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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 12.04.2009


Lizzie Doron - Es war einmal eine Familie
Sharon Adler

Die für "Ruhige Zeiten" mit dem Preis der Gedenkstätte Yad Vashem und mit dem Jeanette-Schocken-Preis ausgezeichnete Autorin widmet diesen Roman erneut den Überlebenden der Shoah. Und ihrer Mutter




Wie bereits in ihrem Roman "Ruhige Zeiten" ist wieder der Mikrokosmos eines kleinen Tel Aviver Stadtviertels das Thema von Lizzie Doron. Hier haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg Menschen zusammengefunden, die die Shoah überlebten und, so gut es ging, versuchten, ein neues Leben zu beginnen, stets begleitet von den Geistern der ermordeten Familien und Freunden.

Hierher kehrt Elisabeth Anfang der neunziger Jahre zurück. Ihre Mutter, Helena, ist gestorben und die Tochter kommt, um Schiva, die sieben Trauertage, zu begehen.
Während der sieben Tage und sieben Nächte taucht Elisabeth ein in die Welt ihrer Kindheit und durch die Trauergäste und ihre Erinnerungen wird für sie noch einmal diese Zeit lebendig.

Schmerzen, sie haben keinen Tag und keine Nacht
Ihre Gedanken führen sie in eine Zeit, in der die BewohnerInnen des Viertels nachts aus ihren Häusern heraus auf die Straße kamen, ruhelos, gepeinigt von ihren Alpträumen und nach ihren Toten riefen. Eine Zeit, in der es die größte Sünde war, Wiedergutmachung von "Gott-möge-ihre-Namen-auslöschen" anzunehmen. Helena drückte es lapidar einmal so aus: "Es gibt auf der Welt gute Menschen, böse Menschen und Menschen, die in Auschwitz waren."

Um sich von diesem Erbe zu befreien und um neu anzufangen, ging Elisabeth, wie die meisten der Kinder, mit denen sie aufgewachsen war, aus dem Viertel fort. Viele von ihnen fielen in den ersten Tagen des Jom-Kippur-Krieges. So sind es nur noch wenige, die Elisabeth in diesen Tagen in der Wohnung ihrer Mutter besuchen. Allen voran die zwei alten selbsternannten Schiva-Expertinnen Sonia und Genia, die Elisabeth zum Abschied versprechen, zu Helenas zwei Geburtstagen, "am 8. Mai, als die Deutschen kaputtgingen, und am 21. August, als Elisabeth auf die Welt kam", die ganze Nacht ein Seelenlicht brennen zu lassen.

Elisabeth, die außer ihrer Mutter keine anderen Verwandten hat, wird sich im Laufe der sieben Tage bewusst, dass sie nichts von ihrer Mutter, deren Vergangenheit, Leben und Sehnsüchten wusste.

"Es war richtig gelungen, nur schade, daß Helena nicht dabei war."
Aus den Fragmenten der Erinnerungen, die die BesucherInnen hinterlassen formt sich schließlich doch ein neues Bild der Mutter und der Ort, der ihr vertraut und doch so fremd ist, füllt sich mit Szenen aus einer vergangenen Zeit. Zum Ende der Trauerwoche kann Elisabeth mit der Kindehit abschließen und versöhnt sich mit ihren Erinnerungen, sie erkennt daß das Viertel ihre Familie war, dass sie doch nicht ohne Familie aufgewachsen ist.

Zur Autorin: Lizzie Doron, geboren 1953, lebt in Tel Aviv. 2003 wurde ihr Roman "Ruhige Zeiten" mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman-Preis ausgezeichnet. 2007 erhielt sie den Jeanette Schocken Preis - Bremerhavener Bürgerpreis für Literatur. In der Begründung der Jury heißt es: "Lizzie Doron ist eine israelische Schriftstellerin, die jenen eine Stimme gibt, die sie selber nicht erheben, die jenen Raum verschafft, den sie sich selber nicht nehmen könnten. Sie schreibt über Menschen, die von ´dort´ kommen, die den Holocaust überlebten und nun zu leben versuchen. In Israel. Fremd, schweigend, versehrt – und stets ihre Würde wahrend. Mit großer Behutsamkeit nähert die Autorin sich ihren Figuren und mit großem Respekt wahrt sie Distanz." "Warum bis Du nicht vor dem Krieg gekommen?", das erste Buch von Lizzie Doron, erschien 2004 im Jüdischen Verlag im Suhrkamp Verlag.

AVIVA-Tipp: Schöner kann Trauer nicht beschrieben werden. Lizzie Doron findet für den Schmerz um den Verlust die richtigen Worte. "Es war einmal eine Familie" schildert sensibel das Leid um das "hier" und "dort" und das Leben in dem Land, das ihre Heimat und Familie war.

Lizzie Doron
Es war einmal eine Familie

Originaltitel: Hajta po pa ´am mischpacha
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, erschienen: 09.03.2009
142 Seiten, Gebunden
Euro 16,80
ISBN 978-3-633-54235-2

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

"Der Anfang von etwas Schönem" von Lizzie Doron aus 2007.

"Ruhige Zeiten" von Lizzie Doron aus 2005.


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Beitrag vom 12.04.2009

Sharon Adler