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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 21.02.2003


Eine verbotene Liebe im Berlin der 40er Jahre
Jessica Cohen

In Anlehnung an die Wanderausstellung "Das kurze Leben der Jüdin Felice Schragenheim" dokumentiert Erica Fischer in ihrem Bildband die Geschichte von "Jaguar"




In ihrem Roman erzählt Erica Fischer die Liebesgeschichte von Aimée, der mit dem Mutterkreuz ausgezeichneten Nazigattin Lilly Wust, und Jaguar, der untergetauchten Jüdin Felice Schragenheim. Ihr Kennenlernen im Berlin von 1942 ist Liebe auf den ersten Blick und der Anfang einer intensiven Liebesbeziehung, besiegelt durch Briefe, Gedichte und einen Ehevertrag. Als Felice ihrer Aimée gesteht, dass sie Jüdin ist, bindet dieses lebensgefährliche Geheimnis die beiden noch enger aneinander. Doch ihr Glück findet am 21. August 1944 mit Jaguars Deportation ein jähes und endgültiges Ende.

Die Erzählung schildert die Erinnerungen der heute 80jährigen Lilly Wust und lässt sie zu einem ergreifenden zeitgeschichtlichen Zeugnis werden. Um zu verhindern, dass dabei Felices Lebensgeschichte in den Hintergrund tritt, plante Erica Fischer eineWanderausstellung mit dem Titel "Das kurze Leben der Jüdin Felice Schragenheim". Sie dokumentiert Jaguars Schicksal anhand zahlreicher Fotos, Briefe, Gedichte und Dokumente, die Lilly Wust für die Nachwelt aufbewahrt hat, und verdeutlicht, "dass es neben der Liebesgeschichte auch eine Geschichte der Verfolgung von Jüdinnen und Juden gab", so Erica Fischer in ihrem Vorwort zu Aimée und Jaguar".

Aus dieser Ausstellung ist nun ein Bildband entstanden. Er scheint jegliche Dokumente über das 23jährige Leben der Felice Schragenheim zu beinhalten. Eine fast erdrückende Vielzahl von Dokumenten ist hier versammelt: Auszüge aus dem Familienstammbuch der Schragenheims, Felices Schulzeugnisse, ihre Korrespondenz mit den nationalsozialistischen Behörden aber auch Jaguars Liebesschwüre und Lillys Fahrkarte nach Theresienstadt, wo sie Jaguar ein letztes mal besuchte... So intim und schon gar nicht für fremde Augen bestimmt erscheinen manche der Dokumente, dass sich die Leserin manchesmal dabei ertappt fühlt, in einem fremden Schatzkästchen zu kramen.

Gleichzeitig stellt der Bildband als zeitgeschichtliche Dokumentation die zunehmend lebensbedrohliche Situation der Berliner Jüdinnen und Juden während der Nazizeit dar. Auf eindrückliche Art und Weise wird die persönliche Lebensgeschichte Felices mit antisemitischen Gesetzen und historischen Ereignissen verbunden.

Erstmals sind Felice Schragenheims Gedichte in ihrer Vollständigkeit wiedergegeben. Die begabte Nichte Lion Feuchtwangers wollte Journalistin oder gar Schriftstellerin werden. Ihre Verse sprechen von der Trauer über ihr gebrochenes Leben und immer wieder von der Liebe.

Vieles, was ich denke,
ist wie ein Gedicht,
das ich dir zärtlich schenke,
aber du hörst es nicht.
Denn manche Worte vertragen
die Helle des Tages nicht,
man könnte sie niemals sagen,
ohne dass es etwas zerbricht...
Denn ich kann´s ja nicht sagen -
Du musst dich über mich neigen,
damit will ich alle Fragen
zu dir hinüberschweigen.
Manches kann man nicht sagen,
ohne dass etwas zerbricht -
die letzten Dinge vertragen
sogar ein Flüstern nicht.
Du musst dich über mich neigen
und mach die Augen zu -
dann will ich´s hinüberschweigen
zu deinem geliebten Du.



Das kurze Leben der Jüdin Felice Schragenheim "Jaguar", Berlin 1922 - Bergen-Belsen 1945.
Erica Fischer

Deutscher Taschenbuch Verlag, München, November 2002
ISBN 3-423-30861-3
320 Seiten
€ 25.-

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Beitrag vom 21.02.2003

AVIVA-Redaktion