor. Zu nennen wären Eve Arnold, die 1912 in Philadelphia als Tochter russisch-jüdischer Emigranten geboren wurde, später nach London zog und 2003 den Verdienstorden "Order of the British Empire" erhielt, Mina Gampel, 1940 in Weißrussland geboren, in Samarkand, Taschkent und Frunze ihre Kindheit verbrachte, seit vierundvierzig Jahren in Stuttgart lebt und arbeitet, Renee Nass, 1950 in Temeswar geboren, wohnt heute in Aachen, Eva Olivetti, 1924 in Berlin geboren, wohnt seit 1939 in Montevideo. Oder Aurélia Vartanian, Tochter eines armenischen Vaters und einer jüdischen Mutter. Die 1969 geborene Fotografin, Malerin und Szenographin lebt und arbeitet in Paris und Berlin.

Die genannten Künstlerinnen sind nur eine kleine Auswahl der insgesamt 264 im Lexikon portraitierten.
Hedwig Brenner nennt ihre Arbeit ein "unkonventionelles Lexikon". Ob konventionell oder unkonventionell, eine Fundgrube für KunsthistorikerInnen und eine Ehre für die vielen Künstlerinnen, die in dieses Lexikon aufgenommen wurden, ist es allemal.

Zur Autorin: Hedwig Brenner, 1918 in Czernowitz als Tochter der Lehrerin Friedl Feuerstein und des Rechtsanwaltes Dr. Adolph Langhaus geboren. Als Zehnjährige verlor sie ihren Vater, wurde von Mutter und Großmutter in eine und für eine gutbürgerliche Umgebung erzogen. Sie besuchte gute Schulen, ging kurzfristig vor dem 2. Weltkrieg zum Studium nach Wien und Genf, musste zu Kriegsbeginn zurück in ihre Bukowiner Heimat.
Paul Celan und Ninon Ausländer, die dritte Frau Hermann Hesses, kannte sie in Czernowitz, auch Immanuel Weissglas. Mit Alfred Kittner, der in Düsseldorf lebte, war sie bis zu seinem Tod 1991 freundschaftlich verbunden.

In Czernowitz heiratete sie 1939 den Ingenieur Gottfried Brenner, der in Prag studiert hatte. Zusammen ging das junge Paar in das Petrolgebiet von Ploiesti nahe Bukarest. Um Mutter und Schwiegermutter 1940 aus Czernowitz zu sich nach Ploiesti zu holen, reisten sie nach Czernowitz. Doch konnten sie die Bukowina nicht mehr verlassen: Die Grenzen wurden geschlossen.

Danach wurde die Nordbukowina von der sowjetischen Armee besetzt. Verwandte verschwanden in Sibirien, andere verließen das Land und gingen nach England und in die USA, um sich zu retten. Die Sowjets wurden von der deutschen Wehrmacht und den mit ihr verbündeten Rumänen zurückgedrängt. Hedwig Brenner und ihr Mann kamen ins Czernowitzer Ghetto, erlebten dort viel Unmenschliches, doch auch Menschliches, wie sie immer wieder erzählt. Sie überlebten die Gräuel der Nazis, wanderten 1945 nach Rumänien aus. Wieder zogen sie ins Petrolgebiet nach Ploiesti, wo Gottfried Brenner bis zu seiner Pensionierung als Ingenieur arbeitete.

Hedwig Brenner brachte in Rumänien zwei Kinder zur Welt und begann eine Ausbildung als Krankenschwester und Physiotherapeutin. In diesem Beruf arbeitete sie bis zur Rentenzeit. 130 Ausreiseanträge hat das Ehepaar an den Rumänischen Staat gestellt, abgelehnt wurden sie alle. Erst im fortgeschrittenen Rentenalter, 1982, bekamen sie die Genehmigung, mit den bereits erwachsenen Söhnen und Mutter Friedl Langhaus nach Israel auszuwandern zu dürfen.

AVIVA-Tipp: Zum großen Teil unentdeckte Lebenswege von Künstlerinnen sind in dem vierten Künstlerinnenlexikon zu entdecken und spannend zu lesen. In verschiedenen Erdteilen dieser Welt wurden diese Frauen geboren, in unterschiedlichsten Kulturkreisen erlernten sie ihre Kunst. Zusammengetragen hat Hedwig Brenner die Lebensbilder dieser jüdischen Frauen, ihnen eine Bedeutung in der Kunstgeschichte, eine Auferstehung und eine Zukunft gegen das Vergessen gegeben. Die künstlerischen Werke aus diesen differenten Kulturkreisen, der unterschiedlichsten familiären Vergangenheiten sind auf der beigefügten CD gut zu erkennen. Eine Zeitreise durch die Welt und die Kunst ist das Lexikon allemal.


Hedwig Brenner
Jüdische Frauen in der bildenden Kunst IV

Ein biographisches Verzeichnis
Unter Mitarbeit von Jutta Obenland
Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn
Hartung-Gorre-Verlag Konstanz, erschienen Februar 2011
Paperback, 176 Seiten, 33 Abb. + CD mit 1019 Kunstwerken
ISBN 978-3-86628-333-6
19,80 Euro
www.hartung-gorre.de


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Beitrag vom 25.03.2011

AVIVA-Redaktion