Wendy Lower - Hitlers Helferinnen. Deutsche Frauen im Holocaust - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur Sachbuch



AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 05.10.2014


Wendy Lower - Hitlers Helferinnen. Deutsche Frauen im Holocaust
Laura Fricke

13 weibliche Biografien – sie stehen stellvertretend für Hunderttausende Frauen, die sich am Krieg und am Holocaust in Osteuropa und Deutschland beteiligten. Mit ihnen befasst sich die Professorin..




... und Geschichtswissenschaftlerin Wendy Lower in ihrem mit dem National Book Award 2013 ausgezeichneten Sachbuch.

"Für ehrgeizige junge Frauen eröffneten sich im entstehenden NS-Imperium im Ausland neue Möglichkeiten voranzukommen."

Lower zeigt anhand der 13 weiblichen Biografien, welche unterschiedlichen Hintergründe das "Mitmachen" hatte und wie die Beteiligung in der "Vernichtungsmaschinerie" aussah. Denn das Täterinnensein trug unterschiedliche Formen: Sekretärinnen für SS oder SA konnten mitunter sogar selbständig über Schießbefehle entscheiden, andere töteten als Krankenschwestern mit Spritzen und Pillen diejenigen, die nach NS-Ideologie als "unwertes Leben" betrachtet wurden. Wieder andere Frauen griffen als KZ-Mitarbeiterinnen oder aus blankem Sadismus selbst zur Waffe um Menschen in den Ghettos zu töten. Zur letzten Kategorie gehörte unter anderem die im Buch porträtierte Johanna Altvater, die in der Ukraine mehrfach behinderte Kinder in Heimen von Balkons und aus den Fenstern warf und Kleinkinder mit Süßigkeiten anlockte, um ihnen dann in den Mund zu schießen.

"Von den zehntausend verheirateten Frauen, die in den verschiedenen Büros von Militär, Verwaltung und Privatfirmen in den besetzten Ostgebieten [arbeiteten] ist die größte Kategorie: die Zuschauerinnen […]. Es handelte sich um deutsche Patriotinnen, die ihrer zivilen Tätigkeit nachgingen. Sie waren neugierig: Sie suchten das Abenteuer."

Lower legt, wie schon die Autorin Kathrin Kompisch in ihrer Buchveröffentlichung "Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus" die Motive der "Helferinnen" dar für die Beteiligung an Krieg und Tötung:

"Sie ließen repressive Gesetze, bürgerliche Sitten und gesellschaftliche Traditionen hinter sich, die das Leben in Deutschland reglementierten und erdrückten. In den Ostgebieten erlebten und verübten die Frauen Gräueltaten in viel offeneren Systemen, für sie waren die Verbrechen ein Teil dessen, was sie als berufliche Chance und als befreiende Erfahrung erlebten."

Die Autorin widmet sich zunächst in einem Kapitel der weiblichen Sozialisation vor und während der NS-Zeit. Im Anschluss wird der Aufruf und die Rekrutierung von Frauen für ihren Einsatz im Osten aufgegriffen. Die Geschichtswissenschaftlerin befasst sich mit unterschiedlichen Rollen wie Augenzeuginnen, Komplizinnen und Täterinnen und widmet ihnen jeweils eigene Abschnitte. In Unterkapiteln mit Überschriften einzelner Berufe wie Lehrerinnen, Sekretärinnen und Ehefrauen geht sie genauer auf die Arbeits- und Tätigkeitsfelder der Täterinnen ein. Zuletzt geht die Professorin den Fragen "Warum haben sie gemordet" und "Was geschah mit ihnen?" nach. Fotografien der in die Kamera lachenden 13 Porträtierten beweisen einmal mehr, wie sehr sie vom Nationalsozialismus überzeugt waren.

AVIVA-Tipp: "Hitlers Helferinnen" wirft durch die intensiven Recherchen der Autorin, die für das Sachbuch vorgenommen wurden, neue Perspektiven auf die NS-Zeit auf. Lower beschreibt die Rollen deutscher Frauen während des Holocaust in Osteuropa und Deutschland und macht deutlich, dass diese maßgeblich zur Vernichtung von Jüdinnen und Juden beigetragen haben. Dabei zeigt sie unterschiedliche Motive für deren Handlungen auf und erklärt sie anhand von psychologischen Modellen und Theorien. Anhand der 13 ausgewählten unterschiedlichen Biografien wird deutlich, wie Hitlers Helferinnen sich in den "killing fields" als aktive Täterinnen einbrachten und wie das Ausmaß ihres Handelns bis heute unterschätzt wird.

Zur Autorin: Wendy Lower ist John K. Roth Professor für Geschichte am Claremont McKenna College und Direktorin des dortigen Zentrums für Menschenrechte. Zuvor war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der LMU München und am U.S. Holocaust Memorial Museum. Sie hat zahlreiche Bücher und Artikel über den Holocaust veröffentlicht und Forschungsprojekte in Mittel- und Osteuropa geleitet. Die englische Ausgabe von "Hitlers Helferinnen" stand auf der Shortlist für den National Book Award 2013. (Verlagsinformationen)

Wendy Lower
Hitlers Helferinnen – Deutsche Frauen im Holocaust

Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn
Originaltitel: Hitler´s Furies: German Women in the Nazi Killing Fields
Carl Hanser Verlag, erschienen im Juli 2014
Gebunden mit Schutzumschlag, 336 Seiten
ISBN: 978-3-446-24621-8
24,90 Euro
www.hanser-literaturverlage.de

Weitere Informationen zur Autorin:

Carl Hanser Verlag über Wendy Lower

Wendy Lowers Website am Claremont McKenna College

National Book Award über Wendy Lower

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Kathrin Kompisch - Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus

Stella Hindemith / Amadeu Antonio Stiftung - Privat ist die sehr nett

Kriegerin - ein Film von David Wnendt

Holger Kulick und Toralf Staud - Das Buch gegen Nazis


Literatur > Sachbuch

Beitrag vom 05.10.2014

AVIVA-Redaktion