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Beitrag vom 09.04.2018
Elena Passarello - Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte
Bärbel Gerdes
Die US-amerikanische Schriftstellerin und Schauspielerin Elena Passarello stellt in ihrer neuen Essaysammlung ein Bestiarium im besten Sinne des Wortes zusammen: eine Tierdichtung voller Klugheit und überbordender Phantasie, die unglaublich akkurat recherchiert wurde.
Es ist immer wieder eine Freude ein Buch zu lesen, dass geistreich, humor- und fantasievoll unterhält und zum Nachdenken anregt. Es bereichert, wenn kluge Essays die eigene Weltsicht erweitern.
Als herausragende Essays gelten natürlich die von Michel de Montaigne. Bei den Frauen ragt Virginia Woolf hervor, deren Essays auf sechs dickbauchige Bände kommen. Rebecca Solnit, US-amerikanische Schriftstellerin, Kulturhistorikerin und Journalistin, glänzt mit hochpolitischen und aktuellen Essays. Auch sie veröffentlichte, gemeinsam mit der Illustratorin Mona Caron, ein Bestiarium: "A California Bestiary", das 2010 erschien. Darin stellt sie kalifornische Tiere und ihre erstaunlichen Eigenschaften vor.
Und nun Elena Passarello – und mit ihr die Übersetzerin Beatrice Faßbender. Diese sei gleich zu Beginn gefeiert. Mit welcher beeindruckenden Eleganz, Wortgewandtheit und Einfühlsamkeit übertrug sie den Text ins Deutsche! Es scheint kaum vorstellbar, dass es sich um eine Übersetzung handelt.
Elena Passarello stellt in dem vom Hanser Verlag wunderschön gestalteten Band so unterschiedliche Tiere vor wie Stare, Elefanten, einen Hahn, ein Mammut, ein Nashorn und viele mehr. Diese setzt sie in Verbindung zu den Menschen, was den Tieren mal gut, oftmals jedoch weniger gut tut.
Sie erzählt von Elefanten, die in Amerika der Öffentlichkeit zur Schau gestellt und durchs ganze Land gefahren wurden – gerne bei Nacht, damit sie tagsüber nicht kostenlos erspäht werden konnten.
Gleichzeitig berichtet sie von der Entdeckung der Elektrizität, des Gleichstroms, des Wechselstroms, der Erfindung des elektrischen Stuhls zur Tötung von Straffälligen – und schließlich von "ugly" Elefanten. Das sind jene, die in ihrer Gefangenschaft durchdrehten, Wärter töteten oder zu fliehen versuchten und nun ebenfalls hingerichtet werden mussten. Das zweite weibliche Wesen, das mit Strom gemordet wurde, war ein Elefant.
Alle Essays sind unglaublich genau recherchiert – die sich am Ende des Buches befindende Bibliographie zeugt davon. Umso erstaunlicher, mit welcher Leichtigkeit die Texte auf die Leserin treffen.
Passarello komponiert auf wunderbare und anrührende, witzige und sinnliche Weise die Musik des Stares Stahrl und dessen Besitzer Wolfgang Amadeus Mozart. Stare sind bekannt für ihren vielfältigen Gesang und dafür, dass sie Geräusche aus ihrer Umgebung imitieren: "Jeder Vogel fängt mit einem Satz Pfiffe an – eine Art gellende Einleitung. Als Nächstes … webt er wie irre eine Sequenz aus Musikschnipseln … in absteigender Tonfolge. Einige dieser Schnipsel hat er von benachbarten Arten gemausert (oder von Rasenmähern oder Mobiltelefonen). Hier, in diesem zweiten Satz, treffen das "Morgen kommt der" und das tschakatschaka, der Rauchmelder und die Bee Gees aufeinander. Nahtlos donnert er dann … ein hämmerndes Solo aus lauter Klicklauten.... Und dann endet er mit einem fortissimo-Finale aus markerschütternden Schreien." Sehr gut lässt sich vorstellen, welche gegenseitige Inspiration Mozart und Stahrl sich waren. Der große Komponist schuf nicht nur Opern, Sonaten, Serenaden, sondern auch kleine Liedchen mit vulgären Texten und zotigen Wörtern. Was, so fragt Passarello, "wenn Mozart mit falschen Noten und flapsigen Texten, mit Fremdsprachen und Nonsens herumgespielt hat, um alles an Ausdrucksformen zu sammeln, was er finden konnte, so wie "Sturnus vulgaris" alle möglichen Geräusche sammelt, um zu singen?"
Mitreißend sind diese Gedanken und oft lösen sie Staunen und Lachen aus.
Das von Dürer gemalte Rhinozeros bestimmte über lange Zeiten das Bild, das die Menschen sich von diesem Tier machten. Dabei hatte der Maler nie ein Rhinozeros gesehen und es nur nach einer Beschreibung skizziert. Köstlich das Erstaunen Marco Polos, der ein Jahrhundert vor Dürer auf seinen Reisen tatsächlich ein Rhinozeros sah. Eine garstige Gestalt habe es, mit einem schweinegleichen Kopf, "vollkommen unähnlich jenen Einhörnern, von denen unsere Märchen in Europa erzählen."
AVIVA-Tipp: Elena Passarellos Essaysammlung über die berühmten Tiere der Menschheitsgeschichte verbindet die Biographien einzelner Tiere mit der menschlichen Kulturgeschichte. Ein wunderbares, kluges und amüsantes Buch.
Zur Autorin: Elena Passarellowurde in South Carolina geboren und studierte Nonfiction an der Universität Pittsburgh. Sie arbeitete als Schauspielerin und veröffentlichte 2012 ihren ersten Essayband Let Me Clear My Throat, für den sie 2013 die Gold Medal for Nonfiction und 2015 den Whiting Award for Nonfiction erhielt. Sie schreibt u.a. für Slate, Paris Review und Oxford American. Sie unterrichtet Creative Writing an der Orgeon State university und lebt in Corvallis, Oregon.
Zur Übersetzerin: Beatrice Faßbender, geboren 1972, lebt als Lektorin, Übersetzerin und Redakteurin in Berlin. Sie übersetzte u.a. Gedichtbände von Jeffrey Yang und Altaf Tyrewala sowie die Essays von Eliot Weinberger. Aus dem Schwedischen übersetzte sie Max Anderssons Container. 2014 erschien die von ihr herausgegebene Anthologie New York. Eine literarische Einladung.
Elena Passarello
Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte
Originaltitel: Animals Strike Curious Poses
Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender
Hanser Verlag, erschienen im März 2018
249 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-446-25858-7
24,00 Euro
Mehr zum Buch unter: www.hanser-literaturverlage.de
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