Boris Cyrulnik - Scham. Die vielen Facetten eines tabuisierten Gefühls - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur Sachbuch



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 12.07.2018


Boris Cyrulnik - Scham. Die vielen Facetten eines tabuisierten Gefühls
Nea Weissberg

Der französische Neuropsychiater, Resilienzforscher und Bestsellerautor Boris Cyrulnik überlebte als "verstecktes Kind" den Holocaust. In seinem Buch "Mourir de dire la honte" beschäftigt er sich mit dem unbewusst innerseelisch ablaufenden Vorgang eines Individuums, das den Eindruck hat, es könne aus einem tiefgreifenden Gefühl der wiederholt erlebten Beschämung nicht über seinen erlittenen Schmerz sprechen.




Aus einer Sorge heraus, an der schamvoll erlebten, verschlossenen Innenwelt zu zerbrechen und aus einer einen prägenden Erfahrung heraus, wiederholt kein offenes Ohr für die schmerzhaft besetzten Verletzungen bekommen zu haben, erfolgt oft ein Rückzug in die Vereinsamung oder in den Aufbau eines neu kreierten, adaptierten Selbst, der auf Fremd-und Selbst-Täuschung fußt.

Das Trauma zu benennen kreiert eine Quelle der Ressource, die hilft, Schamgefühle zu überwinden

Cyrulnik encouragiert mit seinen dargestellten Fallbeispielen z. B. zu Problemen von Antisemitismus, Rassismus, sexuellem Missbrauch, Kindeswohlgefährdung, abstufende kulturelle und soziale Eingruppierungen samt Vorurteilen, Herabwürdigungen des Selbstwertgefühls, kulturelle Entwurzlungen, Geschlechterdiskriminierungen, Zuschreibungen von Minderwertigkeit, Behindertenfeindlichkeit etc., wie aufatmend und heilsam das Offenbaren über schamhaft erlebte, einen Menschen tief verletzende Erlebnisse sein kann – so der Mensch das Glück hat, auf eine empathische ZuhörerInnenschaft zu treffen.

Mit "Resilienz" wird die innere Resistenz eines Menschen benannt, die ihm hilft, trotz Fehlschlägen und Desastern seelisch stabiler durchs Leben zu gehen. Der Eindruck von geförderter Selbständigkeit und mitgetragener Unabhängigkeit sowie einer Umgebung, die einen heranwachsenden Menschen nährt, verstärkt die Resilienzfähigkeit. In Folge kann eine innere Stärke angekurbelt werden, heftigen belastende Herausforderungen im Leben gewachsen zu sein, ohne an diesen so anhaltend negativ besetzten Konstellationen auseinanderbrechen.
Menschen mit einer schwachen Resilienz nehmen sich indes vielfach in der Rolle eines Geschädigten, eines Opfers wahr und verharren oftmals in der ihnen ehemals zugewiesenen Rolle eines von der Gesellschaft Ausgegrenzten. Sie fühlen sich mithin oft zu entkräftet, zu angegriffen, fühlen sich deprimiert und komplett schutzlos, um sich zu wehren. Ein entscheidendes Instrument der emotionalen Bewältigung ist beispielsweise die Kompetenz, sich sprachlich zu äußern oder ihr/sein Leid erzählerisch aufzuschreiben.
Wer das nicht vermag, kann aus dem Gleichgewicht und in Folge in eine Existenzkrise geraten oder seine unverarbeiteten Emotionen in destruktiver Weise auf andere projizieren und diese stellvertretend diskriminieren.

Überwinden eines entwerteten Selbstbildes

Das Buch "Scham" möchte Prozesse aufzeigen, die hierbei reaktiv abrufbar im Gehirn ablaufen. Cyrulnik erklärt, welchen Wert es hat, andere Reaktionsweisen auszuprobieren, um auf beschwerende und gefahrvolle Situationen von Außen zu reagieren, sodass der Schalter im Gehirn sich neu organisieren kann.
Der Aufbau von Vertrauen, das eine emotionale Verbindung zu einem Anderen ermöglicht, kann die Resilienzfähigkeit aufbessern. Menschen, die ihre angegriffene Psyche förderlich zu stärken vermögen, entwickeln nach und nach die Fähigkeit, z. B. andere in Lebenskrisen um Hilfe zu bitten.
Sie üben Schritt für Schritt, Schwierigkeiten im Leben zu meistern und betrachten die Anstrengungen bejahend als große Herausforderung und nicht mehr als etwas Entmutigendes.

Im Spiegel des Anderen

Ein Kind sieht sich mit dem Blick seiner Bezugsperson an. Der Blick des Anderen vermittelt nonverbal dem Kind ein Selbstbild. Erlebt ein Kind wiederkehrend emotional rücksichtslos demütigende Situationen, wird es in Folge affektiv traumatisiert, da diese Erlebnisse in frühen Kindheitsjahren für die Kleinen und Schutzbedürftigen noch nicht mentalisierbar sind.

Der Aufbau einer positiv affektiven Nische

Eine stabile Beziehung zu einer Vertrauensperson außerhalb z.B. einer dysfunktionalen Herkunftsfamilie kann erstmalig Halt gebend sein und wegweisend als soziales Vorbild dienen. Solch ein Kontakt, der aus einem Gefühl der Geborgenheit erwächst, ermöglicht es, einen Anderen um Unterstützung zu bitten. Infolgedessen lässt sich leichter ein Weg aus dem inneren und äußeren Rückzug finden.

Autoritäre Staatsführung

Erfahrungen während eines diktatorischen Regimes, das mit vom Staat Ausgeschlossenen totalitär, auf terrorisierende kleinmachende Haltung umgeht, spürbare Nachteile androht und Bestrafungsszenarien legal vollführen lässt, hinterlässt beschämende Spuren bei den Ausgestoßenen und Malträtierten.

"Als Benjamin elf Jahre alt war, musste er den Judenstern tragen. Er erzählt: Ich trippelte stundenlang hinter der Tür auf und ab, bevor ich mich hinauswagte, bevor ich mich auf die Straße wagte, wo ich gehasst, verachtet, beschimpft und angerempelt wurde. Schon die Blicke der anderen auf ´mich mit dem Stern´ beschämten und vernichteten mich... Nach der Befreiung wollte ich meinen Namen ändern, ich hätte gerne Dupont geheißen, so wie alle. Dann hätte ich nicht mehr das Gefühl gehabt, dass mich die Blicke der anderen durchbohrten, ich wäre frei gewesen."

Traumatisierungen

Der Trauma-Forscher Cyrulnik beschreibt emotionale (körperliche und unkörperliche) durchgehaltene Beleidigungen als Prozess der innerpsychischen Beschämung, die einen Menschen in Anspruch nimmt, ihn langanhaltend reaktiv belastet. Daraus resultieren sich einschleichend wiederkehrende Handlungsweisen, die eine verletzte Person glauben lässt, das erlittene Erlebnis sei nicht in adäquate Worte zu fassen. Vielleicht auch aus der Erfahrung heraus, dass ein Gegenüber einst vor einem zurückgewichen ist oder sich abgewendet hat.

"Am Beispiel der jüdischen Kinder, die während des Krieges verfolgt wurden, können wir vielleicht verstehen, auf welche Weise eine soziale Struktur einer Kinderseele Scham oder Stolz einimpfen kann."

Das Nicht-Mitteilbare gräbt sich ins Unbewusste ein, versucht mittels einer Fassade, die Angst vor Nicht-Akzeptanz zu kaschieren und baut so eine turmhohe Hürde zwischen sich und einem Anderen auf.
Das Stillschweigende peinigt den Gequälten auf diese Weise beidseitig: einerseits weil es im Außen nicht mitteilbar erscheint, andererseits weil das Gefühl der Scham einen bemächtigt und an wiederkehrende Geheimhaltungsszenarien bindet. Das Gespräch mit einem Anderen birgt in sich die Gefahr fortgesetzter Notlügen. Denn das Stillschweigende beeinflusst indirekt den Kontaktverlauf, sodass Inhalte verstummt verheimlicht werden, die aber innerseelisch beständig präsent sind. Einer / eine imaginiert, wenn er /sie z. B. nachts im Traum monologisiert den Blick der Anderen, die sich ablehnend, spöttisch oder erschrocken verhalten könnten und verinnerlicht so vorweggenommene Situationen, die jemanden beschämt zurückschrecken lassen, offenherzig auf Andere zuzugehen.

Sich seiner Vergangenheit stellen

"Dieses Unausgesprochene wird Einfluss auf unsere Beziehung haben, da ich die Worte, die ungesagt bleiben, die verschwiegene Schilderungen meiner Erlebnisse, in meinem Inneren unablässig wiederhole."

Ein Teufelskreis, das Buch "Scham" möchte Leserinnen und Leser ermutigen, Ressourcen aufzunehmen, sich im geschützten Raum mitzuteilen, um nicht von der Scham niedergedrückt zu werden. Im positiven Fall kann aus der überwundenen Scham ein Gefühl des Stolzes entspringen. Nicht darüber zu reden, kann ein zentraler Schutz sein, wenn Menschen in einer Umgebung leben, die nichts von ihren leidvollen, düsteren Erfahrungen hören möchte.

"In meinem eigenen unsichtbaren Theater inszeniere ich das, was ich nicht zu sagen vermag, weil ich große Angst habe, es könnte ausgesprochen werden." Die Verdrängung bewirkt diverse unbewusste Interaktionen, die im Traum einfließen.
Die Scham ist nicht durch eine Gegebenheit per se selbst fundiert, sondern entspringt einem inneren Diskurs, der die Konstellation, in die ein Mensch hineingeraten ist, mit Noten scharf bewertet. Scham und Stolz sind Emotionen, die von einer kulturellen, gesellschaftspolitischen Einbettung geprägt werden.

"Das Umfeld macht sich zu Komplizen des Leugnens, wenn es dem Opfer zu verstehen gibt, dass man über diese Dinge nicht spricht. Das Schweigen wird dann zu einem neuen Ich- Gestalter, einem stummen Tyrannen, der im Geheimen Leiden verursacht und damit die Arbeit am Wiederaufbau des Selbst behindert."

Autobiographisches

Boris Cyrulnik spürt bei seinen wissenschaftlichen Fallanalysen, dass es anderen Menschen in anderen traumatisierenden Konstellationen emotional so ergeht wie ihm. In seinem eigenen Werdegang schaut sich Cyrulnik jene diversen Einflüsse an, die ihm beschützt und ihn aufgerichtet haben.

Boris Cyrulnik ist am 26. Juli 1937 in Bordeaux geboren, als Sohn von jüdischen ImmigrantInnen aus der Ukraine, die 1936 nach Frankreich emigrierten. Sein Vater meldete sich freiwillig beim ´Régiment de marche des volontaires étrangers´, dem Infanterie-Fremdenregiment, das sich aus ausländischen Juden und republikanischen Spaniern rekrutierte. Als ein für Frankreich kämpfender Soldat, der gegen die deutsche Wehrmacht ankämpfte, wurde sein Vater bei Soissons verletzt und gefangen genommen. Aus der Kriegsgefangenschaft und als Kriegsversehrter aus dem Lazarett heraus, wurde er auf Befehl von der mit den deutschen NS-Besatzern kollaborierenden Präfektur ins Lager Mérignac fortgebracht. Von dort wurde er ins Lager Drancy verschleppt und als "lebensunwerter" Jude nach Auschwitz-Birkenau deportiert. (Vgl. Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!" ullstein, 2016)

Seine Mutter hat ihren kleinen Sohn Boris am 18. Juli 1942 zur Obhut beim Jugendamt abgegeben. Einen Tag später wurde sie als verfolgte Jüdin in ein deutsches Vernichtungslager verbannt. Etwa ein Jahr später wurde Boris Cyrulnik als Pflegekind in eine christliche Pflegefamilie in Bordeaux in Sicherheit gebracht. Zu seinem Schutz wurde dem kleinen Boris eine neue Identität aufgestülpt, von nun an hieß er Jean Bordes. (Vgl. Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!" ullstein, 2016, S. 14-19)

Seine Eltern hat er nie wiedergesehen, sie haben den Mord am Jüdischen Volk nicht überlebt.

"Ich habe keine Erinnerung an ihren Tod, aber ich bin geprägt von ihrem Verschwinden." (Aus Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!" ullstein, 2016)

Der sechsjährige Junge wird gut von seiner Pflegefamilie aufgenommen, bis am 10. Januar 1944 bewaffnete Männer sein Bett belagerten. Sie richteten Revolver auf das schlafende Kind, um ihm abzuholen. Sie rissen ihn des Nachts fort und führten ihn ab. Seine Pflegemutter Margot Farges versuchte vergeblich ihn zu retten.
"Taschenlampe in der einen Hand, Revolver in der anderen, Filzhut, dunkle Brille, Kragen hochgeschlagen – welch ein Auftritt! So also kleiden sich Leute, wenn sie ein Kind töten wollen." (Aus Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!" ullstein, 2016)

Aufgrund des Verrats durch einen mit der Familie Farges befreundeten Pfadfinderjungen wurde die Identität des jüdischen Kindes enttarnt. Er wurde wie ein Verbrecher gefasst und abgeführt. (Vgl. Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!" ullstein, 2016)
Das Kind, das bei einer Razzia eingefangen wurde, konnte aber aus der Gruppe der in der Synagoge von Bordeaux zusammengepferchten Juden und Jüdinnen entweichen, sich verstecken und fliehen. Es folgt eine Zeit der Hetzjagd, der Todesnähe, der seelischen Verletzungen, der Einschränkungen und der sensorischen Isolierung. (Vgl. Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!")

Nach dem Holocaust wurde er aufgrund von Sorgerechtsstreitereien zwischen seiner Tante Dora, der Schwester seiner Mutter, die überlebt hat, und seiner christlichen Pflegefamilie wie eine Manövriermasse hin- und hergeschoben. Er pendelt als Kind zwischen Paris und Bordeaux und zwischen einem Kinderheim hin und her. Erst als sich abzeichnet, dass er in Paris bei Tante Dora und ihrem Lebensgefährten Émile sein darf, dass er sich einrichten kann auf ein Zuhause, dem er sich zugehörig fühlt, erhellt sich sein Inneres. Aus dem Problemkind und Schulversager wird ein Klassenbester, der seinen Lebensweg mutig und erfolgreich meistert.

"Zwei Jahre nach der Befreiung gab man mir meinen Namen zurück, das war für mich der Beweis, dass der Krieg zu Ende war." (Aus Boris Cyrulnik "Rette dich, das Leben ruft!" ullstein, 2016)

Cyrulnik war seit 1996 Studiendirektor der Fakultät der Humanwissenschaften der ´Université du Sud-Toulon-Var´, war Inhaber des Lehrstuhls für Ethologie sowie der Leiter einer Forschungsgruppe für klinische Ethologie am Krankenhaus von Toulon.

Eine neue Generationenzählung nach dem Holocaust

Der Begriff Child Survivors bildete sich Ende der 1970er Jahre heraus. Damit sind jüdische Kinder gemeint, die vor oder während der Shoah geboren wurden und von Geburt an von Ermordung-bedroht waren. Bei jüdischen Familien wird zwischen der Second Generation (dieser Begriff entstand Mitte der 1960iger Jahre) und den Child Survivors unterschieden: Die Child Survivors waren vom Tage ihrer Geburt an durch die NS-Ideologie und das NS-Vernichtungsprogramm existentiell bedroht. Sie lebten in unaufhörlicher Lebensgefahr, gefangen, erschossen und vergast zu werden.
Während des II. Weltkrieges sind in Europa 1,5 Millionen jüdische Kinder ums Leben gekommen, mehr als eine Million dieser Kinder wurde vorsätzlich und systematisch vernichtet. Mit dem Töten so vieler Kinder wurden auch zukünftige Generationen zerstört und der natürliche Fortgang von Generation zu Generation auf gewalttätige Weise abgetrennt.
Durch den gewaltsam ausgelösten Riss in der natürlichen Generationenfolge erscheint diese neue Generationenzählung nach dem Holocaust "Second Generation" in jüdischen Familien folgerichtig, aber eben nicht in den Familien der NS-TäterInnen und KollaborateurInnen.

Innerpsychischer traumatischer Riss

Sein erlittenes Leid als Child Survivor konnte Cyrulnik erst Jahrzehnte später aufschreiben, als in den 80er Jahren peu à peu eine gesamtgesellschaftliche Bereitwilligkeit aufkommt, sich mit dem Mord am Jüdischen Volk zu beschäftigen: Sich anzuschauen, wie in Frankreich in etlichen Teilen der Gesellschaft und der Verwaltung mit den deutschen NS-Besatzern kollaboriert wurde. Wie denunziert, nach Juden und Jüdinnen gejagt wurde und Teile der französischen Bevölkerung von der Entrechtung und späteren Ermordung der Juden und Jüdinnen materiell profitiert hat.

Kollaboration des Vichy-Regimes mit der deutschen NS-Besatzung

Als Vichy-Regime-Repräsentant leitete Maurice Papon seit 1942 den Freiheitsentzug und Inhaftierung von Juden und Jüdinnen im Raum Bordeaux. Er ließ Razzien in Sanatorien und Altersheimen durchführen und ordnete Deportationen ins Lager von Drancy an. Von dort fuhren die Züge direkt ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Mit Hilfe eines Persilscheins baute sich der ehemalige Polizei-Präfekt von Bordeaux, Papon, nach dem II. Weltkrieg ein Image als "Widerstandskämpfer der letzten Viertelstunde" auf und wurde von de Gaulle im Amt belassen. Am 17. Oktober 1961 ließ Papon, inzwischen Polizeipräfekt von Paris, den "Friedensmarsch" von Algeriern für die Unabhängigkeit erbarmungslos zerschlagen. Papon war Minister unter Raymond Barre, als 1981 Dokumente über seine Kollaborations-Täterschaft und aktive Mitwirkung an den Deportationen von Juden und Jüdinnen auftauchten. Nach jahrelangen Verschleppungen, auch unterstützt durch François Mitterrand, kam es verspätet zum Prozess. Papon wurde 1998 wegen der Freiheitsberaubung von 1560 Juden, darunter Kinder und Alte, zu zehn Jahren Haft und Verlust aller Bürgerrechte verurteilt.

Erst nach Papons Verurteilung tauten Cyrulniks Worte Schritt für Schritt auf, erst dann wurde es möglich, die zugefrorenen, sich immerfort wiederkommenden Schreckensbilder durch das Sprechen erinnerlich werden zu lassen.

AVIVA-Tipp: Ein von Außen "entstelltes Selbstbild wieder aufrichten", hierzu gibt das Buch "Scham" etliche Fallbeispiele. Ein Buch, das zur Selbstreflexion einlädt, das Leserinnen und Leser motiviert, genau hinzuschauen und hinzuhören. Eine fesselnde Lektüre, die trotz der Ernsthaftigkeit des vorgestellten Themas leicht lesbar ist und nachdenklich stimmt.

Zum Autor: Boris Cyrulnik ist Neuropsychiater und überlebte als "verstecktes Kind" den Holocaust. Er lehrt an der Universität Toulon. Unter seinen Büchern sind zahlreiche Bestseller, die insgesamt 1,5 Mio. Auflagen in Frankreich erreicht haben. Er ist einer der führenden Resilienzforscher und einer der bekanntesten französischen Psychotherapeuten. Auch in Deutschland wurde sein Buch "Rette dich, das Leben ruft" zum Bestseller.
Mehr Infos unter: www.univ-tln.fr und www.facebook.com/Cyrulnik.Boris

Boris Cyrulnik
Scham
Die vielen Facetten eines tabuisierten Gefühls

Originaltitel: Mourir de dire la honte
Aus dem Französischen von Maria Buchwald & Andrea Alvermann
Fischer&Gann, erschienen 19. März 2018
Gebunden, 248 Seiten
20,60 EUR
ISBN: 978-3-903072-72-5

Mehr Informationen zum Buch unter: fischerundgann.com

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Beitrag vom 12.07.2018

Nea Weissberg