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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 26.12.2009


Louis Begley - Der Fall Dreyfus
»Nana« Nicole Wenger

"Was haben Juden und Muslime gemeinsam?" Eine polemische Frage? Keineswegs! Ignoranz, Rassismus gegenüber Nicht-Christen und ihre Diskriminierung haben sich tief und dauerhaft in das ...




... (Unter-)Bewusstsein vieler Menschen geprägt und sich auch in den Praktiken ihrer Staatsformen manifestiert!

Sprüche wie "Alle Juden sind Verräter, alle Moslems Attentäter" mögen sich zunächst als sinnentleerter Schlachtruf von Neonazis und anderen verblendeten Menschen einordnen lassen. Dennoch die Angst vor Fremden, "anders" Denkenden und Gläubigen sitzt tief.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Hochsicherheitsgefängnis von Guantánamo Bay, eine "Teufelsinsel" des 21. Jahrhunderts.
Und so zeigt der jüdisch-amerikanische Autor und Jurist Louis Begley in seinem neuen Buch auf, wie ähnlich doch manches Schicksal der Häftlinge von Guantánamo und dem berühmtesten Gefangenen der "Teufelsinsel", Alfred Dreyfus, gelagert ist.

Als im Herbst des Jahres 1894 der französische Geheimdienst von einer undichten Stelle im Generalstab der Armee erfährt, bricht eine gezielte Hexenjagd in den Reihen des Militärs los – ein Beschuldigter ist schnell gefunden. Bei dem Hochverräter kann es sich, trotz fehlender Indizien und Beweise, so die allgemeine Meinung, nur um den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus handeln. Er wird verhaftet, des Landesverrats für schuldig befunden und soll bis zu seinem Lebensende auf der Teufelsinsel interniert werden ...

"Kaum jemand zweifelte an der Richtigkeit des Urteils: Dreyfus war Jude. Daß ein ´echter´ Franzose einer solchen Tat fähig wäre, schien undenkbar."

In den heutigen Zeiten steht zwar der Name "Dreyfus" für das gerichtliche Fehlurteil in einem berühmten dennoch historischen Fall. Doch wie sieht die Realität über ein Jahrhundert später aus? Welchen Preis sind die einzelnen Nationen bereit zu zahlen, wenn es darum geht, die vermeintliche Sicherheit unserer Gesellschaft zu garantieren?
Immer deutlicher wird, dass auch und gerade die international geltenden Menschenrechte in Staaten wie den USA weit schlimmer als nur mit den Füßen getreten werden. Ein Musterbeispiel dafür ist Guatánamo Bay: Ein Ort an dem Menschen, Muslime, mutmaßliche und vermeintliche Terroristen, ohne Prozess, festgehalten und gefoltert werden.

Louis Begley räumt in seiner historisch-modernen und leichtverständlichen Fallanalyse mit dem Irrglauben auf, die Häftlinge seien schon nicht ohne Grund in Guantánamo bzw. auf der Teufelsinsel gelandet. Euphemistische Bezeichnungen wie "racial profiling" bedeuten letztlich nichts anderes, als dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft und ihres Glaubens in das Visier der Staatmacht, ihrer Geheimdienste, ihrer Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane geraten können. Verfassungsrechtliche Grundsätze oder allgemein geltende Unschuldsvermutungen (wie z.B. "In dubio pro reo") scheinen offensichtlich doch nicht für alle Menschen zu gelten - erschreckend!

Zum Autor: Louis Begley wurde 1933 unter dem Namen Ludwik Begleiter als Sohn polnischer Juden in einer kleinen Stadt im Osten Polens (heute Ukraine) geboren. Er und seine Mutter entgingen, als katholische Polen getarnt, dem Holocaust. Nach dem Ende des Krieges kam die Familie wieder zusammen. Im März 1947 siedelte die Familie Begleiter in die USA über und ließ sich in Flatbush/Brooklyn nieder, wo sie den Namen Begley annahm. 1950 erhielt Louis Begley ein Harvard-Stipendium. Dort studierte er Literatur- und Rechtswissenschaften und arbeitete von 1959 bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem ersten Roman "Lügen in Zeiten des Krieges" international bekannt. Zuletzt erschienen sein Roman "Ehrensachen" sowie seine Heidelberger Poetikvorlesungen "Zwischen Fakten und Fiktionen". Louis Begley lebt in New York. (Presse- Informationen)
Weitere Informationen im Netz unter:
www.louisbegley.com
www.suhrkamp.de.

AVIVA-Tipp: Begley, der zuletzt in seinem Roman "Ehrensachen" dem Antisemitismus an amerikanischen Eliteuniversitäten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachging, legt eine beeindruckende, historisch wie juristisch fundierte Untersuchung des "Dreyfus-Falls" vor. Im Vergleich mit den erschütternden Praktiken im berüchtigten amerikanischen Gefangenlager von Guantánamo, zeigt er mit leichtverständlichen Worten auf, wie ungebrochen die Macht von Rassismus in unseren Gesellschaften ist. Mit seinem Werk fordert er keine General-Amnestie für TerroristInnen. Der amerikanische Schriftsteller und Jurist Louis Begley fordert faire und glaubensunabhängige Gerichtsprozesse – für alle!


Louis Begley
Der Fall Dreyfus

Teufelsinsel, Guantánamo, Alptraum der Geschichte
Originaltitel: Why The Dreyfus Affair Matters
Aus dem Englischen von Christa Krüger
Droemer Verlag, erschienen Mai 2009
Gebundene Ausgabe: 248 Seiten
ISBN: 978-3-518-42062-1
19,80 Euro

Wieder- und Weiterlesen: "Der Prozess" von Franz Kafka, "Ehrensachen" von Louis Begley und "Louis Begley", eine Biografie von Christa Krüger.


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Beitrag vom 26.12.2009

AVIVA-Redaktion